Mit einem Frachtschiff nach Südamerika und zurück
Teil 2 – Mit dem Frachtschiff über den Atlantik
Einschiffen und los fahren
Drei Nächte schlafen wir insgesamt in Le Havre. In der ersten Nacht werde ich gegen halb 3 unsanft geweckt, weil irgendein Mofafahrer oft und lange hupt. Es macht den Eindruck, als wolle er jemanden wecken. Na, das hat er geschafft. Aber ob ich die Zielperson war? In der zweiten Nacht ist uns der Schlaf etwas länger gegönnt. Immerhin erst um vier werden wir geweckt als im Hotelflur jemand sein richtiges Zimmer sucht und dabei wie wild an unserer Tür rüttelt. Erst als wir ein dreimaliges Non erschallen lassen, verzieht er sich und findet wohl sein richtiges Zimmer. In der dritten Nacht kommt der Geist der zukünftigen Weihnacht – nein, falsches Märchen. Es wird lediglich lauthals gestritten was damit endet dass die Frau des sich streitenden Pärchens mit festen Fußstampfern das Hotel verlässt. Wir verlassen auch das Hotel, aber erst am nächsten Morgen. Erst heißt es, wir sollten um 9 am Hafen sein, später Volle Fahrt vorausnennt man uns 11 als Uhrzeit. Wir frühstücken und packen unsere Sachen auf die Räder. Währenddessen kommt ein Hotelgast schlaftrunken aus seinem Zimmer und fragt, welchen Tag wir haben. Nach meiner Antwort murmelt er noch ein Merci und verschwindet wieder in seine Kammer. Ich bin mir sicher, dass er der Betrunkene war, der zwei Nächte zuvor bei uns schlafen wollte.
Abfahrt
1. Tag Mit einem Male vergisst man, noch in Frankreich zu sein, Lauter Philipinos, fremde Sprachen und ein freudiges Lächeln auf den Gesichtern, wie man es in ganz Frankreich nicht gesehen hat, Der Wachhabende befiehlt einigen der Matrosen unser Gepäck in die Kabine zu bringen, die Fahrräder werden irgendwo unter Deck verstaut. Kleinigkeiten wie die Spanngurte und ein paar Getränkeflaschen tragen wir selbst. Mit fünf Flaschen auf dem Arm erklimme ich die wackelige Gangway. Auf der dritten Stufe passiert es: Eine der Colaflaschen rutscht vom Arm, tuppst noch einmal auf den Kai und anschließend ins Hafenbecken – weg. So schnell Flaggengeht das. Und dafür hat man sie durch ganz Le Havre transportiert. Der erste Raum, der uns vertraut gemacht wird, ist die Bar. Dort legen wir unseren Kleinkram ab. Wo unsere Taschen sind? Keine Ahnung, hoffentlich in der Kabine. Moni wird plötzlich von einem Mann begrüßt: Dzien Dobry, Guten Tag auf Polnisch. Es stellt sich heraus, er ist der Erste Maschinist und stammt aus Stettin. Doch auch der Kapitän soll Pole sein, Wir freuen uns, dass jemand in einer unserer Muttersprachen an Bord ist. Kurz haben wir die Möglichkeit, Kabine 304, unsere nämlich zu sehen. Allerdings nur so kurz, dass wir gerade unsere Packtaschen durchzählen können, als wir um unserer Pässe und Impfausweise gebeten werden und der für die Sicherheit- und Zollangelegenheiten zuständige Offizier uns bittet mitzukommen. Noch immer liegt unser Kleinkram zwei Etagen tiefer in der Bar, doch schon sitzen wir im Rettungsboot. Sämtliche Sicherheitseinrichtungen werden uns vorschriftsmäßig gezeigt, nicht zu vergessen aber auch der Swimmingpool und der kleine Fitnessraum. Danach Bugkönnen wir erst einmal durchatmen, unsere Sachen sortieren und – Nichtstun. Wir schauen uns an, schauen durch das Fenster auf das Hafenbecken und fragen uns, was wir nun machen? Wir gehen in den Bereich des Decks, wo wir niemanden bei der Arbeit stieren können. Ein 4×4 Meter großer Abschnitt mit Sitzgelegenheit, Grill und Blick auf das Hafenbecken. Dort treffen wir einen weiteren Passagier (51) aus der Schweiz, der bis in das brasilianische Belem fahren wird. Er ist neben uns und der Frau des Kapitäns der vierte und letzte Passagier. Anschließend fangen wir mit unserem ersten Puzzle an. Zwei Stück brachten wir für diese Reise mit, ebenso wie Bücher. Ein Gewicht, das glücklicherweise mit dieser Schiffsfahrt auf dem Rad wegfällt. Damit wir aber nicht zwei Kartons mit Puzzle mitschleppen, habe ich vorher das Motiv ausgeschnitten. Jetzt stellt sich heraus, dass ich irgendetwas herausgeschnitten habe aber nicht das passende Motiv zu dem Puzzle, was wir mitführen. Toll, umso größer ist die Spannung, wie denn nun das Puzzle im fertigen Zustand aussehen wird – wenn wir es überhaupt fertig bekommen. Während des ganzen Tags warten wir darauf, dass die Beladung fertig gestellt wird und das Schiff ablegen kann., Es ist faszinierend zu beobachten wie merkwürdige Fahrzeuge dreimal so hoch sind wie die Container und diese wie Legosteine aufnehmen und irgendwo anders abstellen. Der Fahrer sitzt dabei in rund 10 m Höhe. Bereits zweimal können wir an einem Essen teilnehmen. Das Lunch wird um halb 12 serviert und das Dinner um 17.30 Uhr. Etwas verunsichert betreten wir die Offiziersmesse und bekommen einen Platz zugewiesen. Die Shrimps in der Suppe lassen wir liegen. Das Frühstück gibt es morgens um 7.30 Uhr, wer sich diese Zeit ausgedacht hat, möge sich mal bitte bei mir melden… An der Wand der Offiziersmesse, wie der Speiseraum genannt wird, hängen Speiseplan, aktuelle Informationen, die Passagier- und Besatzungsliste und ein Plan der die Fahrzeiten zwischen den einzelnen Häfen minutengenau aufschlüsselt. Mit uns im Raum sitzen noch weitere hungrige Mäuler, wie z.B. die Offiziere, Chefingenieur und sonstige Führungskräfte. Die Matrosen haben ihre eigene Messe. Aber auch den Kapitän haben wir den ganzen Tag nicht gesehen. Na ja, er wird wohl viel zu tun haben und so bleibt uns nichts anderes übrig, als ihn uns in Gedanken vorzustellen. Gegenseitig beschreiben wir unsere Vorstellungen eines polnischen Kapitäns dieses Frachters. Weiße Haare, Bart, rustikal – am Ende sieht er für uns aus wie Kapitän Smith von der Titanic. Na hoffentlich setzt er den Kahn nicht vor einen Eisberg. Gegen 23 Uhr geht Moni ins Bett. Ich bleibe noch auf der Couch sitzen und lese, weil ich sehen will, wie das Schiff ablegt. Eine Stunde später gebe ich auf und gehe auch schlafen.
2. Tag ALAAAARM!!! Völlig aufgeregt weckt mich Moni mit den Worten, dass etwas passiert sei. Es hört und fühlt sich alles anders an Tatsächlich, das Bett vibriert jetzt viel mehr und das Schiff, das um das Bett gebaut wurde, auch. Ich springe in den Wohnraum, schaue aus dem Fenster und sehe in der Dunkelheit ein Schleppschiff, das mit unserem verbunden ist. Es geht also los, morgens um 2. Wir ziehen uns an, gehen an Deck und beobachten, wie die Leinen gelöst werden und das riesige Schiff mit dem Schlepper durch den Hafen von Le Havre manövriert wird. Wir erkennen im Vorbeifahren das Rathaus, die Kirche und die Strandpromenade. Langsam entfernt sich die Stadt, um uns Karibik herum wird es dunkler. Der ganze Vorgang dauert bis halb vier. Unsere vierte Nacht in Le Havre – mal wieder mit Unterbrechung geschlafen. Wir gehen wieder ins Bett und werden wenig später vom Wecker geweckt. Moni:” Oje, da draußen ist nur Wasser und es wackelt so.” Ich stehe auf, will zum Fenster gehen und lerne dabei unbeabsichtigt alle vier Ecken des Wohnzimmers kennen. Aber es gefällt mir, völlig motiviert und voller Freude auf den ersten Tag auf hoher See schlüpfe ich in die Schuhe und will zur Kabinentür. Die Türklinke habe ich bereits in der Hand, als mich Moni fragt, wo ich hin will. “Na, zum Frühstücksraum. Essen und den Kapitän kennen lernen.” Doch Moni antwortet: “Soweit ist er nicht weg. Wir haben erst 5 nach 7? Oh, also hinsetzen und warten. Nach dem Frühstück, bei dem es auch etwas Warmes gibt (heute: Corned Beef) gehen wir wieder in unsere kleine Wohnung. Plötzlich höre ich ein vertrautes Geräusch: Moni bekommt eine SMS: Auch wenn wir die Küste nicht mehr sehen, ist sie wohl nicht weit weg. Ich mache mein Handy an und sende auch noch eine Nachricht in die Heimat. Moni geht es zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr ganz so gut. Sie fühlt sich schlecht und bleibt nur noch auf der Couch liegen. Beim Lunch mümmelt sie ein bisschen Salat, legt sich danach gleich wieder hin. Das auf dem Tisch ausgebreitet Puzzle rühre ich auch nicht an. Die Teile sind mir zu klein, müsste ich mich darauf konzentrieren würde es mir auch schlecht gehen. Also verbringe ich den Nachmittag mit Lesen. Nur einmal wage ich mich raus und gehe zum ersten Mal zum Bug. Unter den tonnenschweren Containern hindurch erreiche ich die Spitze des Schiffes, muss mich aber ständig und gut festhalten. Die Nase des Frachters taucht tief in die Wellen ein, das Wasser spritzt meterhoch an mir vorbei. Nein, zu gefährlich und zu unheimlich. Ich gehe schnell wieder in die Kabine. Gegen 17 Uhr, aus dem Weltempfänger ertönen gerade die Nachrichten der Deutschen Welle, springt Moni von der Couch und rennt ins Bad. Es folgen irgendwelche Würgegeräusche und ein jammerndes: ”Micha, mir ist ja so schlecht.” Damit steht fest, wie der Titel des heutigen Tagebucheintrages lautet: “Moni kotzt” Das Dinner lässt sie dementsprechend ausfallen und ich gehe alleine die leckeren Nudeln und Hackfleischbällchen essen. Doch ausgerechnet bei diesem Essen erscheint nun auch der Kapitän mit seiner Frau. Er heißt den Schweizer Passagier und mich Willkommen und fragt nach Moni. Der Kapitän entschuldigt sich dass er so selten am Tisch sitzt aber er hatte gestern und heute viel zu tun. Danach folgen ein paar erste Informationen. So könnten wir beispielsweise per Satellitentelefon telefonieren. Eine Minute würde einen US-Dollar kosten. Die Bordwährung ist sowieso nur Dollar. Dann erhalte ich eine Preisliste und einen Bestellzettel für Getränke und Snacks. Diese werden zu vernünftigen Preisen angeboten. Das Mitbringen unserer Getränke war also nicht notwendig, aber weiß man es vorher?
Seekrank auf dem Atlantik
Schließlich gibt es noch ein wenig Smalltalk und ich schaffe es, dass der Kapitän fassungslos den Kopf schüttelt, als ich von unseren Plänen berichte. Er sieht im Übrigen nicht aus wie Kapitän Smith, sondern eher militärisch zackig. Zudem ist er mit 39 Jahren verhältnismäßig jung. Nach dem Essen kam der Sicherheitsinspektor und bat um zahlreiche Unterschriften mit denen ich bestätigte, dass er uns alles gezeigt und erklärt hat. Ja, die Bürokratie ist auch auf hoher See nicht wegzudenken. Anschließend gab es noch ein Identifikationsbild und eine Deklaration unserer Wertgegenstände für den Zoll. Danach traf ich den ersten Maschinisten aus Polen, der uns direkt für den morgigen Samstagabend in die Bar zu einer kleinen Feier einlud. Er hatte Namenstag und dieser hat in Polen größeren Stellenwert als der Geburtstag. Ich mache mich danach auf dem Weg zum Küchensteward um zu erfragen, wo ich denn unsere bestellten Getränke abholen könne, als ich am Mannschaftsraum der Matrosen vorbei komme. Als man mich sah wurde ich sofort fröhlich und laut hereingewunken. In Sekundenschnelle machte man mir einen Platz frei und gab mir eine Getränkedose. Der Videorekorder spielte einen amerikanischen Film mit holländischem Untertitel in einer sagenhaften Lautstärke. Die Philipinos haben wohl ein anderes Verhältnis zur Lautstärke als wir Europäer. Die Schauspieler im Fernsehen schreien, die Philipinos schreien, alle schreien. Hauptsache laut und durcheinander. Zwei von ihnen hatten Geburtstag und deswegen wurde gefeiert. Später soll es noch Karaoke geben. Nachdem ich brav gratulierte, öffnete ich die silbern leuchtende Dose und erwartete einen kühlen Schluck Cola-Light. Ich hätte genauer hinsehen sollen, es war Bier. So sitze ich also mitten zwischen zehn laut schreienden philippinischen Matrosen, werde mit Bier abgefüllt, muss Fragen zur Reise beantworten und meine Stimme nun gegen den Fernseher ankämpfen lassen, während Moni zwei Etagen über mir in stiller Einsamkeit an Seekrankheit stirbt. 3. Tag Moni geht es noch nicht besser. Dafür bekomme ich beim Frühstück, das sie ausfallen lässt, zwei Hawaii-Toast, ihres gleich mit. Ich begebe mich auf die Couch, während Moni im Bett liegt und schreibe diesen Bericht auf Papier vor, als unterhalb unseres Fensters ein Motor gestartet wird. Fast gleichzeitig rufen wir uns zu: “Will da jemand Rasen mähen?” Doch ein Blick aus dem Fenster verrät, dass bloß der Motor vom Rettungsboot getestet wurde. Im Laufe des Tages bekommt Moni zweimal Besuch. Erst kommt der Küchensteward und bringt Tabletten gegen Seekrankheit. Später erscheint der Sicherheitsoffizier um auch endlich von ihr ein Foto zu machen und Unterschriften zu erhalten. Schon beim Lunch geht es ihr wieder besser, beim Dinner lernt sie schließlich auch den Kapitän kennen. Auch sie schockt ihn auf Polnisch mit Details über unsere Reise. Auch die Frau des Kapitäns ist sehr an unserem Vorhaben interessiert. Die Gespräche dauern über das Abendessen hinaus bis zur Party, anlässlich des Namenstages des Maschinisten. Wir wechselten die Örtlichkeit und gehen nach nebenan in die kleine und gemütliche Bar. Dort legt der Kapitän die Sitzreihenfolge fest und aus dem Fernseher ertönt eine brasilianische Musik-DVD in voller Lautstärke. Let’s Party… Die illustre Runde besteht aus dem Schweizer Passagier, dem polnischen Maschinisten, dem polnischen Kapitänsehepaar, drei rumänischen Offizieren (Elektriker und Chefingenieur) und uns. Auf dem Tisch sammeln sich die Bierflaschen, der Wein und der Whisky, während sich die Chipstüten leeren. Viel erfahren wir über den Bootschef, der zwei Kinder hat und seit 20 Jahren zur See fährt. Anfangs beinhalten die Gespräche noch Themen rund um die Seefahrt. Dabei erfahren wir, dass der Kapitän auch schon mal einen Unfall zu verzeichnen hatte. So kollidierte er wohl mal mit einem toten, treibenden Walm, der daraufhin ekelig auseinander platzte. Ob Seemannsgarn oder Realität, später führen die Gespräche über ganz alltägliche Dinge und zum Schluss wird ganz banal darüber diskutiert, wer das bessere Auto fährt. Dabei vergisst man völlig, dass man sich auf einem Schiff gen Südamerika befindet, wenn Rumänen auf Englisch die Vorzüge ihres französischen Autos darlegen. Und das mitten auf dem Nordatlantik zwischen Spanien und den Azoren. Um 23 Uhr stellen wir die Uhr bereits zum zweiten Mal zurück, womit dieser Tag 26 Stunden lang war. Die erste Umstellung mussten wir in der vorherigen Nacht um 0 Uhr vornehmen. Mit der Frage, wer denn jetzt eigentlich das Schiff navigiert, gehen wir um 1.30 Uhr deutscher Zeit, 23.Karibik30 Uhr Ortszeit ins Bett.
4. Tag Der Blick aus dem Fenster zeigt, dass heute die See fast spiegelglatt ist. Die einzigen nennenswerten Wellen stammen vom Schiff selbst, das sich mit 15,5 Knoten (29 km/h) fortbewegt. Seit gestern Abend ist für uns Passagiere der Pool mit Meerwasser gefüllt. Aber wahrscheinlich ist es noch zu kühl um in dem kleinen Beckenplanschen zu gehen. Mit einem Male erspähen wir auf der Wasseroberfläche in ca. 300 m Entfernung mehrere Rückenflossen, die schnell auf und abtauchen. Wir wissen nicht genau, um was es sich handelt, vermuten aber Wale, evtl. Finnwale? Wir wissen es nicht genau und können nur spekulieren. Am späten Nachmittag sind erneut Wale zu sehen. Zu erkennen sind sie durch kleine Wasserfontänen, die sie in die Luft wirbeln. Aber sie sind soweit weg, dass man durchs Fernglas schauen muss, um den Rücken der Tiere zu erspähen.
Leichter Seegang
Etwas anstrengend sind die Gespräche mit unserem Mitpassagier. Schon zum zweiten Mal verwickelt er mich in einen Dialog, der keiner ist. Man kann es eher als Monolog verstehen, denn schlagartig werde ich bloß zum Zuhörer, zu einem wenig interessierten. Denn so ganz sind seine Gedankengänge nicht Nachzuvollziehen. Ich habe nicht so ganz verstanden, warum man Musik von verstorbenen Künstlern nicht hören sollte und warum Göbbels nach dem Krieg weiterlebte und 50 Jahre lang seine Mutter als Arzt behandelte. Nach weiteren Verschwörungstheorien und dem ständigen Bezug zu Putin zweifelt er schließlich sogar an, ob seine Mutter weiblich ist. Meine restlichen Gedanken lasse ich an dieser Stelle mal unkommentiert. Ich sage nur: Es gibt 70.000 Frachtschiffe und ausgerechnet… Wie auch immer, am Abend nehmen die Wellen wieder etwas an Stärke zu. Es ist 22 Uhr in Deutschland, an Bord 20 Uhr, doch in der kommenden Nacht sollen wir wieder die Uhr umstellen, was wir schon taten und so haben zumindest wir beide schon 19 Uhr. Leichte Übelkeit überkommt uns und wir liegen etwas ermattet auf der Couch. Moni geht schon mal ins Bett und ich sage, dass ich gleich nachkomme. Ich wollte noch mal kurz frische Luft schnuppern und an Deck gehen. Also gehe ich durch die Gänge zur Tür aufs Deck, öffne diese und schon schallt mir brasilianische Popmusik entgegen. Die drei rumänischen Offiziere, der polnische Maschinist und der schweizer Passagier sitzen vor einem Laptop, in dem eine DVD mit einem Konzert aus Brasilien läuft. An der Decke leuchten bunte Glühbirnen und im Hintergrund verschwindet gerade die Sonne am Horizont. Ein schönes Bild als plötzlich einer der Rumänen bei meinem Auftauchen aufspringt und ein Glas auf den Tisch stellt, es mit Rotwein füllt und sagt: “For you”: Also wird wieder getrunken, aber diesmal scheint der Kapitän auf der Brücke zu sein. Allerdings gibt es schon merkwürdige Begebenheiten, am Nachmittag traf ich einen Matrosen und fragte ihn nach dem Standort. Er zeigte nach rechts und erklärte: “100 Miles, there is Spain.” Okay, die 100 Meilen nehme ich ihm noch ab, aber auf der rechten Seite des Schiffes kann unmöglich Spanien liegen, wenn wir in Nordfrankreich gestartet sind und Amerika ansteuern. Da dachte ich noch an ein Versehen, aber in der abendlichen gemütlichen Runde teilte mir der Maschinist mit, dass wir morgen möglicherweise Handynetz haben werden, weil wir Kap Verde passieren. Ich erschrak etwas, denn Kap Verde ist eine Inselgruppe vor Afrika. Aber einer der Offiziere korrigiert ihn und sagte, dass es die Azoren sein werden. Wie beruhigend, wenigstens einer wusste es. Jetzt wurde nur noch darüber diskutiert, auf welcher Seite die Inseln auftauchen. Ob wir wirklich dort ankommen, wo wir hinwollen oder landen wir am Ende in Australien? Als die Rumänen erfuhren, dass ich vor gar nicht allzu langer Zeit Michael Moll unter Palmenin Rumänien war, waren sie ganz stolz und holten aus ihrer Kabine kurzerhand eine CD mit Bildern aus ihrer Heimat. Nachdem ich noch ein Glas dänischen Kirschlikör trinken musste, ging ich viele Stunden später ins Bett und machte mir Gedanken, dass dies der dritte Abend auf hoher See war und ich zum dritten Mal in Folge alkoholisiert schlafen ging. Wo soll das noch enden?
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