Der geografische Mittelpunkt von Sachsen-Anhalt und die Wahrheit dahinter

Wer meinen Blog verfolgt oder mich kennt, der weiß, dass ich auf meinen Reisen immer wieder versuche, auch solche Sachen wie Dreiländerecke, geografische Besonderheiten und geografische Mittelpunkte zu besuchen. Dabei habe ich über viele Jahre mittlerweile schon eine ziemliche Sammlung zusammen bekommen.

In der Anfangszeit dieser „Sammelleidenschaft“ war ich natürlich zunächst auf der Suche nach diesen speziellen Orten. Oftmals gibt es zum Beispiel eine Markierung oder ein Denkmal für einen geografischen Mittelpunkt. Diese Markierungen sind dann im besten Fall von kompetenter Seite aus berechnet worden. Wobei es hier dann auch wieder auf die Berechnungsform ankommt. So kann das Land Deutschland beispielsweise behaupten, mindestens drei geografische Mittelpunkte zu besitzen und markiert zu haben. Diese liegen alle an unterschiedlichen Orten und entstanden eben danach, für welche Messmethode man sich entschieden hat.

Natürlich freut sich eine Gemeinde, wenn festgestellt wird, dass sie im Mittelpunkt eines Landes oder einer Region steht. Immerhin wertet das den Ort aus touristischer Sicht ein wenig auf, wenn dann genau an diesem Punkt ein Schild, eine Stele, ein Denkmal, ein Stein, ein Kunstobjekt, ein Picknickplatz oder eine Mischung aus allem aufgestellt wird. Und für einen interessierten Besucher wie mich ist es dann ein Einfaches, den Ort zu erreichen sowie ein Foto davon zu machen, um die eigene persönliche Sammlung damit zu erweitern.

Auf der Suche nach dem geografischen Mittelpunkt von Sachsen-Anhalt

So trug es sich einst im Jahr 2009 zu, dass ich online auf der Suche nach den geografischen Mittelpunkten der einzelnen deutschen Bundesländer war. Einige hatte ich schon besucht, andere standen noch auf der To-Do-Liste und dann gab es eben ein Bundesland, bei dem es offenbar keine Markierung gab. Sachsen-Anhalt hatte zwar schon damals einen geografischen Mittelpunkt, denn jede Fläche hat logischerweise einen, doch eben keine Markierung dafür.

Während meiner damaligen Onlinerecherche fand ich irgendwo den Hinweis, dass die kleine Gemeinde Tornitz der geografische Mittelpunkt von Sachsen-Anhalt sei. Auf was für einer Seite das stand, weiß ich heute natürlich längst nicht mehr. Das ist auch ziemlich zweitrangig, denn für mich war das erstmal nur ein erster Hinweis. Vielmehr schrieb ich der Gemeinde eine Mail, ob das stimmen würde und ob sie überhaupt davon etwas wissen würden. Heute ist Tornitz ein Ortsteil der Stadt Barby, doch zum damaligen Zeitpunkt war Tornitz eine eigenständige Gemeinde und prompt kam von der damaligen Bürgermeisterin eine Antwort.

Nein, sie wüssten in der Gemeinde nichts davon, aber sie fänden das Thema sehr spannend und würden mich gerne zu einer Gesprächsrunde dazu einladen. Man bat mich, in einer kleinen Präsentation über geografische Mittelpunkte zu referieren und Bilder zu zeigen, wie an anderen Orten ein geografischer Mittelpunkt gestaltet wird. Diese Einladung nahm ich gerne an, denn es war ja auch in meinem Interesse, dass Sachsen-Anhalt irgendwann mal ein Denkmal oder ähnliches aufstellen würde. So reiste ich also vor vielen, vielen Jahren im Jahr 2009 nach Tornitz und wurde von der Bürgermeisterin und einigen anderen Personen aus der Gemeinde begrüßt.

Einladung zum Gespräch mit der Bürgermeisterin und der Gemeinde

Ich zeigte gerne die Bilder von geografischen Mittelpunkten, die ich bis zum damaligen Zeitpunkt bereits besucht hatte. Ich erklärte auch, dass es verschiedene Messmethoden gibt und dass der Mittelpunkt eben von einer Fachstelle, beispielsweise vom Landesvermessungsamt, berechnet werden müsse. Einfach nur eine Karte zu nehmen und von dieser den Mittelpunkt herzuleiten, wäre nicht exakt. Dennoch war man schon an diesem Tag ganz angetan von dem Gedanken, am Ufer der Saale eine Stele aufstellen zu können, an der eine Stahlplatte den Umriss des Bundeslandes Sachsen-Anhalt angebracht wäre.

Nach dem netten Gespräch machte ich noch eine kleine Reise in der Region und fuhr schließlich wieder nach Hause. Irgendwann folgte aber plötzlich eine Einladung aus Tornitz. Und zwar habe man genau das getan, was in der Sitzung schon angedeutet wurde: Von einem ortsansässigen Metallbetrieb wurde eine riesige Stahlscheibe in der Form von Sachsen-Anhalt geschnitten, die an einer Stele am Ufer der Saale aufgestellt wurde. Man hätte sich nun gefreut, wenn ich zur Eröffnung des geografischen Mittelpunktes nach Tornitz kommen würde. Doch ich war froh, dass ich anderweitig verreist war, denn mir war das alles auch ein wenig unangenehm. Einerseits war ich stolz, dass auf mein Bestreben hin etwas getan wurde, aber andererseits gab es keinen wissenschaftlichen oder mathematischen Beleg dafür, dass Tornitz überhaupt der Mittelpunkt sei. Erst viel später fuhr ich mal nach Tornitz, als ich in der Nähe war, um mir dieses Denkmal anzuschauen.

Klar, wenn man die Karte von Sachsen-Anhalt auf eine Nadelspitze setzt, piekst diese Nadel ungefähr in den Gemeindebereich von Tornitz. Aber wehe, man hat die Karte auch nur ein bisschen unsauber ausgeschnitten. Dann kann der Mittelpunkt wenige Millimeter daneben liegen. In der Realität können das dann sogar Kilometer sein. So ungenau diese Messmethode ist, so wenig präzise kann man natürlich behaupten, dass der Mittelpunkt am Ufer der Saale liegt. Touristisch sicherlich schön, aber exakt? Es erinnert mich ein wenig an den Mittelpunkt von Mecklenburg-Vorpommern. Dort liegt die Markierung exakt auf dem Marktplatz vor dem Rathaus von Teterow. Na, was für ein Zufall für die dortige Ortschaft.

Und plötzlich gab es ein Denkmal

Im Laufe der Jahre nahm ich diese Mittelpunktmarkierung von Sachsen-Anhalt nicht mehr ernst. Denn zwischenzeitlich hat man sogar den Standort der Säule verändert. Der Mittelpunkt wanderte plötzlich vom Saaleufer an den Rand des Ortes heran. Und zwar ganz in die Nähe des metallverarbeitenden Betriebes. Noch so ein Zufall?

Immer wieder bekam ich aber Anfragen von örtlichen Zeitungen, was es denn mit dem geografischen Mittelpunkt auf sich hätte und welche Verbindung ich dazu hätte. Jedes Mal antwortete ich wahrheitsgemäß und stellte klar, dass ich wohl den Ausschlag dafür gegeben hatte, aber niemals einen festen Punkt als Mittelpunkt festlegte. So etwas würde ich mir nie anmaßen. Irgendwann im Laufe der Zeit wurde dann auch vom Land Sachsen-Anhalt ermittelt, wo sich der geografische Mittelpunkt des Bundeslandes befinde. Und siehe da, der geografische Mittelpunkt von Sachsen-Anhalt liege demnach auf dem Gebiet der Stadt Schönebeck (Elbe), rund 13 Kilometer nordwestlich von Tornitz.

Initiator vom Denkmal am geografischen Mittelpunkt von Sachsen-Anhalt

2024 sah ich auf Bildern im Netz, dass die ursprüngliche Stele in Tornitz mittlerweile mit einem kleinen Picknickplatz und einer Stempelstelle für eine landkreisweite Schnitzeljagd erweitert wurde. Außerdem konnte ich erkennen, dass mein Name an diesem Denkmal steht. Das machte mich natürlich neugierig und ich beschloss, nach vielen Jahren endlich wieder nach Tornitz zu fahren. Und tatsächlich – als ich vor Ort war, sah ich zum ersten Mal das Denkmal, an dem wirklich und wahrhaftig mein Name steht und für das ich irgendwie mitverantwortlich bin.

Ein kleines bisschen stolz war ich dann doch. Da die Stadt Schönebeck noch immer kein Denkmal aufgestellt hat, bleibt die Markierung in Tornitz weiterhin die einzige in Sachsen-Anhalt, die den Mittelpunkt des Bundeslandes anzeigt. Und auf eine gewisse Art und Weise bin ich also der Initiator dafür.

Michael Moll

Hier schreibt Reisejournalist Michael Moll.

Ich bin Autor von mehr als 100 Reiseführern, unter anderem beim National Geographic, und erstelle Artikel in Fachzeitschriften. Außerdem bin ich Betreiber und Besitzer des Wohnmobilstellplatzes am Barockschloss in Nordkirchen im südlichen Münsterland.

Bundesweit halte ich Multimedia-Präsentationen über verschiedene Reisethemen und zu guter Letzt konnte ich einen Fahrradweltrekord für das Guinnessbuch der Rekorde aufstellen.


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