Düssel an der Düssel
Wir geh’n ma’ anne Bude
Pkw/Parken: Parkstreifen in der Dorfstraße in Wülfrath-Düssel
ÖPNV: Ab Wülfrath-Stadtmitte oder Wuppertal-Vohwinkel Bf. mit dem Bus 641 bis zur Haltestelle Düssel
Rundweg: Ca. 6 Kilometer/2 Stunden
Streckenprofil: Überwiegend befestigte Wege am Straßenrand
Einkehr: Armer Ritter, Haus Düssel 4, 42489 Wülfrath, Tel. (0 20 58) 89 69 99, www.armer-ritter-wasserburg-duessel.de; Trinkhalle/Kiosk an der Düsseldorfer Straße; Kutscherstube, Dorfstraße 6, 42489 Wülfrath, Tel. (0 20 58) 7 82 67 77
Am Wegesrand: Tillmannsdorfer Sattel; Trinkhalle/Kiosk; Kalksteinwerke Dornap; Wuppertaler Rundweg

Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Artikels stammt aus meinem Reiseführer über Wanderungen entlang der Düssel, der schon lange nicht mehr im Handel erhältlich ist. Die meisten Informationen werden daher veraltet sein und dieser Artikel kann nur als grobe Richtschnur dienen.
Geologische Aufbrüche am Wegesrand zeigen uns, wie sich die Erdgeschichte entwickelt hat. An interessanten Werksanlagen vorbei, erkennen wir, wie der Untergrund auf dem wir uns fortbewegen genutzt wird. Und zwischendurch legen wir an einer Station eine kleine und erholsame Rast ein, an der wir etwas über die Lebensgewohnheiten der Menschen in dieser Region lernen. Zum Schluss dieser lehrreichen Wanderung kehren wir in den Ort zurück, der den Namen unseres Wegbegleiters trägt.
Den malerischen Wülfrather Ortsteil Düssel, den wir bereits in Etappe 2 kennen lernten, lassen wir zurück, in dem die mit dem Pkw angereisten Wanderer der Kirche den Rücken kehren und an der Haltestelle in die Tour einsteigen. An der Ampelkreuzung, die von hübschen Fachwerkhäusern gerahmt ist wenden wir uns nach links und verlassen auf der rechten Seite auf dem Bürgersteig leicht ansteigend und in einer weiten Rechtskurve die Ortschaft. Nur wenige Meter hinter dem letzten Wohnhaus begrüßen wir unseren Fluss, der schon deutlich breiter als in den ersten beiden Routen von links kommend unter unseren Füßen auftaucht. Wir schauen kurz dem Wasser der Düssel hinterher und wandern weiter bergauf. Auf der rechten Seite sehen wir Fußballspieler, wie sie auf einem Aschenplatz um Tore kämpfen und erreichen weitere Wohnhäuser. Vorsichtig die Straßenseite wechselnd begrüßt uns auf der linken Seite eine grün leuchtende Wiese unter den Blättern einiger Birken und Buchen. Am Rande dieser Wiese erkennen wir eine Gesteinsformation, die sich scheinbar aus dem Boden wölbt und den Namen Tillmannsdorfer Sattel trägt.
Der Tillmannsdorfer Sattel ist als Naturdenkmal ausgewiesen und stellt eine geologische Falte dar. Im Zeitalter des Devon war die Region von einem flachen Meer und Riffen bedeckt. 100 Millionen Jahre später entstanden Falten und Gebirgsketten, hervorgerufen unter anderem durch die Kollision der damaligen Kontinentalplatten Gondwana und Laurussia. Viele Falten verschwinden in den Jahrmillionen darauf wieder durch natürlich Verwitterung. Der Tillmannsdorfer Sattel ist einer von wenigen Gesteinsbuckeln, die in ihrer Form so bis heute erhalten blieben und ragt bis zu 4 Meter in die Höhe.
Wir lassen den Sattel hinter uns, wenden uns an der Landstraße nach links und folgen ihrem Straßenverlauf weiter aufwärts. Erfreulicherweise ist die Straße nicht so stark befahren, so dass wir einigen Kohl- und Blaumeisen bei ihrer Suche nach Futter zuschauen können während wir Wuppertaler Boden betreten und uns einer alten Eisenbahnbrücke nähern. Efeu wächst an der alten gemauerten Wand herab, die sich neben uns befindet. Wir unterqueren die Brücke und treffen auf eine große T-Kreuzung. An dieser wenden wir uns nach links und wandern neben der Bundesstraße 7 leicht kurvig, dafür schwungvoll bergab. Bereits an einer weiteren Ampel verlassen wir die nach links verlaufende Bundesstraße und gehen rechts in die Straße hinein. Einen Briefkasten passierend kaufen wir uns an der für die Region typischen Trinkhalle ein leckeres Eis am Stiel.

Bude, Büdchen, Kiosk oder Trinkhalle – in diesen Verkaufsgeschäften deckt man sich mit Klümpkes, Wassereis, gekühlte Getränken oder einfach nur der Zeitung ein. Im Rahmen der Industrialisierung entstanden die ersten Trinkhallen und boten Kleinigkeiten des täglichen Bedarfs an. Schnell wurden die Büdchen aber auch Treffpunkt von Schülern und Arbeitern zum gemeinsamen Plausch. Kinder tauschten ihre wenigen Pfennige stolz gegen Weingummis oder Fußballsammelbildchen und die Büdchenbesitzer kannten ihre Kunden beinahe alle mit Namen. In den 1980er-Jahren setzte ein Kiosksterben ein, als auch an Tankstellen mehr angeboten wurde als nur Benzin und Diesel und in den letzten Jahren litten die Trinkhallen zudem über die gelockerten Ladenöffnungszeiten, sodass viele Kunden mittlerweile die meist günstigeren Supermärkte zum abendlichen Einkauf nutzen. Doch auch heute hört man noch in der Region diesen typischen Satz: „Ich geh‘ ma‘ eben anne Bude, Zigaretten holen“.
Mit einer kühlenden Speise in der Hand machen wir uns auf den weiteren Weg neben der Straße entlang. Zu unserer Rechten blicken wir hinter einem Zaun und über das dichtgewachsene Strauchwerk auf einen mächtige Grube, gefüllt mit Wasser, während sich vor uns einige Industriegebäude erheben und die verstaubte Straße überwiegend mit Lastwagen befahren wird. Wir befinden uns auf dem Gelände der Kalksteinwerke Dornap.
Die Mineralien Calcit und Aragonit bilden den Stoff Calciumcarbonat (CaCO3), aus dem überwiegend der Kalkstein besteht. Kalk entsteht zum Beispiel durch Ablagerung von Muschelresten oder gesteinsbildenden Korallen. Nach dem Tod dieser Tiere fallen die Überreste auf den Meeresgrund und lassen sogenannte Kalkschlämme entstehen. Dieses funktioniert jedoch nur bei flachen Meeren, da bei zu großer Wassertiefe das Calciumcarbonat komplett gelöst wird. Auf dem Gebiet des heutigen Wülfrath gab es vor rund 400 Millionen Jahren solch ein flaches Meer, welches nur bis zu 1000 Meter tief war. Das Meer ist mittlerweile verschwunden, die Landschaft hat sich verändert, das Calciumcarbonat ist jedoch geblieben, hat sich verfestigt und wird von der Rheinkalk GmbH abgebaut. Da Kalk ein sehr leicht zu bearbeitender Naturwerkstein und vielseitig verwendbar ist, kann der Rohstoff in zahlreichen industriellen Prozessen eingesetzt werden. Ob nun als Düngemittel in der Landwirtschaft, bei der Entschwefelung von Rauchgas, beim Kalken von Pflanzen, bei der Herstellung von Glas oder der Produktion von Papier für Reiseführer über das Düsseltal: Kalk ist ein wichtiger Rohstoff und findet sich in zahlreichen Alltagsgegenständen wieder, von denen wir es nicht erwarten.
An mächtigen Maschinen am Wegesrand erahnen wir nur, mit welchen Kräften der hiesige Kalk abgebaut wird, während wir an einer T-Kreuzung bereits das Betriebsgelände wieder verlassen und uns nach rechts wenden. Zwei Wohnhäuser passierend sehen wir vom Kalkwerk zu unserer Rechten, welches sich hinter hohen Sträuchern und dem Laubwerk einiger Buchen versteckt nichts mehr und lassen unseren Blick über die Felder zu unserer Linken streifen. Sofort fällt uns in einiger Entfernung ein markanter Hügel auf, der uns neugierig macht. Der Grube 7 genannte Berg wird in einer späteren Etappe entlang unserer Reise durch das Düsseltal noch erreicht. Mit Blick auf Grube 7 wandern wir durch eine asphaltierte Linkskurve, leicht bergab und hören schon das aufgeregte Geschnatter von Gänsen und Enten, wenn wir uns einem Bauernhof nähern. An den Pferdekoppeln des Hofs begrüßen uns wiehernd einige Pferde, während wir uns an einer Gabelung für den rechten Weg entscheiden. Zwei Wanderwegsymbole in Form eines W und eines stilisierten Eulenkopfs weisen uns den Weg.

Der Wuppertaler Rundweg, markiert als ein weißes W auf schwarzem Grund, hat eine Länge von 106 Kilometern und führt den Wanderer einmal um die Stadt Wuppertal herum. Nachdem Elberfeld und Barmen zur Stadt Wuppertal zusammengeführt wurden, hat man kurz darauf in den 1930er-Jahren diesen Weg entwickelt und seither durch den Sauerländischen Gebirgsverein gepflegt. Auf über 2200 Höhenmetern trifft der Wanderer nicht nur auf das Düsseltal, sondern unter anderem auch auf das Tal der Wupper, den Beyenburger Stausee, die Ronsdorfer Talsperre, das Deilbachtal und vielen anderen wunderschönen Naturlandschaften. Mit nur 42 Kilometern Länge ist der Eulenkopfweg deutlich kürzer. Er ist mit einem stilisierten Eulenkopf markiert, bei dem es sich um ein Leitmotiv der devonischen Riffkalke handelt. So informiert dieser Wanderweg überwiegend über die Erdgeschichte und wurde vom Wuppertaler Naturkundemuseum ins Leben gerufen. Er besteht aus vier Rundkursen, die unter anderem den Kalktrichterofen Wuppertal, das Schloss Aprath und die Grube 7 berühren.
Die Pferde auf den Koppeln lassen wir in Ruhe weitergrasen, nähern uns auf unserem Spazierweg einigen Bahngleisen, die sich hinter hohem Strauchwerk auf der linken Seite versteckt halten. Gleichzeitig sehen wir weitere Anlagen des Kalkwerkes bevor wir die Kühle eines zu durchschreitenden Tunnels genießen. Nur wenige Meter sind es, bis wir uns hinter dem Durchgang an der Bundesstraße 7 wieder finden. Wer mag, kann sich hier, dem Ausgangspunkt von Route 4, nach links wenden und dem dortigen Verlauf folgen. Wir aber gehen nach rechts, überqueren die wenig befahrene Straße an der Fußgängerampel und nutzen den gut ausgebauten und bequemen Weg zwischen der Fahrbahn und den dünnen Buchen, die sich zu unserer Linken erheben. Dabei beachten wir das vielfältige Leben, welches auch neben einer Landstraße existiert: Wohnmobile überholen uns während Schnecken ihr Haus auf dem Rücken gemütlich zur Seite tragen, Drosseln zwitschern uns von den Ästen ein Lied herab und Amseln lassen sich von alledem nicht beirren, wenn sie sich ihr zukünftiges Nistmaterial aus dem Unterholz zupfen. Voll spannender Eindrücke vom Lebensraum Fahrbahnrand erreichen wir nach einer steten Steigung eine Ampelkreuzung. An dieser biegen wir nach links ab und erkennen die alte Bahnunterführung wieder, die wir erneut unterqueren. Mit dem Verlassen Wuppertals erreichen wir wieder den kleinen Wülfrather Ortsteil Düssel und werfen erneut einen Blick auf den Tillmannsdorfer Sattel. Auch nach dem Wohlbefinden unserer Düssel erkundigen wir uns, in dem wir auf der Brücke einen kurzen Stopp einlegen und auf das plätschernde Wasser hinabschauen. Und an der Ampelkreuzung, wo sich unser Ausgangspunkt befindet, entscheiden wir uns ganz spontan zu einem leckeren Besuch in einem der nahe gelegenen Restaurants Alter Ritter oder Kutscherstube, bevor wir diese Wanderung mit Vorfreude auf die weiteren Touren beenden.

Hier schreibt Reisejournalist Michael Moll.
Ich bin Autor von mehr als 100 Reiseführern, unter anderem beim National Geographic, und erstelle Artikel in Fachzeitschriften. Außerdem bin ich Betreiber und Besitzer des Wohnmobilstellplatzes am Barockschloss in Nordkirchen im südlichen Münsterland.
Bundesweit halte ich Multimedia-Präsentationen über verschiedene Reisethemen und zu guter Letzt konnte ich einen Fahrradweltrekord für das Guinnessbuch der Rekorde aufstellen.
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