Der Bright Angel Trail ist einer der Aufstiegsmöglichkeiten aus dem Grand Canyon hinauf zum South Rim. Den Ab- und den Aufstieg habe ich im Rahmen einer 50-km-Wanderung an einem Tag absolviert. Vor einiger Zeit schrieb ich bereits über den Weg vom nördlichen Canyon-Rand hinab zum Colorado River. Dabei handelt es sich um den North Kaibab Trail. Jetzt sind wir aber unten an der Phantom Ranch, kurz vor dem Ufer des Colorado River. Wie geht es nun wieder hinauf?
Von der Phantom Ranch aus gibt es zwei Möglichkeiten, den südlichen Rand des Grand Canyon zu erreichen. Da wäre zum einen der South Kaibab Trail, den ich aber leider (noch) nicht kenne. Zum anderen existiert etwas weiter westlich der Bright Angel Trail, der direkt zum Grand Canyon Village hinauf führt. Diesem Weg folgten wir nach einer ordentlichen Pause an der Phantom Ranch.
Nach langer Pause an der Phantom Ranch geht es los
Es war schon nach Mittag als wir loszogen. Normalerweise würden wir um diese Zeit nicht mehr starten, um einen Berg zu erklimmen. Doch wir sahen es positiv, denn den Abstieg, den eine Bergbesteigung mit sich bringen würde, hatten wir ja an dem Tag schon hinter uns. Das heißt, wir brauchten nur noch rauf. Ein Runter war nicht mehr vorgesehen. Das relativierte den späten Zeitpunkt also.
Dennoch, wir hatten bereits knapp 30 Kilometern in den Beinen und die spürten wir auch. Zunächst einmal gingen wir aus dem engen Seitental hinaus und dabei am Bright Angel Campground vorbei. Es folgte eine kleine Weggabelung an der alle Wege von Nord und Süd zusammentreffen. Also sowohl der North Kaibab Trail, auf dem wir von Norden nach unten wanderten, als auch die beiden eingangs erwähnten Aufstiegsmöglichkeiten zu South Rim.
Würden wir an der Gabelung geradeaus weiter wandern, kämen wir zur östlichen Brücke und wären auf dem South Kaibab Trail unterwegs. Wir wollten aber nach rechts und dem Bright Angel Trail folgen. Auch hier kommt eine Brücke. Logisch, irgendwie muss man ja den Colorado River noch überqueren. Beide Brücken liegen ungefähr 650 Meter auseinander.
Die Tour auf dem Bright Angel Trail beginnt
Auf Grund der 30 Kilometer, die wir an diesem Tag schon hinter uns hatten, war uns überhaupt nicht mehr danach, mal kurz zum Ufer hinab zu steigen und die Hand in das Wasser des Colorado River zu halten. Wir wollten mittlerweile einfach nur noch nach oben. Die 150 Meter lange Brücke selbst besteht aus Metallgittern. Wer das nicht mag, der hat ein Problem, denn rüber muss man natürlich. Gleichzeitig ist die Brücke natürlich auch eine Art Symbol bei einer Grand Canyon-Durchquerung. Denn mit Verlassen der Brücke ist man auf der Südseite des Canyons.
An dieser Stelle könnte man übrigens auch nach links in östliche Richtung wandern. Dann käme man auf der Südseite des Flusses ebenfalls zur zweiten Brücke und damit zum South Kaibab Trail. Wir bogen indes rechts ab und damit geht es auch gleich schon bergauf. Allerdings bleibt man noch eine Zeit lang in einiger Entfernung parallel zum Fluss. Gut eineinhalb Kilometer wandert man in Begleitung des Colorado River, was echt schön ist, weil man ihn so dann auch eine gewisse Zeit zu Gesicht bekommt.
Kleine Flusswanderung im Grand Canyon
Blöd ist nur, dass dieser kleine Aufstieg sich als völlig überflüssig herausstellt. Denn am Ende der Flusswanderung verliert man wieder an Höhe und ist man fast wieder auf Flussniveau. Das tut weh. Mit etwas Glück kann man hier andere Touristen beobachten, die den Grand Canyon für andere Zwecke nutzen. Sie fahren nämlich in Schlauchbooten auf dem nicht gerade ruhigen Wasser durch den Canyon. Ausgangspunkt hierfür ist das Pipe Creek Resthouse. Für uns ist das Pipe Creek Resthouse das Zeichen, dass wir den Fluss nun verlassen und endgültig in die Höhe steigen. Ab jetzt folgt ausnahmslos Aufstieg.
Was mir an dieser Stelle fehlte bzw. aufgefallen ist: Der Blick auf das Ende des Aufstiegs. Ich weiß nämlich noch, dass ich drei Jahre zuvor an der Aussichtsplattform von South Rim stand und genau dieses Pipe Creek Resthouse mit dem Teleobjektiv sehen konnte. Gerade deshalb waren wir ja neugierig darauf, wie es wohl wäre, dort hinab zu wandern. Also ging ich davon aus, dass wir von unten wenigstens ein bisschen den Punkt erkennen könnten, wo wir damals standen. Doch in Natura erkannten wir nichts, erst später auf den Bildern.
Aufstieg ab dem Colorado River
Leicht kurvig verläuft der Bright Angel Trail im unteren Teil dieses engen Nebentals. Grundsätzlich war er als Weg technisch genauso wenig herausfordernd wie der North Kaibab Trail. Ein breiter, gut ausgebauter Weg, der teilweise mit Steinen als Stufen versehen war. Ein oder zwei Stellen gab es bloß, an denen man mal einen kleinen Wasserlauf überqueren musste. Keine große Sache also. Anstrengend waren eben nur die vielen Kilometer und der Gedanke, dass da noch einiges auf uns zukommen möge.
Nach relativ kurzer Zeit beginnt der Weg, in sieben Serpentinen ziemlich schnell an Höhe zu gewinnen. Wir waren schon sehr angestrengt, deswegen kam uns in einer Kurve eine Zwangspause ganz gut gelegen. Denn wir hörten schon lange vorher, dass eine Gruppe Maultiere uns entgegen kam. Das Klappern der Hufe war nicht zu überhören. Nach den Serpentinen genießt man natürlich eine tolle Aussicht auf das weiter unten liegende Tal.
Grünstreifen auf dem Bright Angel Trail
Es folgt eine starke Linkskurve, bei der man einen Felsvorsprung umrundet. Gleich dahinter ist man überraschenderweise in ziemlich grüner Landschaft unterwegs. Nicht umsonst heißt dieser Bereich auch Garden Creek. Der schmale Wasserlauf neben dem Wanderweg gibt gerade so viel Wasser, damit auf einer Breite von zwei bis drei Metern neben dem Bach kleine Bäume und Sträucher wachsen können. Das war irgendwie sehr angenehm, aber auch überraschend anders.
Der Garden Creek mündet in den Indian Garden Campground. Er ist das südliche Pendant zum Cottonwood Campground am North Kaibab Trail. Als wir dort ankamen, mussten wir einen kleinen Umweg gehen, weil der eigentliche Hauptweg ausgebessert wurde. Aber gefühlt war es kein Umweg, sondern lediglich eine kleine Umleitung parallel zum Hauptweg. Am Indian Garden Campground zweigt ein weiterer Wanderweg ab, der Plateau Point Trail. Dieser Weg ist eine Sackgasse und führt zum Plateau Point, einem weiteren Aussichtspunkt in den Grand Canyon.
Man könnte noch einen Abstecher einlegen
Den Plateau Point Trail kann man von der Aussichtsplattform am South Rim deutlich erkennen. Ich nahm damals an, das sei der Weg hinab zum Colorado River. Erst später sah ich, dass er es nicht ist. Aber da war es schon zu spät, ich wollte nun unbedingt durch den Grand Canyon, egal auf welchem Weg. Für den Abstecher zur Aussicht am Plateau Point fehlte uns leider die Kraft. Doch heute wissen wir, dass wir den Weg eines Tages auch mal aufsuchen würden. Außerdem fehlte uns mittlerweile die Kraft für einen zusätzlichen Abstecher.
Und Kraft brauchten wir noch. Denn vor uns türmte sich die steile Felswand von South Rim auf und wir fragten uns so langsam, wie wir das eigentlich noch schaffen wollten. Daher stärkten wir uns in Ruhe auf einer Sitzbank am Campingplatz. Die folgenden ersten Meter nach der Pause waren generell recht harmlos. Es ging bergauf, aber jetzt auch nicht so dermaßen steil. Das änderte sich erst ab einer Serpentinenkurve. Ab dieser waren wir nämlich mitten drin, in der steilen Felswand des South Rim.
Kleine Pause am Three Mile Resthouse – eine von vielen
Dieser einen Spitzkehre folgten wenig später viele kleine Serpentinen, die zum Teil mit Stufen treppenförmig angelegt waren. Zehn relativ enge und kurze Serpentinen bringen einen deutlich nach oben und zwar genau bis zum Three Mile Resthouse. Dieser Picknickplatz liegt auf einer sehr kleinen Anhöhe etwas oberhalb des eigentlichen Wanderwegs. Für uns war diese Anhöhe zu viel und zu unnötig. Wir legten also zwar eine kleine Pause in Höhe vom Three Mile Resthouse ein, aber blieben dabei auf den Findlingen am Wegesrand sitzen.
Der Name dieses Picknickplatzes sagt natürlich einiges aus. Von hier sind es noch drei Meilen bis zum Ende des Bright Angel Trails. Einerseits tut es gut, aber anderseits sind drei Meilen eben trotzdem noch 4,8 km. Und da es schon langsam zu dämmern begann, waren diese fast fünf Kilometer eben noch einmal eine deutliche Herausforderung. Wir kämpften uns weiter den Berg hinauf, mussten aber immer wieder mal anhalten, weil es eben einfach nicht mehr anders ging.
Wir brauchten wieder unsere Stirnlampen
Es folgte nun eine Spitzkehre nach der anderen und gleichzeitig wurde es dunkel um uns herum. Und das ging dann plötzlich sehr rasant. Wir kramten also wieder unsere Stirnlampen aus dem Rucksack raus und sahen nun auch viele andere Wanderer auf Grund ihres Lichtkegels, die man vorher nicht erkennen konnte. Wenn man den Blick nach unten warf, waren da noch einige kleine Lichtpunkte hinter uns. Das tat uns gut, denn wir wussten, dass wir das nicht mehr wandern mussten, sondern hinter uns hatten.
Doch andererseits sahen wir plötzlich auch über uns, also auf dem weiteren Weg, die Lichtkegel von den Wanderern. Diese sahen wir vorher nicht und wir konnten nicht erkennen, wo der Weg lang läuft. Jetzt sahen wir sie und es war irgendwie zermürbend. Insbesondere auch deshalb, weil man in der Dunkelheit eben nur die Lichtkegel sah und man die Entfernung dann ganz anders einschätzt.
Zwischen dem Three Mile Resthouse und dem 1.5 Mile Resthouse lagen logischerweise eineinhalb Meilen, also gute zweieinhalb Kilometer. Eigentlich keine große Distanz, doch wir waren zu diesem Zeitpunkt mittlerweile bei über 40 Kilometern Tagesetappe angekommen und hatten damit unseren persönlichen Rekord überboten. In diesen eineinhalb Meilen zwischen den beiden Rastplätzen änderten sich die Sichtverhältnisse von dämmerig bis stockdunkel. Daher sahen wir auch einen jungen Mann, der am Wegesrand stand, etwas spät.
Ranger passen unterwegs auf
Er fragte uns, ob mit uns alles okay sei. Na ja, was soll man da antworten? Wir sagten ihm, dass wir müde seien, aber sonst alles okay wäre. Es stellte sich heraus, dass er Ranger des Nationalparks war. Seine Aufgabe war es, auf Wanderer aufzupassen. Einerseits ist das Übernachten nur mit Permit auf den Campingplätzen erlaubt und andererseits schaute er eben auch, ob die Wanderer auch alle noch ankommen würden. Da war es natürlich praktisch, wenn man von oben herab die vielen kleinen Stirnlampenlichter sehen konnte.
Kurz darauf kamen wir zum 1.5 Mile Resthouse, aber die Pausen, die wir einlegten, waren mittlerweile so zahlreich und spontan, dass wir hierfür keinen speziellen Picknickplatz benötigten. In der Dunkelheit erreichten wir wieder einen Zehnerblock an dicht folgenden Spitzkehren und kämpften uns Kurve um Kurve nach oben. An diesem Punkt wurde die Wanderung für mich tatsächlich zur Qual.
Ich schleppte mich nur noch ganz langsam Schritt für Schritt nach vorne und nach oben. Zwischenzeitlich fragte ich mich sogar, was eigentlich passieren würde, wenn ich mich einfach auf den staubigen Boden fallen lassen würde. Immerhin war da irgendwo hinter uns ein Ranger, der ja auch noch nach oben gehen und mich dann sehen würde. Aber darauf ließ ich es natürlich nicht ankommen.
Ein letztes Aufbäumen
Durch unser GPS-Gerät wussten wir, dass es nach diesem Serpentinen-Abschnitt weiter oben nur noch eine einzige, engere Kurve geben würde. Doch es wurde in der Tat immer anstrengender. Eine letzte Pause legten wir ein und hockten uns auf die Findlinge neben dem Weg. Völlig starr saßen wir dort und versuchten unsere letzten Kräfte zu mobilisieren. Wir wünschten uns nichts sehnlicher, als schon oben zu sein und die Anstrengung hinter uns zu haben. Einige Minuten hockten wir dort regungslos wie irgendwelche Skulpturen. So regungslos, dass sogar eine Maus zwischen den Steinen angehuscht kam und sich ganz frech auf meinen Schuh setzte.
Ich habe gedacht, ich sehe nicht richtig. Aber gut, die Schuhe waren das einzige, was man in der Dunkelheit sehen konnte, weil ich sie ja mit der Stirnlampe anleuchtete. Vielleicht lockte das die Maus an. Für mich war das aber nun ein Zeichen, den letzten Rest der Wanderung anzugehen. So weit war ich dann doch noch nicht, dass ich ein Opfer von Mäusen werde. Außerdem sah ich wenig später noch einen Skorpion auf dem staubigen Weg. Nun war es mit den Pausen komplett vorbei. Ein letztes Aufraffen, ein letztes Losschlurfen und endlich erreichten wir einen kleinen Tunnel. Diesen Tunnel kannten wir schon von unserem Besuch drei Jahre zuvor.
Freudentränen bei der Ankunft
Denn damals schauten wir uns natürlich schon mal einen kleinen Teil des Wanderwegs an. Und dabei gingen wir bis zu eben diesem Tunnel knapp unterhalb des Einstiegs. Es war also nicht mehr weit. Noch eine letzte Kurve und schon standen wir auf dem Parkplatz direkt am Einstieg in den Bright Angel Trail. Es war geschafft. Endlich.
Wie schon am North Kaibab Trail gibt es hier auch nochmal eine Zusammenfassung:
12:50 Uhr: Aufbruch Phantom Ranch (29,5 km, Höhe: 780 m)
13:10 Uhr: Überquerung Colorado River (31,5 km, Höhe: 750 m)
14:10 Uhr: Pipe Creek Resthouse (34,6 km, Höhe: 770 m)
16:00 Uhr: Indian Garden Campground (41 km, Höhe: 1130 m)
17:40 Uhr: Three Mile Resthouse (44,3 km, Höhe: 1423 m)
19:00 Uhr: 1.5 Mile Resthouse (46,8 km, Höhe: 1700 m)
20:30 Uhr: Ankunft am Einstieg vom Bright Angel Trail (50,5 km, Höhe 2081 m)
Und das Video von der Tageswanderung durch den Grand Canyon will ich an dieser Stelle auch nicht auslassen.
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