Über den Sitgreaves Pass an der Route 66

In früheren Zeiten gehörte zu einer Fahrt auf der Route 66 auch die Überquerung des Sitgreaves Pass. Dieser muss heute nicht befahren werden, wenn man von Arizona nach Kalifornien möchte. Dann fährt man nämlich einfach nur auf der Interstate 40, die einen deutlichen Bogen weiter südlich einschlägt.

Mit der Autobahn werden die Black Mountains passiert, die sonst eben auf der Route 66 überquert wurden. Um den Sitgreaves Pass kam man nicht also umhin. Damals, als die sogenannte Mother Road, also die Route 66, eröffnet wurde, war die Überquerung des Passes noch eine Herausforderung. Immerhin reden wir hier vom Jahr 1926.

Wer von Osten kam, hielt auf jeden Fall vor der Passüberquerung an der Cool Springs Station an. Diese Tankstelle mit Werkstatt dürfte zur damaligen Zeit guten Zulauf gehabt haben. Als wir dort im Jahr 2022 ankamen, waren wir die einzigen Besucher. Gut für uns, denn so kamen wir mit dem heutigen Besitzer der wiederaufgebauten Station ins Gespräch. Er erklärte uns, dass die Cool Springs Station irgendwann mal abbrannte, wenige Jahre später wieder aufgebaut wurde, damit sie in einem Hollywood-Film zerstört werden konnte und dann wiederum erneut aufgebaut wurde.

Heute betreibt er sie, verkauft Souvenirs, Getränke und Snacks und erzählt, wie die Überfahrt über den Sitgreaves Pass verlief. In den 1920er-Jahren gab es Angestellte an der Station, die als eine Art Chauffeur dienten. Wer hierhin kam, nahm die Dienste in Anspruch und wurde dann mitsamt seinem Wagen über den Pass befördert. Rückwärts übrigens. Grund hierfür soll das Benzin gewesen sein, das bei der Steigung sonst wieder aus dem Vergaser gelaufen wäre. Vielleicht lag es aber auch an dem Antrieb der entsprechenden Achsen? Hier vermag ich mir kein Urteil zu bilden.

Worüber ich mir aber ein Urteil bilden kann, ist die heutige Fahrerei auf den Pass hinauf und auf der westlichen Seite wieder hinab. Und da muss ich ehrlich gestehen, dass ich den Pass bei Weitem nicht so schlimm fand, wie er oft dargestellt wird. Zugegeben, in Amerika ist ohnehin alles immer etwas dramatischer, wenn irgendwas von der Norm abweicht. Aber da entsteht dann auch eine Erwartungshaltung und ich nahm an, es käme nun ein Pass, wie man ihn in den Alpen erlebt.

Das Gegenteil ist der Fall. Die Passhöhe liegt nur bei 1.093 Metern Höhe und der zu bewältigende Höhenunterschied liegt bei gerade mal etwas mehr als 600 Metern. Auch die vielen Kurven werden immer wieder betont. An der Cool Spring Station ist sogar von 191 Kurven die Rede. Nun ja, wenn man amerikanische Straßen gewohnt ist, die schnurgerade durch drei Bundesstaaten führen, dann ist die Passstraße natürlich schon außergewöhnlich. Da muss man auch mal das Lenkrad benutzen. Doch wir als Europäer können über diesen Straßenverlauf eigentlich nur müde lächeln.

Ich weiß ohnehin nicht, wo man 191 Kurven hernehmen möchte. Offenbar wurde jede noch so kleine Abweichung von einer linealgeführten Straßenlinie mitgezählt. Anders kann ich mir das nicht erklären. Selbst wenn ich nochmal in der Satellitenansicht von Googlemaps sehr großzügig zähle, dann komme ich noch nicht einmal auf 70 Kurven. Und wie gesagt, da habe ich jetzt schon leichte Schwünge im Straßenverlauf mitgezählt. Richtige Kurven, wie ich sie nennen würde, sind es nochmal deutlich weniger. Und von Spitzkehren bzw. Serpentinen, wie man sie aus den Alpen kennt, will ich gar nicht erst anfangen. Das sind gerade einmal eine Hand voll.

Meiner Meinung nach sollte man sich also nicht von den Schauergeschichten verrückt machen lassen. Der Sitgreaves Pass ist eine geschwungene, meinetwegen auch kurvige Straße mit einer Steigung. Punkt. Nicht mehr und nicht weniger.

Schön ist aber auf alle Fälle das Umland. Immerhin fährt man hier durch eine hügelige Wüstenlandschaft, die es in Europa so in dieser Form nicht gibt. Allerdings muss man beim höchsten Punkt, also auf der Passhöhe auf einen spektakulären Ausblick verzichten. Man kann zwar in beide Richtungen in die Ferne blicken, aber es ist eben nicht viel mehr als das, was man auch schon während der Fahrt sieht.

Oben am Pass gibt es eine kleine Gedenkstätte, an der manch einer ein Kreuz hinterlassen hat, um einer verstorbenen Person zu gedenken. Eigentlich eine nette Sache, aber ausgerechnet an dieser Stelle war das schon wieder seltsam, denn genau von diesem Punkt aus blickt man über die weiter unten liegende Goldmine. Da gibt es entlang der Straße schönere Stellen.

Das Thema Gold ist auch am Ende des Sitgreaves Pass allgegenwärtig. Denn nach gut acht Meilen, also rund 14 Kilometern, erreicht man die Goldgräberstadt Oatman. Hier muss man unbedingt anhalten und die Ortschaft zu Fuß durchqueren. Dabei wird man unweigerlich in die Vergangenheit versetzt und man fühlt sich so, als wäre man selber noch mit der Schaufel Ende des 19. Jahrhunderts zu seinem Claim unterwegs. Alte Holzhäuser flankieren die Straße und nur die modernen Autos zerstören ein wenig die historische Kulisse.

Und dann wollen wir natürlich die Esel nicht vergessen. Wild lebende Esel, die man während der Fahrt über den Sitgreaves Pass oder in Oatman erleben kann. Eine wirklich tolle Sache, aber über die Esel von Oatman habe ich bereits geschrieben.

Michael Moll

Hier schreibt Reisejournalist Michael Moll.

Ich bin Autor von mehr als 100 Reiseführern, unter anderem beim National Geographic, und erstelle Artikel in Fachzeitschriften. Außerdem bin ich Betreiber und Besitzer des Wohnmobilstellplatzes am Barockschloss in Nordkirchen im südlichen Münsterland.

Bundesweit halte ich Multimedia-Präsentationen über verschiedene Reisethemen und zu guter Letzt konnte ich einen Fahrradweltrekord für das Guinnessbuch der Rekorde aufstellen.


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