Vorbereitungen auf einen Guinness-Weltrekord

Nachdem ich meinen Weltrekord: „Die meisten mit dem Fahrrad besuchten Länder in 24 Stunden“-Guinness-Weltrekord absolviert hatte, wurde ich oft gefragt, wie ich mich eigentlich darauf vorbereitet habe. Die Frage wurde mir übrigens auch von der Guinness-Redaktion gestellt, die das wahrscheinlich intern oder für Veröffentlichungen wissen wollten. Nun, die Idee zu einem Weltrekordversuch hatte ich schon länger und ich habe immer mal wieder in deren Archiv gestöbert, ob es nicht irgendetwas gibt, was man überbieten kann. Da ich zudem Zertifikate sammle, die irgendwie in Verbindung mit dem Thema Reisen stehen, hatte ich gehofft, etwas in diese Richtung unternehmen zu können.

Schritt 1 – Einen möglichen Rekord finden

Beim Stöbern fiel mir plötzlich auf, dass es einen Rekord gibt, bei dem jemand innerhalb von 24 Stunden durch vier Länder geradelt ist. Wenn ich mich richtig erinnere, radelte der Brite von Tschechien nach Ungarn und durchquerte dabei die Slowakei und Österreich. Das machte er nebenbei im Rahmen einer Fahrradreise. Die Strecke liegt dabei unter 200 Kilometern, ist also überschaubar. Als Freund der Geografie ahnte ich schon, dass das zu schlagen sein müsste und ein kurzer Blick auf die Weltkarte gab mir recht – da geht noch was.

Schon im Jahr 2001, als ich mit dem Fahrrad durch Europa radelt, überquerte ich den Splügenpass und mir war klar, dass ich eines Tages wieder einmal von einem Pass hinabfahren möchte. Die Überquerung des Splügenpasses war eines der Highlights auf meiner ersten größeren Reise. Der Splügenpass ließ mich also seitdem nicht los. Praktischerweise ist er gleichzeitig Grenzpass zwischen Italien und der Schweiz. Das wären also schon einmal die ersten beiden Länder. Vom Pass gelangt man bergab in das Rheintal und dann kann dem Fluss ziemlich einfach bis Liechtenstein folgen, womit man das dritte Land abhaken würde.

Das Fürstentum Liechtenstein ist nicht wahrlich groß, sodass kurz darauf Österreich zu erreichen ist. Im besten Fall sind das gerade einmal 130 Kilometer, auf denen man praktisch gar nicht bergauf fährt. Mein persönlicher Rekord lag zum Zeitpunkt der Planung bei 170 gefahrenen Kilometern an einem Tag. Und das auch noch mit vier Packtaschen und einem Zelt auf dem Gepäckträger. Da sollten 130 Kilometer ohne Gepäck und bergab wohl kein Problem sein.

Allerdings hätte ich dann ja nur den alten Rekord erreicht. Dieser musste noch getoppt werden, indem ich eine Weiterfahrt nach Deutschland plante. Deutschland wäre Land Nummer 5 und der neue Rekord gewesen. Auch hier ist die Strecke mit rund 160 Kilometern bis Lindau einigermaßen überschaubar und liegt immer noch unter meinem persönlichen Rekord.
Und wenn ich schon davon überzeugt bin, diese Strecke locker absolvieren zu können, dann dürfte das für einen Radprofi eine lockere Trainingseinheit sein. Das führte mich zu zwei Überlegungen:
1. Ich muss schweigen und werde natürlich niemanden auf die Idee bringen, das vor mir durchzuführen.
2. Ich sollte gleich von vornherein verhinden, dass dieser Rekord von fünf Ländern nur ein paar Tage später überboten würde.

Punkt 2 verführte mich dazu, mit einem sechsten Land zu liebäugeln – nämlich mit Frankreich, das ja am Dreiländereck und ebenfalls am Rhein liegt.
Mein erste Aktion bestand darin, dass ich mit Googlemaps spielte und versuchte, die bestmögliche Strecke herauszufinden, auf der ich alle sechs Länder berühren konnte. Dabei stellte sich heraus, dass die Frankreich-Option einen Nachteil hatte: Für die sinnvollste Strecke müsste ich nach dem Aufenthalt in Österreich, dem vierten Land so schnell wie möglich nach Westen fahren. Das bedeutete, die Strecke nach Lindau wäre aus dem Rennen und ich würde bei direktem Wege erst nach 255 Kilometern bei Hohentengen deutschen Boden erreichen und damit den neuen Rekord brechen.

Ganz so schlimm war das aber auch nicht, denn somit hätte unterwegs auf dem Weg nach Frankreich eine Art Notausgang. Wenn es mir also in Österreich nicht so gut gehen würde, aus welchen Gründen auch immer, dann hätte ich den kurzen Weg nach Lindau nehmen und den Rekord mit wenigstens fünf Ländern einkassieren können. Daran mochte ich aber gar nicht denken und konzentrierte mich lieber auf die Planung, bis Frankreich zu fahren.

Schritt 2 – Den Weltrekord anmelden

Nachdem ich nun wusste, dass ich eine Strecke von rund ca. 330 Kilometern mit dem Fahrrad zurücklegen müsste und ich mir ziemlich sicher war, das schaffen zu können, meldete ich diesen Rekordversuch auf der Webseite vom Guinnessbuch ganz offiziell an. Hierfür muss man einen Account anlegen, das Vorhaben auf Englisch beschreiben und rund drei Monate Geduld aufbringen, um das schriftliche Okay zu bekommen, dass man den Rekord durchführen könne. Wer den Rekord vorher einfach so durchführt, muss damit rechnen, dass er nicht anerkannt wird. Denn mit dem Okay erhält man auch eine umfangreiche Information, welche Regeln zu beachten sind und wie man den Rekord nachweist.

Da es eine Vielzahl an Rekordarten gibt, erhält man daher neben einer Grundinformation auch spezifische Regeln. Bei dem Rekord, so viele Länder wie möglich innerhalb von 24 Stunden mit dem Fahrrad zu erreichen, muss zum Beispiel auf Folgendes geachtet werden:

1. In jedem Land müssen zwei unabhängige Zeugen bescheinigen, dass man vor Ort gewesen ist.
2. Zwei weitere Zeugen braucht man auf jeden Fall am Start und am Ziel.
3. Von der Tour muss es einen GPS-Track geben.
4. Von jeder Stunde muss es mindestens zwei Minuten Videomaterial geben.
5. Bildmaterial vom Weltrekord ist ohnehin klar.
6. Es muss ein Logbuch mit allen Details erstellt werden.
7. Jede Pause muss mit Video dokumentiert werden, wobei eine Uhr eingeblendet sein muss. Das darf aber nicht die Uhr der Kamera sein.
8. Es muss ein sogenanntes Zeugenbuch erstellt werden.
9. Medienberichte sind auch hilfreich.
10. Quittungen von Dienstleistungen und Einkäufen unterwegs unterstützen den Nachweis natürlich.

Hat man für den Weltrekordversuch grünes Licht von der Redaktion des Guinnessbuchs erhalten, dann hat man ein Jahr Zeit, den Rekord durchzuführen. In meinem Fall war das sehr sinnvoll, denn ich erhielt das Okay im August, was ein wenig knapp in der Vorbereitung gewesen wäre. Immerhin ist der Splügenpass eventuell schon ab Oktober gesperrt.

Michael Moll an der Grenze
Liechtenstein

Schritt 3 – Das Beschaffen der Ausrüstung

Ein neues Fahrrad musste her. Mein altes Trekkingbike konnte für diese Tour einfach nicht mehr herhalten. Ich entschied mich für ein sogenanntes Fitnessbike und legte mich natürlich auch noch entsprechend die möglichen Ersatzteile zu. Die Guinness-Regeln besagen, dass jede Reparatur dokumentiert werden muss und dass es sich um ein herkömmliches Fahrrad handeln müsse, das am Start und im Ziel dasselbe sein muss. Kurz: Der Rahmen darf auf keinen Fall brechen. Alles andere kann unterwegs repariert werden.

Schritt 4 – Training für den Weltrekord

Ungefähr 330 Kilometer hatte ich mir vorgenommen. Einen Termin hatte ich schon früh gesetzt, da dieser auch von meinen mich begleitenden Zeugen abhing. Anfang Juni sollte das Ereignis stattfinden. Das Fahrrad kaufte ich im Oktober. Ich hatte also rund acht Monate Zeit, mich auf die Distanz einzustellen. Die ersten Ausfahrten mit dem neuen Rad belohnte mein Knie mit ziemlichen Schmerzen. Diese waren so heftig, dass ich mich vom Orthopäden untersuchen ließ, obwohl eine frühere Diagnose mir bescheinigte, dass ich einen doppelten Meniskusriss im rechten Knie hätte.

Seltsamerweise konnte mir das der zweite Arzt so nicht sagen. Und noch seltsamer war, dass ich nach einer zweimonatigen Winterpause keine Schmerzen mehr beim oder nach dem Radeln hatte. Im Gegenteil, ich hatte sogar das Gefühl, das Radeln würde mir gut tun. Allerdings waren die Strecken überschaubar und im Gegensatz zu den geplanten Kilometern nur ein kurzer Ausflug. Die längste Strecke, die ich mit dem Rad zurücklegte lag bei 50 Kilometern.

Ansonsten waren es immer kurze Abschnitte zwischen 30 und 40 Kilometern. Ganz schön gewagt, dabei eine Distanz von über 300 Kilometern zu planen. Glücklicherweise gab es kurz nach meinem geplanten Termin eine organisierte Radtour vom Ruhrgebiet zur Nordsee mit einer Länge von 300 Kilometern. Für diese Tour wurden vom Veranstalter zwei Vorbereitungstouren organisiert. Die erste lag bei 100 Kilometern und die zweite bei 200 Kilometern. Keine Frage, dass ich daran teilgenommen habe. Hinter den Links verbirgen sich meine beiden Berichte von den Touren.
Allerdings habe ich natürlich auch dort niemandem etwas von meinem Vorhaben erzählt. Leuten, die rund 300 Kilometer mit dem Rad zurücklegen, verrate ich doch nicht meine Pläne, eine ähnlich lange Strecke als Weltrekord radeln zu wollen.
Die 200 Kilometer-Tour fand zwei Wochen vor meinem Rekordversuch statt. Sehr passend. In den Tagen dazwischen pausierte ich natürlich.

Schritt 5 – Kontakte

Es ist unrealistisch zu glauben, dass man solch einen Rekord schaffen kann, ohne vorher die geplanten Zeugen zu informieren. Unabhängige Zeugen konnten Polizisten, Zöllner, Mitarbeiter in Tourismusinformationen und Hotels sein. Doch sollte man jedes Mal bei der Ankunft erst einmal jemanden suchen und dem erklären, worum es geht – nur damit er dann sagt, dass er sich nicht beteiligen möchte? Da würde viel zu viel Zeit bei drauf gehen. Also habe ich in stundenlanger Kleinarbeit sämtliche mögliche Zeugenstellen am Wegesrand angeschrieben und Ihnen den Sachverhalt erklärt. Die Rückmeldungen waren durchweg positiv. Sowohl die Polizei im österreichischen Lustenau als auch der dortige Zoll unterstützten mich sofort. Auch die Tourismusinformation in Liechtenstein und einige Hotels gaben ihr Okay, dass sie bezeugen würden, wenn sie mich sehen.

Am tollsten jedoch war die Reaktion von Stephan. Stephan arbeitet im Besucherzentrum der Viamala-Schlucht in Graubünden und erklärte sich spontan bereit, frühmorgens um 4 Uhr in Thusis zu stehen, mich anzufeuern und zu bescheinigen, dass er mich durch Thusis radeln sah. Toll! Später stellte sich heraus, dass genau dieses Erlebnis Motivation für mich war, als ich nach rund 260 Kilometern einen Durchhänger hatte. Genau deswegen habe ich nicht aufgegeben. Wenn ein fremder Mensch morgens um 4 Uhr für mich da ist, dann soll sich das auch gelohnt haben. Mit dieser Einstellung konnte ich später die letzten 70 Kilometer auch noch angehen.

Schritt 6 – Die letzten Stunden vor dem Versuch

Mit drei Personen setzten wir uns in einen zuverlässigen Mietwagen, den jeder von uns fahren durfte. Wir packten den Wagen voll mit Lebensmitteln, Getränken, Ersatzteilen, dem Fahrrad, Werkzeug, Ersatzkleidung und einigem mehr und fuhren damit zum Restaurant Berghaus Splügenpass. Dort kamen wir am Abend vor der Tour an und hatten demnach nur wenige Stunden Schlaf.

Wie es mir auf der Radtour erging, lest ihr im Bericht über den Weltrekordversuch.

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