2009 – Mit dem Zug nach Moskau

 

 Mit dem Zug nach Moskau und zurück

Umspuren im weißrussischen Brest

Wenig später rollt der Zug wieder an, doch diesmal wieder in Richtung Westen. Wir fahren in eine lange Montagehalle, denn historisch bedingt haben die Gleisanlagen ab hier eine größere Spurbreite. Das bedeutet, dass die Waggons umgespurt werden müssen. In der Praxis sieht das so aus, dass jeder Waggon abgekoppelt wird, die Passagiere sitzen bleiben können und mit riesigen Wagenhebern die Waggons von den Drehgestellen abgehoben werden. Dieser ganze Vorgang dauert fast zwei Stunden, ist aber eine interessante Abwechslung. Mit Dimitri, wie mein Abteilnachbar heißt, schaue ich mir das Szenario ausführlich an.

 

Nach dem Spurwechsel geht es erneut in den Bahnhof von Brest, wo nun weitere Passagiere zusteigen können. Dort beobachte ich, wie drei Uniformierte mit der Jackenaufschrift Miliz sich mit einer alten Babuschka streiten.

 

Die Frau ist klein, steht in ausgelatschten Turnschuhen und hat einen in Folie eingepackten Fisch in der Hand, mit der sie so wedelt wie der gallische Fischhändler Verleihnix. Wahrscheinlich will sie etwas verkaufen, aber darf auf dem nagelneuen und sauberen Bahnsteig nicht. Da der Zug rund 20 Minuten steht, kann ich das Schauspiel lange beobachten. Einerseits befinde ich mich zwar in einer Diktatur, andererseits ist das Anbieten von Waren auch auf Bahnhöfen der Deutschen Bahn verboten. Dennoch, der Anblick der Milizionäre mit ihrer schwarzen Kleidung, den Kampfstiefeln und den kurzgeschorenen Köpfen ist ein wenig –sagen wir mal- beeindruckend.

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Mit den Worten „jetzt schlafen, dann Moskau“ gibt die Mutter von Dimitri zu verstehen, dass sie ins Bett will. Will in den engen Kabinen einer ins Bett, dann müssen alle anderen auch. Viel sehe ich also nicht von der weißrussischen Landschaft, was allerdings auch daran liegt, dass es langsam dunkel wird. So verpasse ich also leider den Halt in der Hauptstadt Minsk und wache erst hinter dem russischen Smolensk am nächsten Morgen wieder auf.

 

Rund zwei Stunden sind es noch bis Moskau, draußen sieht man Datschas und eingestürzte Holzhäuser. In der Nähe des Gleisbettes sind immer wieder mal eine alte Lagerfeuerstätte zu sehen und irgendwelche Trampelpfade, die plötzlich aus dem Wald heraus auf die Zugstrecke führen.

 

Allzu lange dauert die Fahrt durch die Vororte von Moskau nicht, bis wir am Bahnhof Belorusskaja ankommen. Moskau besitzt neun Kopfbahnhöfe, aber keinen zentralen Hauptbahnhof. Diese Bahnhöfe haben alle bestimmte Fahrtrichtungen. Wer also nach Weißrussland will, benutzt dementsprechend den Belorusskaja. Der Leningrader Bahnhof dient beispielsweise der Fahrt nach Sankt Petersburg und der Rigaer Bahnhof für die Strecke nach Lettland und so weiter.

 

Da Dimitris Mutter und ich zunächst das gleiche Ziel haben, gehen wir nach Verlassen des Zuges noch ein Stück gemeinsam. Der Bahnsteig ist voll, laut und hektisch und die ersten Russen sprechen mich an, indem sie mir ein Taxi andrehen wollen. Ich sage Njet und tappse den beiden Russen aus meinem Abteil hinterher in Richtung Metro. Wir verlassen das Bahnhofsgebäude und stehen mitten in Moskau. Hier ist es noch voller, lauter und hektischer als auf dem Bahnsteig und ich bin ganz froh, dass ich jemanden habe, der mich zumindest in den ersten Minuten meines Moskauaufenthaltes ein wenig unterstützt. Entschlossen gehen wir auf ein Gebäude zu, in dem sich der Zugang zur Moskauer Metro befindet. Und was soll ich sagen? In der Metro ist es noch voller, lauter und hektischer als draußen auf der Straße.

1 Kommentar zu „2009 – Mit dem Zug nach Moskau“

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