Wandern entlang der Düssel – An der Kleinen Düssel

Entlang der Kleinen Düssel
Von Korkenziehern und klarem Korn

Pkw/Parken: Parkplatz in der Straße Westring, Wuppertal
ÖPNV-Anreise: Ab Wuppertal-Vohwinkel mit der Buslinie 621 bis Haltestelle Höhe
ÖPNV-Abreise: ÖPNV: Mit der Buslinie 742 bis zum S-Bahnhof Gruiten
Strecke: Ca. 6 Kilometer/2 Stunden
Streckenprofil: Mischung aus schotterigen Wanderpfaden, Asphaltwegen und Forstwegen
Einkehr: Gaststätte Wiedenhof, Pastor-Völmel-Straße, 42781 Haan-Gruiten
Am Wegesrand: Kleine Düssel; Korkenziehertrasse; ehemalige Kornbrennerei

Scheu und schüchtern gibt sich die Kleine Düssel, welche wir auf dieser Wanderung von der Quelle bis zur Mündung verfolgen werden. Auf ehemaligen Bahntrassen werden wir unterwegs sein und an historischen Fabriken vorbei kommen, in denen früher Hochprozentiges destilliert wurde. Ganz nüchtern betrachtet endet unsere Route in einem pittoresken Dörfchen, welches scheinbar nur darauf wartet, von uns erkundet zu werden.

Ab der Haltestelle folgen wir dem Westring leicht bergab, biegen zwei Mal rechts ab und sehen einen kleinen Parkplatz auf der linken Straßenseite. Den Parkplatz lassen wir hinter uns und folgen der leicht abwärts führenden Straße unter der Autobahnbrücke hindurch. Nur wenige Meter sind es hinter der Brücke, bis wir rechts in einen schmalen Weg einbiegen können. Weiterhin wandern wir bergab, während unser Weg rechts und links von hohen Hecken und steil aufragenden Nadelbäumen gesäumt ist. Das Rauschen der Autobahn wird immer leiser bis wir vor einer Gabelung stehen. Hier hätten wir die Möglichkeit nach rechts zu gehen, um zur Quelle des Naturdenkmals der Kleinen Düssel zu gelangen.       

Auf 223 Metern über dem Meeresspiegel entspringt die Kleine Düssel und schlängelt sich ganze 4800 Meter durch das Bergische Land. Auf dem Weg von Wuppertal bis zur ihrer Mündung in die Düssel im historischen Kern von Haan Gruiten nimmt das Flüsschen Wasser vom Obgruitener Bach und vom Krutscheider Bach auf. Die Quelle der Kleinen Düssel ist als Naturdenkmal geschützt. Anders als bei einem Naturschutzgebiet, bei dem eine größere Fläche ausgewiesen wird, kann mit einem Naturdenkmal auch nur ein einzelnes Element in der Landschaft, wie zum Beispiel ein alter, markanter Baum geschützt werden. Begründet wird der Schutz durch die Seltenheit, Eigenart, Schönheit oder durch seinen Wert für Wissenschaft, Heimatkunde oder Naturverständnis.

Da die Kleine Düssel jedoch das Licht der Welt auf einem Privatgrundstück erblickt, entscheiden wir uns für den linken Abzweig und machen uns auf den Weg, den Bach etwas später kennen zu lernen. Am linken Wegesrand passieren wir hübsche Wohnhäuser, deren Besitzer ihre Vorgärten liebevoll pflegen und gehen geradeaus in einen als Sackgasse ausgeschilderten Weg hinein. Auf diesem kurzen Stück überqueren wir die Kleine Düssel zwar schon, aber jung und schmal wie sie ist, versteckt sie sich noch im Unterholz, sodass wir sie noch nicht entdecken können.

„Mach es wie die Sonnenuhr, zähl die heiteren Stunden nur“, steht an einem Türbogen geschrieben. Und auch ohne Sonnenuhr genießen wir die Sonnenstrahlen, die zwischen den Blättern hindurch auf den Boden fallen. Wir beobachten das gemütliche Leben in einem ruhigen Wohnviertel, folgen dem mittlerweile leicht ansteigenden Weg und lassen das Ortausgangsschild von Wuppertal auf der linken Seite stehen. Gleich dahinter wenden wir uns nach links in die Straße Am Teichkamp und beobachten, wie Elstern über die Straße hüpfen.

Wir bleiben geradeaus und wandern in den immer schmaler werdenden Weg hinein. Kniehohes Gras und dichte Hecken lassen uns auf dem asphaltierten Weg gerade so viel Platz, dass wir hintereinander gehen können. Es sind nur wenige Meter bis zu einer engen Kreuzung, an der von rechts und links zwei Wege erscheinen, die kaum breiter sind.

Wir biegen nach links ab und erkennen am Boden gerade so eben noch ein altes Bahngleis der ehemaligen Korkenzieherbahn.

Alles einsteigen, Türen schließen! Ruckelnd setzt sich die Lokomotive der Korkenzieherbahn in Bewegung. Ein letzter Pfiff ertönt und schon steigt schwarzer Rauch auf aus der Lok und verdunkelt die Sonne. Mit einem Ächzen und Stöhnen quält sich der Zug, bestehend aus einem Post-, einem Gepäck- und einem Personenwagen auf den Gleisen zwischen Wuppertal-Vohwinkel und Ohligs-Wald, dem heutigen Solinger Hauptbahnhof.  Nach einer engen Rechtskurve folgt eine weite Linkskurve und wieder eine Rechtskurve und so weiter, bis der Zug die vielen Höhenunterschiede überwunden hat. Von 1867 bis 1942 verdiente sich der Zug durch diesen kurvigen und aufwärts führenden Trassenverlauf den Spitznamen Korkenzieherbahn. Nach Ende des Personenverkehrs wurde der Güterverkehr noch beibehalten, doch mit seiner Einstellung wurde die 22 Kilometer lange Bahnlinie Ende der 1980er-Jahre endgültig aufgegeben. Der kurvige Trassenverlauf ist noch deutlich erkennbar und die alten Gleise geben noch eine ungefähre Vorstellung davon, wie sich der Zug  einstmals schnaufend durch die Landschaft bewegte. Und nun, Achtung an der Bahnsteigkante, der Zug fährt ein.

Auf der Trasse der einstigen Korkenzieherbahn wandern wir an hohen Eibenhecken entlang und durchschreiten dabei eine weite Rechtskurve bis zu einer weiteren Kreuzung unter dichtem Blattwerk. Neugierig schauen wir nach links und sehen zum ersten Mal den sanft dahinplätschernden Bach, dem wir auf der Spur sind. Doch so plötzlich wie er bei uns ist, so schnell verschwindet er zunächst auch wieder unter unseren Füßen. Nach rechts wendend gehen wir an einem Zaun entlang, das Blätterdach über unseren Köpfen weitet sich und gibt uns wieder den Blick zum Himmel frei. Zwei hübsche Wohnhäuser passieren wir, treffen auf eine ruhige Straße und biegen auf ihr nach rechts ab. Diese führt uns durch eine Linkskurve leicht bergab an hübschen Vorgärten vorbei bis wir auf eine Bundesstraße treffen.

Wir überqueren die Straße und gehen hinter einer Bushaltestelle halblinks halblinks auf dem asphaltierten Weg in ein kleines Wäldchen hinein. Ahornbäume und ihre markanten Blätter geben uns Schutz vor der Sonne während wir nach wenigen Metern ein leises Plätschern zu unserer Linken vernehmen. So als ob die Kleine Düssel mit uns spielen wollte, zeigt sie sich kurz in ihrem schmalen Bett und verschwindet daraufhin nach wenigen Metern schon wieder auf der anderen Seite des Wegs. Natürlich lassen wir uns auf dieses Versteckspiel ein und suchen das Flüsschen an anderer Stelle auf. Nach einer leichten Rechtskurve wenden wir uns an einer T-Kreuzung nach rechts und durchwandern einen kleinen, aber dichten Wald. Buchen und Eichen ragen um uns herum in die Höhe, ihre Stämme mit dem dichten Blätterwerk von Efeu umrankt.

Amseln suchen im Unterholz nach Nistmaterial, auf dem Weg sitzende Meisen machen uns Platz und wir unterqueren  in einem schmalen Tunnel die bereits bekannte Korkenzieherbahn. Gleich dahinter begrüßen uns fröhliche Skulpturen in einem Vorgarten und zaubern ein Lächeln auf unser Gesicht. An einer T-Kreuzung stehen wir vor einem Bahndamm, der –anders als die Korkenziehertrasse- von der Bahn noch genutzt wird und wenden uns nach links. Die erste Möglichkeit, den Bahndamm zu unterqueren nutzen wir, wandern ein kleines Stück aufwärts und lassen den Blick über die weiten Felder im Bergischen Land streifen. Die Getreidepflanzen wiegen sich sanft im Wind und säumen unseren Weg bis zu einer wenig befahrenen Straße hinab. Nach links wendend folgen wir ihr und saugen die frische Landluft tief in unsere Lungen ein. Rechts der Straße erahnen wir anhand der Sträucher und kleinen Bäume, die in einer Reihe stehen ein Bachbett. Natürlich, es ist die Kleine Düssel, doch auch hier, wo sie doch schon die Hälfte ihres Lebens hinter sich hat, scheint sie noch zu verschämt zu sein, um sich präsentieren zu wollen.

Das stört uns aber nicht, denn unser Blick wird sowieso zunächst vom hohen Schornstein der ehemaligen Kornbrennerei abgelenkt.

Hoch hinaus ragt der aus Ziegelsteinen errichtete Schornstein zwischen zwei Ziegelsteingebäuden an deren Wand mit großen Lettern auf die Kornbrennerei und Likörfabrik Borgmann hingewiesen wird. Rauch steigt keiner auf und aus dem Fabrikgelände ertönen keinerlei Arbeitsgeräusche. Es ist weder zu hören, wie Getreide für den Korn gemahlen wird, noch das Klappern von Flaschen zu vernehmen. Das war Mitte des 19. Jahrhunderts noch anders, als die Fabrik mit der Herstellung des Alkohols begann. Über 130.000 Flaschen Korn wurden in guten Jahren produziert und man war stolz darauf, sich als landwirtschaftlichen Betrieb bezeichnen zu dürfen. Denn die sogenannte Schlempe, die beim Destillieren anfiel, wurde an die hofeigenen Rinder verfüttert, was nicht in jedem Betrieb selbstverständlich war. Hofeigen war auch der Brunnen, mit dem im Jahr 1896 auf Veranlassung des damaligen Fabrikanten die erste Wasserversorgung von Gruiten begonnen wurde. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts änderten sich die Trinkgewohnheiten und der Bedarf an Hochprozentigem war rückläufig, sodass der Betrieb 1990 eingestellt wurde. Die zukünftige Nutzung der Fabrik und des Schornsteins ist nicht ganz so klar, wie es der Korn immer war.

Wir wandern an der aus Ziegelstein errichteten und einstmals bedeutenden Kornbrennerei vorbei und erreichen nach wenigen Augenblicken einen Kreisverkehr. An diesem folgen wir zunächst dem breiten Weg in Richtung Mettmann. Doch soweit wollen wir gar nicht gehen, schon wenige Meter hinter dem Ortseingangsschild von Gruiten biegen wir rechts ab und orientieren uns vorläufig an der Wanderwegmarkierung A 1 und A 2. Unser Weg bringt uns wenige Meter bergab, an einem –für das Bergische Land typischen– mit Schiefer bedeckten Haus vorbei. Gleich hinter diesem Wohnhaus hat die Kleine Düssel aber nun keine Gelegenheit mehr sich zu verstecken. Einen Grund hierfür hat sie ohnehin nicht, sanft plätschert sie von rechts kommend unter einer Brücke hinweg und zeigt ihr klares Wasser in einem naturbelassenen Bett.

An zwei Wiesen vorbei wandern wir bis zu einer T-Kreuzung und halten uns dort links. Eine Informationstafel erläutert uns, dass es sich bei einem hübschen Fachwerkhaus vor uns um das Weilenhaus handelt und im Mittelalter als Hof des Wilderi bezeichnet wurde. Es bleibt nur zu spekulieren, wie das rustikale Gebäude zu dieser Bezeichnung kam. Wir wandern links am Hof des Wilderi vorbei, genießen den Anblick der efeuumrankten Buchen und folgen auf einem schmalen Pfad weiterhin den Wanderwegen A 1 und A2. Ein weiteres Fachwerkgebäude trägt den Namen Broecherhus und wird ebenfalls links von uns passiert. Während unser Blick auf der rechten Seite über Roggenähren schweift, ist die Kleine Düssel mittlerweile zutraulich geworden und begleitet uns für ein kurzes Stück zu unserer Linken.

Doch kaum wollen wir ihr die Hand reichen und uns mit ihrem Wasser benetzen, verschwindet sie schon wieder in einem Rohr, um eine Landstraße zu unterqueren. Wir hingegen gehen auf dem grasigen Weg ein Stück hinauf und passieren die Straße oberirdisch. Nach links haltend erreichen wir einen Parkplatz, wenden uns vor diesem nach rechts und wandern in das hübsche Dorf Gruiten hinein, wie sich der Ort selbst bezeichnet. Schiefergedeckte Häuser wechseln sich mit schwarz-weißen Fachwerkbauten ab, während wir uns dem Zentrum nähern. Hoch erhebt sich der Kirchturm, aus dem die Glocke laut ertönt und der für uns eine Wegmarke ist.

Malerisch wie dieser Ort ist, taucht unversehens vor der Kirche unser Wegbegleiter auf, der nun sogar selbstbewusst mit einem Namensschild auf sich aufmerksam macht. Die Kleine Düssel trägt ihr Wasser nach links, umrahmt auf ihren letzten Metern die Gaststätte Wiedenhof und mündet in ihre große Schwester – selbstverständlich will sie dabei wieder einmal nicht gesehen werden und vereint sich mit der Düssel, für uns nicht sichtbar, unter einer Brücke, an der sich mit einer Bushaltestelle unser Zielpunkt befindet.

Michael Moll

Hier schreibt Reisejournalist Michael Moll.

Ich bin Autor von mehr als 100 Reiseführern, unter anderem beim National Geographic, und erstelle Artikel in Fachzeitschriften. Außerdem bin ich Betreiber und Besitzer des Wohnmobilstellplatzes am Barockschloss in Nordkirchen im südlichen Münsterland.

Bundesweit halte ich Multimedia-Präsentationen über verschiedene Reisethemen und zu guter Letzt konnte ich einen Fahrradweltrekord für das Guinnessbuch der Rekorde aufstellen.


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