2010 – (2) Mit der Transsib nach Peking

Fahrt mit der Transsibirischen Eisenbahn

Warten auf die Transsib

Doch noch war es früh und hell und so blieb ausreichend Zeit, das dortige Lenindenkmal zu begutachten und in den großen Wartesälen die Menschen zu beobachten.

Eine Mutter mit drei Kindern beanspruchte neun Sitzplätze, indem sie alle liegend bzw. schlafend genutzt wurden. Zahlreiche Menschen traten immer wieder versehentlich beim Vorbeigehen gegen den Fuß eines metallenen Hinweisschildes, welches sich dadurch mit einem deutlichen Scheppern zu Wort meldete. Vielleicht wäre hier noch ein Hinweisschild mit der Aufschrift „Vorsicht, Schild hat einen Metallfuß“ angebracht gewesen.

Ein älterer Herr begab sich plötzlich mitten in den mit rund 50 Wartenden besetzten Saal und hielt eine Rede, bei dem ihm beinahe selbst die Tränen kamen. Abgesehen von dem Wort „arbeitslos“ verstanden wir nicht allzu viel von dem was er sagte. Aber er muss überzeugend gewesen sein. Kaum hatte er das letzte Wort ausgesprochen, sprang gut ein Dutzend der Menschen auf und brachte ihm Geld und etwas zu essen. In Begleitung war er von einem ca. 15jährigen Jungen, der mit seiner Plastiktüte die Geschenke einsammelte. Nicht, dass und das unberührt lassen würde, doch wir hatten an dem Tag schon eine ganze Menge Elend in Moskau und Umgebung gesehen, genauso wie natürlich auch in anderen Ecken der Welt. Und wir sahen auch schon etliche Personen, die mit dem Mitleid Anderer ganz gut über die Runde kamen. Das Thema Betteln ist nun mal immer ein schwieriges. Man steht immer vor der Frage, ob man etwas geben soll oder nicht. Wenigen Wochen zuvor gaben wir einem Pärchen in Deutschland zwei gekaufte Wasserflaschen, weil an ihrem Auto der Kühler überkochte und einer anderen Frau gaben wir ein komplettes Streichholzpaket, obwohl sie nur einmalig nach Feuer fragte. Wir geben und helfen gerne. Aber beim Thema Betteln bin ich immer sehr skeptisch. Besonders, wenn der Junge, der die Lebensmittel und das Geld einsammelt, ein für russische Verhältnisse teures und gut gepflegtes Ronaldinho-Trikot trägt. Möglicherweise tu ich ihm auch Unrecht und es ist der der einzige „Reichtum“, den er hat. Dennoch, helfen und geben möchte ich auf meine Weise und dann lieber den Leuten, die nicht aufdringlich betteln. Es wird behauptet, dass wir Westler in manchen Ländern den Menschen das Betteln bereits anerzogen haben.

Als es dunkel wurde, holten wir unser Gepäck ab und warteten an dem Transsib-Obelisken mit der Kilometerangabe Null auf unsere Bahn bzw. auf die Ankündigung an der Digitalanzeige an welchem Gleis wir abfahren würden.

Menschen gingen und Menschen kamen und manche von ihnen sprangen auf die Gleise um kostenlos zu den Regionalzügen zu gelangen, für die man sonst am Ende der Gleise eine Fahrkarte lösen müsste.

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Rund eine halbe Stunde vor der Abfahrt erschien der Hinweis auf Gleis 3 und kurz nachdem wir unser Gepäck dorthin bugsierten, fuhr auch schon langsam der Zug rückwärts in den Kopfbahnhof ein. Unsere Transsibirische Eisenbahn war nun da.

Erstaunlicherweise waren wir die einzigen Touristen. Alle anderen Fahrgäste stammten, so wie es aussah, aus Russland und nutzten die Transsib weniger als Urlaubsreise, sondern eher dem Zweck der praktischen Fortbewegung um beispielsweise Verwandte weiter im Osten zu besuchen.

Laut unserem Fahrschein mussten wir uns bei Waggon 4 einfinden. Die freundliche Schaffnerin verwies und jedoch auf den benachbarten Waggon Nummer 5 wo uns und anderen Passagieren ein mürrisch dreinblickender Herr die Fahrscheine abnahm. Er brachte uns in den Waggon und wies uns Abteil Nummer 3 zu. Schon auf dem kurzen Weg von der Waggontür bis zum Abteil kam Transsibfreude in mir auf, als wir dabei am legendären Samovar, dem Heißwasserboiler vorbeikamen.

Nun saßen wir in unserem Abteil der Transsibirischen Eisenbahn. Genauer gesagt, im Abteil der Transmandschurischen Eisenbahn. Denn die Transsib, wie man sie nennt, fährt eigentlich nur durch Russland bis Vladivostok. Doch die Transmandschurische Eisenbahn fährt nach Peking und zwar eben durch die Mandschurei, was den Namen erklärt. Im Gegensatz dazu gibt es noch die Transmongolische Eisenbahn, die ebenfalls zwischen Moskau und Peking pendelt, aber eben durch die Mongolei. Zu dieser kommen wir später auf der Rückfahrt.

Zwei Sitzbänke mit blau-grüner Polsterung standen sich gegenüber. Dazwischen, unterhalb des mit dünnen Vorhängen verzierten Fensters ein Tisch. Auf diesem wiederum eine Tischdecke in Beige, am Rand  mit der kyrillischen Aufschrift Moskau-Peking bedruckt. Über der Schiebetür, die von innen komplett verspiegelt war, hing ein Flachbildschirm. Dahinter befand sich ganz offensichtlich Stauraum, in dem sich zu dem Zeitpunkt die Kissen für die Nacht befanden. Wir saßen uns gegenüber, umgeben von unserem Gepäck und staunten. Dies alles machte einen sehr modernen Eindruck und übertraf unsere Erwartungen.

Nach mehreren „Och, das ist aber alles nett und schön hier“ begannen wir damit unsere Behausung der nächsten Tage näher zu inspizieren, während draußen in der Dunkelheit langsam die Straßen Moskaus an uns vorüberzogen.

In den Kopfstützen waren kleine Staufächer untergebracht, die für Kleinkram wie Bücher und Zeitungen gedacht waren. An ihren jeweiligen Enden befanden sich Leselampen. Da an jedem Ende eine Leselampe leuchtete, war man in der freien Wahl, wo man sein Haupt niederlegen möchte. Unter der Sitzbank befand sich erstaunlich viel Stauraum und wenn man die Rückenlehnen umklappte, förderte man das Bett zu Tage.

Zwei Griffe rechts und links neben dem Fernseher gaben uns kurze Zeit Rätsel auf. Doch nachdem wir auch die dazugehörigen Fußrasten fanden, war klar, dass sie einfach dazu dienten zum oberen Gepäckfach zu gelangen. Erstaunlich, man hatte also sogar daran gedacht, dass man nicht auf die Polsterung treten muss. Nur ein Kartenlesegerät neben der Tür, ähnlich wie in einem Hotel, haben wir bis zum Ende der Fahrt nicht verstanden und benötigt, ebenso wenig den Fernseher, der nur Rauschen von sich gab. Das Radio unter den Leselampen ertönte nur, wenn wir Kopfhörer in die Buchse steckten. Zum Schluss seien noch die Klimaanlage und der Rauchmelder erwähnt.

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11 Kommentare zu „2010 – (2) Mit der Transsib nach Peking“

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  6. Hallo.

    Ich habe den Bericht zwwar erst jetzt (2015), aber doch mit genuss gelesen.

    Ich habe mit meiner Freundin auch eine Zugfahrt über Moskau bis nach Peking gemacht, allerdings über eine ganz andere Strecke, die unterhalb der Mongolei entlang führte. Das war Mitte der 90er Jahre.

    Wir haben uns auch viel länger Zeit genommen für die Strecke und haben zwischendurch in den Städten auch immer mal nen paar Tage Aufenthalt gewählt, um die Gegend und Kultur kennenzulernen.
    Die hatte zur Folge, dass wir auf weder die deutsche Zeit ständig im Kopf hatten und auch nicht (typisch deutsch, sorry) stunden vorher an den Bahnsteigen waren.
    Ich kann daher das junge Paar ganz gut verstehn, die erst kurz vorher an den Zügen waren. Man geht bei diesen Reisen dann viel mehr in Kultur und Zeit des jeweiligen Landes auf, was ich als super schön in Erinnerung habe.

    Viel Freude und Spass auf weiteren Touren

    1. Hallo,

      mit „unterhalb der Mongolei“ ist also Kasachstan und dann direkt China gemeint? Auch eine schöne Strecke, die wir uns für die Zukunft auch schon überlegt haben. Mal schauen, vielleicht klappt das ja mal.
      Wir hätten uns auch gerne mehr Zeit für andere Städte genommen. Aber wir hatten ja nur vier Wochen für die komplette Reise nach Peking und zurück. Wir haben den Schwerpunkt auf Peking gelegt und da war die Transsibirische Eisenbahn eben „nur“ ein Transportmittel für uns. Was die frühere Anwesenheit am Bahnhof betrifft, ist das nicht unbedingt typisch deutsch. Meine Lebensgefährtin ist nämlich keine gebürtige Deutsche und geht dennoch lieber auf Nummer Sicher. Immerhin geht es hier auch um viel Geld, was der ganze Spaß kostet und zuhause wartet halt auch pünktlich der Arbeitgeber, der nur wenig Verständnis zeigt, wenn man irgendwo in Peking seinen Zug zur Arbeit verpasst hat. Und so gesehen erlebt man auf Bahnsteigen auch sehr viel Kultur des jeweiligen Landes, das haben wir daher ebenso schön in Erinnerung.
      Viele Grüße
      Michael

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