2007 – (1) Mit dem Fahrrad zum Frachtschiff

Mit einem Frachtschiff nach Südamerika und zurück

 

Teil 1 – Radeln durch Europa

Mit dem Fahrrad von Essen nach Le Havre

„Es tut mir leid, aber wir haben doch keine Saison. Und momentan gibt es immer noch keine Pinguine.“ Mit mitleidigem Blick schaut uns die Dame aus dem Touristenbüro an.
„Gar keine? Nirgendwo?“, frage ich mittlerweile verzweifelt.
„Na ja, zwei oder drei – vielleicht. Aber mehr sicher nicht.“
Voller Hoffnung rufe ich: „Super, das ist doch was. Einer reicht uns ja schon.“
„Einer?“, völlig verblüfft fragt die asiatisch aussehende Angestellte und will witzig sein: „da kann ich ihnen auch eine Postkarte anbieten.“

Mit leicht steigendem Blutdruck setze ich mich aufrecht in den Stuhl und antworte: „Postkarte? Hören Sie, seit Monaten reisen wir ganz ohne Flugzeug, teilweise mit dem Fahrrad um die halbe Welt, immer im Gepäck einen 60 cm großen Stoffpinguin, um echte frei lebende Pinguine zu sehen, und…“

Bevor ich weiter reden kann, unterbricht mich die Dame und erklärt leise, fast schon entschuldigend: „Aber wir haben doch auch andere tolle Sehenswürdigkeiten: Wale, oder Gletscher…“

„Ich will keine Wale“, entgegne ich, „und auch keine Gletscher. Erstens haben wir das alles schon und zweitens kann man das auch bei uns zuhause in Island sehen.“

In dem Moment schaltet sich Moni ein: „Zuhause in Island? Hast du vergessen, wo du herkommst?“

„Nein“, antworte ich, „natürlich nicht. Aber nach 20.000 km Reise bis an das andere Ende der Welt liegt Island doch eigentlich bei uns vor der Haustür, oder nicht?“

Doch nun sind wir nicht in Island, wo es ganz nebenbei bemerkt auch keine Pinguine gibt, sondern in Rio Gallegos, der südlichsten Stadt des argentinischen Festlands, mitten in Patagonien und die Angestellte der Touristeninfo teilt uns mit, dass es zurzeit immer noch keine Pinguine an den Küsten zu sehen gibt.

Vorbereitung für eine Radreise

Doch der Reihe nach. Bevor wir nach Rio Gallegos kommen, haben wir in den Monaten zuvor noch viele andere kleine Erlebnisse und Abenteuer. Wir radeln durch Europa, fahren mit einem Frachtschiff durch die Karibik, fahren mit einem Bus durch den tropischen Regenwald, werden von Hunden gehetzt – doch das größte Abenteuer ist, erst einmal los zu fahren und die ganze Reise vorzubereiten.

Vorbereitung bedeutet: Acht verschiedene Impfungen, Moni bekommt hierfür 13 Spritzen, ich werde 12mal gepiekt. Dafür habe ich ein paar Zahnarztbesuche mehr. Bei Herrn Dr. Lausch, der mich zahntechnisch super auf die Reise vorbereitet, muss ich einen Zahn lassen und mich mehrfach in Behandlung begeben. Der Gerechtigkeit halber muss unser Begleiter Pingu jedoch auch mal auf den Zahnarztstuhl. Die Diagnose lautet aber auch bei Pingu: reisetauglich! Pingu ist unser 60 cm großer Stoffpinguin, der seit 2004 bei jeder Reise dabei ist, und der an jedem möglichen und unmöglichen Ort für ein Foto herhalten muss. Irgendwie ist es schöner, ihn zu fotografieren, als sich selbst vor die Sehenswürdigkeiten zu stellen. Deshalb kommt er mit und das Ziel wird sein, ein gemeinsames Foto von unserem Pingu mit einem Magellanpinguin an der argentinischen Küste zu machen.

Eine ganze Fahrradpacktasche geht nur für Pingu drauf. Um den Platzverlust aber wieder ein bisschen wett zu machen, haben wir Pingu vorher operieren lassen. Beim Schneider bekam er einen Reißverschluss in sein Gefieder genäht und so kann auch sein Innenleben ein wenig als Stauraum genutzt werden. Zudem bewahrt ihn das an möglichen Grenzkontrollen vor dem Messer eines Zöllners, der vielleicht vermutet Pingu könne unter Drogen stehen.

Je näher der Tag der Abreise rückt, umso hektischer wird alles und umso mehr haben wir zu erledigen. Nachdem Moni erfolgreich ihre Doktorarbeit beendet hat, leeren wir ihre Wohnung, kümmern wir uns um meinen Kram und haben 40 Minuten vor unserer geplanten Abreise unser Abenteuer mal so ganz einfach auf den nächsten Tag verschoben. Es ist einfach noch zu viel zu tun, allerdings ist dies nicht unsere Schuld. Da wir wochenlang von der Telekom um den Internetanschluss betrogen wurden, verloren wir unter anderem viel Zeit durch Gänge ins Internetcafé. In den letzten beiden Tagen geht es dann hoch her. Taschen auspacken, Taschen einpacken, wichtige Sachen sortieren, unwichtige aussortieren, wegschmeißen, ausmisten, Daten speichern, Listen drucken, Pässe scannen, Taschen wieder auspacken, Häufchen bilden, Taschen wieder einpacken, Ersatzteile kaufen, anschrauben, ausprobieren usw.

Unser eigentlicher Start verläuft recht harmlos. Nachdem wir lange damit kämpfen, unser Gepäck auf die Räder zu packen und antesten, ob wir uns noch fortbewegen können, schlagen wir schließlich unsere Lenker ein in Richtung Westen und machen uns auf den Weg nach Südamerika.

Meine Mutter und ein guter Freund von uns verabschieden uns und winken uns hinterher während wir durch den Essener Norden zum Rhein-Herne-Kanal wollen. Am Kanal verliere ich beinahe die hintere Packtasche aber kann sie mit einem beherzten Handgriff wieder auf den Gepäckträger befördern. Die Fahrt verläuft sehr gut und wir überstehen die ersten 10 km ohne das Zelt aufbauen zu müssen. An dieser Stelle ein Gruß an Timo, der uns allen Ernstes fragte, ob wir denn pro Tag so um die 10 km schaffen würden. Nun, wer nicht radelt, hat kein Gefühl für Entfernungen, wie wir auch später noch feststellen müssen.

In Duisburg wird es am Rhein ziemlich windig. Natürlich kommt der Wind von vorne und in einer ziemlichen Stärke. Trotzdem schaffen wir es noch am ersten Tag bis Wesel ohne Probleme und können dort zum allerersten Mal unser Zelt aufschlagen. Der Campingplatz ist zwar voll und laut, doch wir sind froh, dass wir es geschafft haben, zu starten.

Am nächsten Morgen treffen wir in Xanten eine Reisegruppe, die sehr interessiert ist und zum ersten Mal tauchen die WWW-Fragen auf: Woher, Wohin, Wie lange… Die Antworten unsererseits bringen natürlich großes Erstaunen hervor, aber auch die besten Glückwünsche.

 

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2 Kommentare zu „2007 – (1) Mit dem Fahrrad zum Frachtschiff“

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