Wir verließen die Queen Anne nach ihrer Jungfernfahrt am frühen Morgen. Von nun an hieß es für uns, zwei Tage rumzukriegen, bis wir an Bord der Queen Mary 2 gehen durften. Sie würde uns nach Hamburg zurückbringen. Unser Plan war eigentlich, dass wir einen Tag nach London fahren würden. Doch irgendwelche Bahnstreiks könnten hier ein paar Probleme verursachen, wie wir lasen. Es war nicht so, dass sämtlicher Zugverkehr bestreikt wurde, aber es könnten Züge ausfallen oder deutliche Verspätungen haben. Darauf hatten wir natürlich wenig Lust und wir dachten schon beim Frühstück auf der Queen Anne über ein Alternativprogramm nach.
Das kam uns auch schnell in den Sinn und wir hatten beide sogar viel mehr Lust darauf: Mit einem Mietwagen gemütlich über das Land fahren und nach langer Zeit mal wieder Stonehenge besuchen. Ja, das wäre eine nette Idee und man könnte das ja auch mit einer Fahrt zur Jurassic Coast verbinden. Stonehenge hatten wir zwar schon mal besucht, aber das lag eben viele Jahre zurück. Und an die Jurassic Coast mit der berühmten Durdle Door konnten wir uns auch noch gut erinnern, als wir auf unserer Island-Reise einen Landgang in Southampton hatten. Auch damals nahmen wir uns einen Mietwagen.
Doch diese Idee war sowieso erst für den nächsten Tag. Der erste Tag unseres Aufenthalts in Southampton sollte etwas anders aussehen. Zunächst gingen wir langsam – sehr langsam – durch das Hafengelände zu unserem Hotel. Da wir das Schiff so früh verlassen mussten, waren wir natürlich viel zu früh am Hotel. Doch das war kein Problem. Man kennt das hier und bot uns sofort an, die Koffer zu deponieren, damit wir ein paar Stunden später unser Zimmer beziehen konnten. Super, so konnten wir in der Stadt endlich das machen, was wir noch nie gemacht haben, obwohl wir schon so oft in Southampton waren: Wir besuchten das SeaCity Museum mit der Titanic-Ausstellung.
Gemütlicher Rundgang durch Southampton
Nachdem wir ja nun schon vielen anderen Titanic-Denkmäler, das Titanic-Museum in Belfast und die Ausstellung in Halifax sowie den Friedhof mit den Unglücksopfern besuchten, war es wohl mal Zeit, auch diese Ausstellung aufzusuchen. Auf den Gedanken brachte uns ein Gast auf der Queen Anne. Die Dame trug eine Tasche mit der Aufschrift, die uns neugierig machte. Wir ließen uns viel Zeit für die Ausstellung und waren von der Umsetzung ganz angetan. Zum Abschluss der Ausstellung nimmt man sogar in einer Art Gerichtssaal Platz und lauscht den Augenzeugen beim Prozess, der nach dem Schiffsunglück im Jahr 1912 erfolgte.
Anschließend gingen wir zum Bahnhof von Southampton und wollten uns nochmal vergewissern, ob wirklich gestreikt wird. Denn ansonsten könnte man ja immer noch nach London fahren. Aber die lange Menschenschlange vor dem Ticketschalter schreckte uns ab und wir gingen direkt zur Mietwagenfirma. Dort sagte man uns aber, man hätte für den nächsten Tag keinen Wagen für uns. Auch hier sei der Grund der Streik, weil eben jeder jetzt einen Wagen möchte. Man gab uns den Tipp, es eine Kreuzung weiter bei der Konkurrenz zu versuchen oder online einen Wagen zu bestellen. Die Konkurrenz konnte uns auch nicht helfen, also spazierten wir zum Westquay-Einkaufszentrum, suchten uns dort einen gemütlichen Sitzplatz und zückten das Smartphone aus der Tasche. Nur wenige Minuten später hatten wir die Bestätigung, dass wir am folgenden Tag einen Mietwagen bekommen könnten.
Den Nachmittag verbrachten wir mit Stöbern in den Geschäften und einem Rundgang durch den Park, in dem wir schon so einiges erlebt hatten. So führte ich dort vor vielen Jahren schon ein telefonisches Zeitungsinterview und nur zwei Jahre zuvor machten wir dort unseren ersten Corona-Selbsttest. Zwischendurch gingen wir zum Hotel, um unser Zimmer zu beziehen. Allerdings mussten wir das Zimmer reklamieren. Die Bettdecke war dermaßen dreckig, dass wir das Bett so nicht benutzen würden. Überhaupt ist dieses Hotel nicht gerade das modernste, aber zum Zeitpunkt der Buchung war leider nichts anderes mehr frei.
Der erste Abend in Southampton geht zu Ende
Da wir es schon von früheren Reisen kannten, wussten wir auch, dass die Zimmer außerordentlich klein sind. Daher bevorzugten wir es, uns lieber draußen aufzuhalten. Zuvor bekamen wir aber noch ein anderes Zimmer zugewiesen und als Entschädigung einen Gutschein über ein Getränk für jeden. Für uns war das Thema dann durch, doch nur ein paar Schritte entfernt gibt es noch ein Decathlon. Dort kauften wir sehr günstige und einfache Schlafsäcke. Wir hielten es jetzt so wie auf unseren USA-Roadtrips: Mit einem Mietwagen reisen wir durch ein englischsprachiges Land und nächtigen mit Schlafsäcken in Hotelbetten. Da kam Sehnsucht zu den Touren in Nordamerika auf.
Am Abend besuchten wir noch den Mayflower Park, um von dort zuschauen zu können, wie die Queen Anne ablegt und langsam an uns vorüberzieht. Sie ließ zum Abschied noch einmal das Horn ertönen und wehmütig schauten wir ihr hinterher. Wir hatten eine tolle Woche während der Jungfernfahrt, aber wir trösteten uns damit, dass wir zwei Tage später wieder die Queen Mary 2 genießen würden. Sie ist ohnehin „unser“ Schiff. Anschließend kehrten wir zurück zum Hotel und lösten in der Lobby unsere Gutscheine ein.
Ein kurzer Spaziergang war es am nächsten Morgen und schon standen wir wieder vor der Mietwagenfiliale. Wir erhielten einen MG One. Nie gesehen und bei Wikipedia nachgelesen, dass es sich um ein chinesisches Auto handelt. Die Marke MG ist schon lange in chinesischer Hand. Fuhr sich aber gut und so cruisten wir aus Southampton hinaus aufs Land. Am Anfang war der Linksverkehr noch etwas ungewohnt, aber da wir ja schon oft in Großbritannien unterwegs waren, waren wir auch schnell wieder im gewohnten Modus.
Auf dem Weg zu Stonehenge
Nachdem wir einen längeren Stau hinter uns lassen konnten, waren wir dann aber auch schnell am Stonehenge. Das neue Besucherzentrum kannten wir noch nicht. Wir wussten zwar davon, aber bei unserem letzten Aufenthalt konnten wir sogar noch recht nah an den Steinen parken. Das ist mittlerweile nicht mehr möglich und so spaziert man nun auf einem zwei Kilometer langen Pfad oder man nimmt den Shuttlebus. Wir entschieden uns bei bestem Wetter für den Fußweg und machten unsere Runde um Stonehenge.
Jurassic Coast
Bekanntlich kann man nur in größerer Distanz um die Steine herumgehen, aber gerade deshalb hat man auch mal die Möglichkeit, Stonehenge ganz ohne Touristen zu fotografieren. Die anschließende Fahrt nach Süden zur Jurassic Coast war dann schon etwas anstrengender. Das Navi führte uns kreuz und quer auf möglichst kleinen Straßen durch die malerische Landschaft. Aber trotz der Schönheit war es schon ein wenig nervig und wir waren bloß froh, diese Strecke nicht mit dem Wohnmobil fahren zu müssen.
An der Küste angekommen, erlebten wir den dortigen Parkplatz ganz anders als beim letzten Mal. Kein Wunder, es war Samstag und wunderbares Wetter. Als wir sechs Jahre zuvor mit dem Mietwagen den Landgang machten, war es deutlich leerer. Das schreckte uns ab und wir beschlossen kurzerhand gar nicht zur Durdle Door hinab zu gehen, sondern den Weg in die entgegengesetzte Richtung einzuschlagen. Durdle Door hatten wir immerhin schon zwei Mal gesehen. Doch nur ein kurzes Stück weiter östlich gibt es noch die wunderschöne Lulworth-Bucht an der gleichnamigen Ortschaft. Wenn man hier überhaupt von Ortschaft sprechen kann.
Ein Genuss ist die Jurassic Coast
Wir genossen den Spaziergang oberhalb der Küste, besuchten natürlich auch einen Souvenirladen und machten ein paar Fotos, bevor es für uns hieß, langsam wieder in Richtung Southampton zurückzufahren. Auf dem Weg zurück machten wir selbstverständlich noch Station an einem größeren Einkaufszentrum, weil wir uns etwas zu Essen für den Abend besorgen wollten. Es war wirklich so, als wären wir auf einem Roadtrip in den USA unterwegs. Es passte fast alles: Mietwagen, englischsprachige Schilder, Meilenangaben, Schlafsäcke im Hotel und Einkaufen in großen Supermärkten. Nur der Linksverkehr passte nicht.
Den Wagen stellten wir am Abend wie vereinbart vor der Vermietstation ab, machten sicherheitshalber noch ein paar Bilder davon und zogen uns dann ins Hotel zurück. Der Sonntag stand dann ganz im Zeichen des Boardings. Wir verließen das Hotel, worüber wir angesichts des sehr kleinen Zimmers nicht allzu traurig waren, und zogen unsere Koffer wieder durch das Hafengelände zum Mayflower Cruise Terminal. So, wie wir zwei Tage zuvor das Areal verließen, betraten wir es wieder. Natürlich waren wir viel zu früh dran und wir gehörten zu den ersten Passagieren, die einchecken wollten. Aber das war uns egal. Lieber warteten wir am Schiff als in dem kleinen Hotelzimmerchen.
So konnten wir ein bisschen die anderen anreisenden Passagiere beobachten und natürlich auch das ein oder andere Genörgel lauschen. Denn da die Reise nach Hamburg ging, waren wieder sehr viele Passagiere an Bord. Wir kannten das schon: Wenn man von New York nach Hamburg fährt, steigt ein Großteil der Passagiere nach der Atlantiküberquerung in Southampton aus. Neue Passagiere betreten das Schiff und die Atmosphäre ist eine komplett andere. Das haben uns auch schon andere Passagiere sowie Crewmitglieder bestätigt. Eine Transatlantikreise ist auf keinen Fall mit einem Kurztrip über den Ärmelkanal in die Deutsche Bucht zu vergleichen. Und so war es dann eben auch, dass Neuankömmlinge entweder staunten oder schimpften. Letztere habe ich ja am liebsten. Kommen gerade an und meckern, dass sie in einer Warteschlange stehen. Im Gegensatz zu uns wussten sie dabei noch gar nicht, wie lange sie dort stehen würden. Denn erfahrene Cunard-Gäste haben in Southampton (aber auch in New York) bevorzugtes Boarding.
Boarding für die Queen Mary 2
Daher gibt es zwei Warteschlangen und zunächst einmal wird die von den VIP-Passagieren, also unsere, abgefertigt. Das ganze Prozedere kannten wir natürlich schon und so warteten wir einfach brav darauf, an Bord gehen zu dürfen. Das erste, was uns auf der Queen Mary 2 auffiel, war der Geruch. Sie roch natürlich komplett anders als die fabrikneue Queen Anne. Man spürte in den ersten Atemzügen schon, dass dieser Atlantikliner mittlerweile 20 Jahre alt ist. Aber schon nach ein paar Minuten war der Geruch weg bzw. hatten wir uns daran gewöhnt. Es war dann wieder „unsere“ Mary. Neu für uns war aber dieses Mal die Kabinenart. Normalerweise nehmen wir immer eine Innenkabine. Wir sind ja ohnehin selten in der Kabine. Doch zum Zeitpunkt der Buchung waren diese alle schon vergeben und so wichen wir auf eine Außenkabine auf Deck 4 aus. Das kannten wir noch nicht und so betraten wir zum ersten Mal Kabine 4014.
Wir waren überrascht ob der Größe der Kabine. Das war schon sehr erstaunlich. Hier hätten wir sogar mit all unseren Koffern, die wir auf den USA-Reisen immer dabei haben, jede Menge Platz. Ein für uns völlig ungewohntes Raumgefühl, erst recht nach dem kleinen Hotelzimmer in Southampton. Wir machte uns in der Kabine breit und anschließend direkt auf den Weg zu den üblichen Räumlichkeiten. Wir wollten sehen, was beim Werftaufenthalt sieben Monate zuvor alles erneuert wurde. Denn wir gehörten im Jahr zuvor zu den letzten Passagieren, die von Bord gingen, als die Queen Mary 2 anschließend für drei Wochen im Trockendock in Rotterdam war. Unter anderem gab es stellenweise neue Teppiche, aber eben auch nicht überall. So manche Alterserscheinung wurde nicht entfernt. Vermutlich kommt das dann beim nächsten Werftaufenthalt, der schon in zwei Jahren geplant ist.
Wir freuten uns sehr, wieder an Bord sein zu dürfen und genossen das Schiff ausgiebig. Die Felder für das Shuffleboard wurden erneuert und räumlich etwas versetzt, doch ansonsten gab es auf dem Oberdeck nichts Neues. Natürlich nahmen wir im Kings Court Platz und bedienten uns am Buffett. Es gab so einiges, was wir an und auf der Queen Anne vermissten. Das fiel uns jetzt auf der Queen Mary 2 erst recht auf. Besonders am folgenden Seetag machte sich das bemerkbar. Denn hier auf der Queen Mary wurden wieder die üblichen Deckspiele wie Ringe werfen, Shuffleboard und dergleichen durchgeführt. Diese kleinen Turnierspiele lieben wir besonders auf den Atlantiküberquerungen, weil sich dann immer eine kleine Gesellschaft an Passagieren entwickelt.
Endlich wieder an Bord der Queen Mary 2
Und so geschah es auch sogar an diesem einen einzigen Seetag. Mehrere Spiele, die sich über den gesamten Tag verteilten, sorgten dafür, dass man sich immer wieder traf und dass man die Namen der Mitreisenden bzw. Mitspieler kannte. Es war irgendwie immer wieder schön, zu wissen, dass Passagier X oder Y auch noch zum Spielen kommen würde. Ein besonderes Highlight war mal wieder Shuffleboard-Turnier. Es handelt es sich um ein größeres Grüppchen, so dass die Hostess uns in Zweierteams aufteilte. Moni spielte mit einem Briten und ich hatte Wolfgang aus Deutschland als Spielpartner. Moni und ihr Teamkollege so wie Wolfgang und ich schlugen sämtliche anderen Zweierteams aus dem Spiel, so dass wir uns schließlich im Finale gegenüberstanden. Alle anderen Passagiere bzw. Zuschauer sowie unsere jeweiligen Spielpartner merkten natürlich, dass es hier auf ein Familienduell hinauslief. Wir zwei schenkten uns keine Punkte und kämpften erbarmungslos gegeneinander, während die Umstehenden ihren Spaß daran hatten. Letztendlich gewann Moni mit ihrem britischen Spielpartner. So sei es. Glückwunsch.
Aber das Schöne war, dass sie als ersten Preis einen Schlüsselanhänger gewann. Dieser bestand aus echtem Holz aus einer ehemaligen Planke der Queen Mary 2. Im Gegensatz zu Kreuzfahrtschiffen, läuft man auf der Promenade der Queen Mary 2 nämlich auf Echtholz. Und einiges davon musste wohl auch erneuert werden. Die alten Planken wurden als Souvenire bzw. Schlüsselanhänger recycelt, was wir total schön fanden. Laut Zettel an dem Schlüsselanhänger war dieses kleine Stück Holz 13 Jahre auf hoher See und legte dabei 1,7 Millionen Seemeilen zurück. Und Moni war an diesem Tag absolutes Glückskind. Sie gewann noch bei einem Minigolfturnier und erhielt dort ebenfalls so einen Schlüsselanhänger. Nun haben wir jeder einen und freuen uns darüber wie kleine Kinder. Denn wer kann schon ein echtes Stück Queen Mary mit nach Hause nehmen?
Die Reise war natürlich fantastisch wie immer. Wir schauten abends im Royal Court Theatre vorbei, besuchten den Pub und ließen uns das Dinner schmecken. Es hat uns einfach wunderbar gefallen und wir waren traurig, als wir die Queen Mary 2 am zweiten Morgen in Hamburg verlassen mussten. Uns fiel der Abschied schwerer als von der Queen Anne. Aber wir trösteten uns damit, dass wir auf jeden Fall wieder an Bord gehen würden.
Hier schreibt Reisejournalist Michael Moll.
Ich bin Autor von mehr als 100 Reiseführern, unter anderem beim National Geographic, und erstelle Artikel in Fachzeitschriften. Außerdem bin ich Betreiber und Besitzer des Wohnmobilstellplatzes am Barockschloss in Nordkirchen im südlichen Münsterland.
Bundesweit halte ich Multimedia-Präsentationen über verschiedene Reisethemen und zu guter Letzt konnte ich einen Fahrradweltrekord für das Guinnessbuch der Rekorde aufstellen.
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