2010 – (2) Mit der Transsib nach Peking

Fahrt mit der Transsibirischen Eisenbahn

Einreise nach China

Zwei anscheinend gegenteilige Exemplare trafen wir in Sabaikalsk. Sabaikalsk ist der letzte Ort vor der chinesischen Grenze. Das heißt, man ist bis dorthin über vier Tage unterwegs. Dort hat man dann sechs Stunden Aufenthalt, weil unter anderem wieder die Waggons umgespurt werden müssen.

In Sabaikalsk stiegen wir also aus und wollten ein wenig die Stadt besichtigen als plötzlich ein junges Pärchen aus einem anderen Waggon an uns vorbei kam und deutlich sichtbar aus dem Westen stammte. Wir grüßten uns und es stellte sich heraus, dass sie auch aus Deutschland stammten. Viel schlimmer aber: Sie seien auch schon aus Moskau dabei. An dieser Stelle erinnere ich nochmal, dass wir auf dem Moskauer Bahnsteig keine westlichen Touristen sahen und die Anzahl der dort Wartenden recht überschaubar war. Unsere Vermutung, sie können damals nur im letzten Augenblick zum Zug gekommen sein, unterstrichen sie mit der Tatsache, dass sie auch in Sabaikalsk beinahe den Zug verpassten. Einen Zug mit sechs Stunden Aufenthalt knapp zu verpassen, obwohl es nur wenige Straßen rund um den Bahnhof gibt und vom Bahnsteig aus die Steppe zu sehen ist, ist schon eine Kunst.

Ebenso waren sie recht unvorbereitet unterwegs. Während wir zumindest umgerechnet 30 Euro in chinesischen Yuan mit uns führten, wechselten sie ihr erstes Geld erst am ersten Halt nach der Grenze. Genauer gesagt, auf dem Schwarzmarkt am Bahnhof. Ob der Kurs dort nun günstiger war, bleibt anzuzweifeln. Aber das ist halt nur meine Meinung. Das erinnert mich halt immer an Stefan aus der Schweiz, der mit uns damals auf dem Frachtschiff den Atlantik überquerte und ohne zu wissen, welche Währung gültig sei, nach Brasilien auswanderte.

Neben dem Spurwechsel fand natürlich auch eine Grenzkontrolle statt. In Sabaikalsk untersuchten uns zunächst die Russen. Ein junger Zöllner bat uns aufzustehen, damit er unsere Passfotos besser vergleichen könne. Bei Moni ging das relativ schnell, doch bei mir war er wohl recht skeptisch. Mein Reisepass war bereits neun Jahre alt und stand kurz vor dem Ablaufdatum. Dementsprechend ist auch das Passfoto darin etwas in die Jahre gekommen. Vielleicht bin auch ich derjenige, der älter wurde. Wie auch immer. Sein Blick wechselte immer wieder zwischen dem Passfoto und mir hin und her. Ich wusste nicht, ob ich lachen sollte, weil ich diese Situation irgendwie komisch fand oder ob ich nervös sein musste, weil seine Unsicherheit Probleme bedeuten könnten.

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Mit unseren Pässen verschwand er, um kurze Zeit später mit seiner Kollegin zurückzukehren. Diese lachte und bat mich ebenfalls aufzustehen und so zu lächeln, wie damals auf dem Foto. Sie bedankte sich bei mir und gab ihrem Kollegen lachend meinen Pass. Während sie gemeinsam davon gingen, sagte sie zu ihm, die Augen und die Ohren wären auf jeden Fall mit denen auf dem Foto identisch. Ja, das kann ich bestätigen. Ich habe in den vergangenen Jahren nichts ausgetauscht.

Anschließend wurde noch ein Cockerspaniel als Drogenhund durch den Waggon gescheucht und mit einer Taschenlampe hinter so manche Abdeckung geleuchtet. Die Gepäckkontrolle fand jedoch lediglich in Form einer Frage, was wir dabei hätten, statt. Danach durften wir das Land verlassen.

In Manjur (Manzhouli) auf chinesischer Seite sah es nicht viel anders aus. Nach Ankunft auf dem Bahnsteig betraten chinesische Zöllner den Zug und sammelten die Pässe ein. Moni und ich wurden nach unserem Beruf gefragt. Hier wurde ich dann doch etwas nervös. Wussten sie vielleicht doch, was ich mache? Die Angabe meines Nebenjobs reichte aber vollkommen aus. Bei Moni wurde es etwas lustiger. Ihr Englisch ist nicht ganz so ausgefeilt, weshalb sie sich ein wenig verhaspelte. Als dann endlich feststand, dass sie Sprachlehrerin ist (teacher for language) lockerte ich die Runde auf: „But not for English“ und hatte damit die Lacher der ohnehin schon freundlichen chinesischen Grenzkontrollen auf meiner Seite.

Es dauerte eine ganze Weile, bis die Zöllner zum Zug zurück kamen und uns die gestempelten Pässe zurückbrachten. In der Zeit durften wir nicht aussteigen, der Zug wurde zudem bewacht. So blieb Zeit dem nichtvorhandenen Treiben auf dem Bahnsteig zuzuschauen. Ohne Fahrkarte darf kein Mensch den Bahnsteig betreten und so kommt es, dass sämtliche Bahnsteige komplett leer sind. Im Übrigen auch sehr sauber. Auf der anderen Seite sahen wir die Hochhäuser der Stadt, die in bunten Lichtern leuchteten und deren Scheinwerfer den Himmel erleuchteten.

Nach der Passrückgabe durften wir den Zug für zwei Stunden verlassen. In dieser Zeit wurde der chinesische Speisewagen angekoppelt. Den Bahnhof durften wir dennoch nicht verlassen, lediglich die Bahnhofshalle konnte betreten werden. Dort gab es einige ältere Chinesinnen, die schwarz Geld tauschten und in der ersten Etage eine große Halle, in der an der Seite hinter milchgetönten Scheiben allerlei Produkte verkauft wurden. Die ausgebreiteten Schlafdecken auf den Sitzbänken deuteten darauf hin, dass die Verkäufer lange auf uns gewartet hatten. Immerhin sind die Passagiere aus unserem Zug die einzigen gewesen, die sich in der Halle aufhielten. Von Wodka, Keksen und Würstchen gab es bis zu Wolldecken alles Mögliche, was man an Reiseutensilien benötigen oder auch nicht benötigen könnte. Wir entschieden uns für eine überteuerte Flasche Coca-Cola, welche mich aber mehr wegen der Schriftzeichen darauf ansprach.

Die Bahnhofshalle konnte erst wieder verlassen werden, als der Zug mit seinen Ankopplungen fertig war. Zum Glück dauerte das bei Weitem keine zwei Stunden. So konnten wir also die restliche Zeit im Zug sitzen bleiben, bis er nach langem Stillstand weiter fuhr. Zu sehen gab es ohnehin nichts mehr.

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11 Kommentare zu „2010 – (2) Mit der Transsib nach Peking“

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  6. Hallo.

    Ich habe den Bericht zwwar erst jetzt (2015), aber doch mit genuss gelesen.

    Ich habe mit meiner Freundin auch eine Zugfahrt über Moskau bis nach Peking gemacht, allerdings über eine ganz andere Strecke, die unterhalb der Mongolei entlang führte. Das war Mitte der 90er Jahre.

    Wir haben uns auch viel länger Zeit genommen für die Strecke und haben zwischendurch in den Städten auch immer mal nen paar Tage Aufenthalt gewählt, um die Gegend und Kultur kennenzulernen.
    Die hatte zur Folge, dass wir auf weder die deutsche Zeit ständig im Kopf hatten und auch nicht (typisch deutsch, sorry) stunden vorher an den Bahnsteigen waren.
    Ich kann daher das junge Paar ganz gut verstehn, die erst kurz vorher an den Zügen waren. Man geht bei diesen Reisen dann viel mehr in Kultur und Zeit des jeweiligen Landes auf, was ich als super schön in Erinnerung habe.

    Viel Freude und Spass auf weiteren Touren

    1. Hallo,

      mit „unterhalb der Mongolei“ ist also Kasachstan und dann direkt China gemeint? Auch eine schöne Strecke, die wir uns für die Zukunft auch schon überlegt haben. Mal schauen, vielleicht klappt das ja mal.
      Wir hätten uns auch gerne mehr Zeit für andere Städte genommen. Aber wir hatten ja nur vier Wochen für die komplette Reise nach Peking und zurück. Wir haben den Schwerpunkt auf Peking gelegt und da war die Transsibirische Eisenbahn eben „nur“ ein Transportmittel für uns. Was die frühere Anwesenheit am Bahnhof betrifft, ist das nicht unbedingt typisch deutsch. Meine Lebensgefährtin ist nämlich keine gebürtige Deutsche und geht dennoch lieber auf Nummer Sicher. Immerhin geht es hier auch um viel Geld, was der ganze Spaß kostet und zuhause wartet halt auch pünktlich der Arbeitgeber, der nur wenig Verständnis zeigt, wenn man irgendwo in Peking seinen Zug zur Arbeit verpasst hat. Und so gesehen erlebt man auf Bahnsteigen auch sehr viel Kultur des jeweiligen Landes, das haben wir daher ebenso schön in Erinnerung.
      Viele Grüße
      Michael

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