Die Geschichte von Essens Industriekultur kann ganze Bücher füllen. Wir wollen auf dieser kurzen Runde nur einen Teil davon kennen lernen. Die Gartenstadt Margarethenhöhe gehört genauso dazu wie die ehemaligen Bahntrasse, auf denen wir ganz entspannt und familienfreundlich radeln können.
Start und Ziel: Essen-Hauptbahnhof
Pkw: Auf der Autobahn 40 bis Essen-Zentrum und der Beschilderung zum Hauptbahnhof folgen.
ÖPNV: Zahlreiche Möglichkeiten aus allen Ruhrgebietsstädten mit Regionalbahnen und S-Bahnen.
Rundtour: Ca. 15 Kilometer/2 Stunden
Streckenprofil: Nach einer Fahrt auf den asphaltierten Straßen im Essener Zentrum verläuft die Tour überwiegend auf ehemaligen Bahntrasse mit schotterigen Untergrund.
Einkehr: Diverse Einkehrmöglichkeiten im Essener Zentrum; Vincent & Paul Restaurant, im Museum Folkwang, Museumsplatz 1, 45128 Essen, Tel. (02 01) 8 84 58 88, www.vincentpaul-folkwang.de; Leonardo, Zweigertstraße 55, 45130 Essen, Tel. (02 01) 77 26 11, www.leonardo-essen.de
Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Artikels stammt aus meinem nicht mehr erhältlichen Reiseführer über Radtouren im Westen des Ruhrgebiets. Die meisten Informationen werden daher veraltet sein und dieser Artikel kann nur als grobe Richtschnur dienen.
Am Essener Hauptbahnhof, der in den letzten Jahren umgebaut und modernisiert wurde, begeben wir uns zum Südausgang, wo wir den Kreisverkehr namens Freiheit sehen. Am Steigerdenkmal, das an die Zeit des Kohleabbaus in der Region erinnert, radeln wir langsam vorbei und halten uns halblinks, um auf der Rellinghauser Straße an den modernen Hochhäusern vorbei zu gelangen.
Die Stadt Essen ist das Herz des Ruhrgebiets. Ihre lange und wechselhafte Geschichte begann etwa im 9. Jahrhundert, als das Damenstift Essen und Kloster Werden gegründet wurden. Essen wuchs und entwickelte sich schnell. Den Höhepunkt der Entwicklung brachte die Industrialisierung im 19. Jahrhundert mit sich. Zechen, Stahlwerke und verschiedene Betriebe zogen viele Arbeiter an, sodass die Essener Bevölkerung deutlich zunahm. Viele Jahrzehnte wurde Essen, ähnlich wie andere Städte im kohlereichen Revier, mit hohen Fabrikkaminen, Kohle, Rauchwolken und Verschmutzung in Verbindung gebracht. Doch im ausgehenden 20. Jahrhundert wurde ein Strukturwandel vorgenommen, der der Stadt ein anderes Bild verlieh. Die Zechen wurden überwiegend stillgelegt und unter Denkmalschutz gestellt, große Industriebetriebe umgestaltet, Halden und postindustrielle Gelände renaturiert. Heute ist Essen eine vielseitige Stadt mit Unesco-Weltkulturerbe, in der Menschen auf Kultur, wenn auch vor allem der postindustriellen Herkunft, und Natur treffen.
Der runde Turm auf der linken Seite ist das höchste Gebäude der Stadt und beherbergt den Sitz des Energiekonzern RWE. Deutlich niedriger, aber architektonisch mindestens genauso interessant ist das halbrechts im Grünen liegende Aalto-Theater. Es wurde nach einem Entwurf des Finnen Alvar Aaltoin den 1980er-Jahren errichtet, ein Jahrzehnt nach dem der Architekt verstarb und fast drei Jahrzehnte, nachdem er das Gebäude entwarf. Im Jahr 2008 wurde es von einer Fachzeitschrift als Opernhaus des Jahres ausgezeichnet.
Hinter dem Opernhaus radeln wir nach rechts in den Essener Stadtgarten, wo uns schon gleich an der ersten Kreuzung das nächste Gebäude erwartet. Es handelt sich um die Rückansicht des Essener Saalbaus, in dem heute die Essener Philharmonie ihren Sitz hat. Vor dem Gebäude wenden wir uns nach links, radeln gemütlich durch den Stadtgarten und linker Hand an einem See vorbei bis zu einer Straße. Wir biegen rechts ab, passieren den beliebten und meistens auch belebten Pétanque-Platz bis zu einer Ampelkreuzung. Nach links biegen wir in die Rüttenscheider Straße ein und radeln am ehrwürdigen Glückaufhaus vorbei, in dem sich mit dem Filmstudio eines der ältesten Kinos Nordrhein-Westfalens befindet.
Hinter dem Glückaufhaus radeln wir nach rechts, durch eine kleine Grünanlage, überqueren die schmale Folkwangbrücke und bleiben geradeaus bis zur Goethestraße. An dieser biegen wir links ab und radeln an der dennoch sehenswerten Rückfront eines weiteren, wichtigen Gebäudes vorbei – dem Folkwangmuseum, das weit über die Grenzen Nordrhein-Westfalens bekannt ist.
Das Folkwangmuseum hat seinen Ursprung in Hagen, als der junge und zugleich vermögende Kunstliebhaber Karl Ernst Osthaus 1902 ein Kunstmuseum in Hagen gründete. Der Name Folkwang geht auf den Palast und Wohnsitz der altnordischen Göttin Freya zurück, die unter anderem Patronin der Kunst war. Der Gründer erwarb selbst die Kunstobjekte, die er im Museum, das sich sehr schnell zu einer angesehenen Kulturinstitution etabliert hat, ausgestellt hatte. Er machte sich auf Reisen um die Kunstwerke zu beschaffen und er nahm den persönlichen Kontakt mit den wichtigen Künstlern der damaligen Zeiten wie beispielsweise mit Pierre-Auguste-Renoir und Paul Cézanne auf. Nach seinem Tod im Jahr 1921 drohte dem Museum zunächst das Aus. 1922 erwarb jedoch die ganze Sammlung der neu gegründete Folkwang-Museumsverein aus Essen. Noch in demselben Jahr wurde das Essener Museum Folkwang mit seiner einzigartigen Kunstwerksammlung eröffnet. In den 1930er Jahren, in der NS-Zeit, fiel die Sammlung der Aktion Entartete Kunst zum Opfer. Die Werke der Modernen Kunst wurden beschlagnahmt und später teilweise von anderen Museen in Europa versteigert. Nach dem Zweiten Weltkrieg begann das Museum seine Sammlung zurück zu erwerben. Das Folkwangmuseum spielte von Anfang an eine wichtige Rolle im Kulturleben der Stadt. Ihre Sammlung vergrößerte sich sukzessiv und das Museum brauchte bald schon neue Räumlichkeiten. Der Neubau wurde nach Plänen des englischen Architekten David Chipperfield im Jahr 2010 fertig gestellt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die heutige Museumsammlung enthält Kunstwerke vor allem aus dem 19. und 20. Jahrhundert, die verschiedene Stilrichtungen repräsentieren. Unter den Gemälden finden wir bekannte Werke von van Gogh, Monet, Gauguin, Matisse, Picasso, Macke und anderen wichtigen Vertreter der europäischen Kunst. Auch Skulpturen und etwa 12.000 Graphiken gehören zum Museum. Die Plakatsammlung umfasst mehr als 300.000 Kunstwerke. Auch außereuropäische Kunstobjekte werden im Museum präsentiert. Das Folkwangmuseum präsentiert immer wieder neue Ausstellungen und setzt sich darüber hinaus aktiv für die Kunst ein.
1 Folkwangmuseum; 2,0 km
Auf der Goethestraße radeln wir bis zu ihrem Ende, schlagen den Lenker an der Zweigerstraße nach rechts und sehen an einer großen Straßeneinmündung das Amts- und Landgericht sowie die Staatsanwaltschaft auf der rechten Seite und das Polizeipräsidium auf der linken Seite. Vor dem Polizeipräsidium biegen wir links ab, überqueren den Haumannplatz und radeln durch die langgestreckte Grünanlage. An der Pelmannstraße fahren wir geradeaus bis zu einem quer verlaufenden Rad- und Fußweg. Bei diesem handelt es sich um eine alte Bahntrasse, die nach links bis zur Ruhr führt und dort in den Leinpfad mündet. Wir biegen jedoch nach rechts ab und passieren den Eingang zur ehemaligen Großen Ruhrländischen Gartenbauaustellung, besser bekannt unter der Abkürzung Gruga.
Hinter dem Eingang zum weitläufigen Grugapark sehen wir auf der rechten Seite die Gebäude des Uniklinikums und auf der linken das Ronald-McDonald-Haus, das vom Künstler Friedensreich Hundertwasser entworfen wurde. Auf dem schotterigen Radweg lassen wir das Rad noch ein wenig rollen, biegen ungefähr 400 Meter hinter dem Hundertwasser-Gebäude links in den Wald ein und treten wegen einer geringen Steigung etwas fester in die Pedale. An einer Kreuzung halten wir uns rechts, verlassen den Wald und erreichen mit dem Giebelplatz und seinem aufragenden Kriegsdenkmal die Margarethenhöhe.
Die Siedlung Margarethenhöhe zieht heute immer wieder Touristen an. Es ist eine schöne menschenfreundliche Gartenstadt, die zwischen 1909 und 1938 nach Planen des Architekten Georg Metzendorf entstand. Der Name geht auf die Stifterin Margarethe Krupp zurück, die sie anlässlich der Hochzeit ihrer Tochter Bertha bauen ließ. Die Siedlung hat ein besonderes Flair, das durch die Bauweise der Häuser betont wird. Erker, grün-weiße Holzfensterläden, Giebel, kleine Eingangstreppchen vermitteln einen romantischen Eindruck. Heute gehört die Margarethehöhe zu den beliebtesten Essener Vierteln. In der Siedlung befindet sich eine Musterwohnung, die besichtigt werden kann. Sie wird den Besuchern vom Ruhrlandmuseum zur Verfügung gestellt. Seit 1987 steht die Margarethenhöhe unter Denkmalschutz.
2 Margarethenhöhe; 4,5 km
Mit Genuss radeln wir durch die kleinen Straßen der Margarethenhöhe hindurch, genießen den Anblick der historischen Fassaden, die teilweise von Weinranken umrahmt sind und biegen rechts in den Ginsterweg ein. An seinem Ende wenden wir uns in der Straße Daheim nach links, sofort wieder nach rechts und lassen unser Rad am kleinen Kreisverkehr halblinks in die Stensstraße hinab rollen. Doch schon an der von links kommenden Einmündung biegen wir links ab in die Straße Hoher Weg, radeln bis zum Marktplatz, auf den wir nach rechts hinab schauen und sind beeindruckt, dass sich sogar die Filiale einer Supermarktkette an das Erscheinungsbild der Margarethenhöhe angepasst hat. Wir rollen nach rechts auf den Markt hinab, wenden uns am Ende nach rechts und durchqueren die Steile Straße, dessen Name zum Glück etwas übertrieben ist, bis zum Ende, wo wir das Wahrzeichen der Siedlung unterqueren – den Brückenkopf. Hinter dem Brückenkopf biegen wir links ab, überqueren vorsichtig die Sommerburgstraße und radeln rechts neben den Straßenbahngleisen die Sommerburgstraße hinauf. Noch vor der nächsten Haltestelle und einer kleinen Polizeiwache wechseln wir nach rechts und lassen unser Rad durch den Waldweg hinab rollen, bis wir wieder auf die bekannte ehemalige Bahntrasse stoßen.
Nach links abbiegend, genießen wir die Fahrt auf dem schotterigen Weg, der uns am Einkaufszentrum Essen/Mülheim vorbei bringt bis wir am Ende der Trasse auf den Frohnhauser Weg stoßen. Wir biegen rechts ab, radeln bis zur Straße Breilsrand und durchqueren diese nach links bis zu einem Kleingartenverein. Hinter Haus Nummer 24 nutzen wir den schmalen Pfad bis zur Böhmerstraße, biegen links ab, unterqueren eine Eisenbahnbrücke und erreichen wenig später die Rampe zu einer weiteren ehemaligen Bahntrasse, der Rheinischen Bahn.
Die Bezeichnung Rheinische Bahn wird heute in Essen für den Rad- und Fußgängerweg verwendet, der entlang der alten und nun stillgelegten Güterbahnstrecke verläuft. Es handelt sich zurzeit dabei um einen etwa fünf Kilometer langen Abschnitt zwischen dem Essener Uni-Viertel und der Stadtgrenze zu Mülheim an der Ruhr. Im Sinne des kreuzungsfreien Radelns soll eine Rad- und Gehstrecke von 21 Kilometer entstehen, die die Essener Innenstadt mit dem Duisburger Rheinpark über den Hauptbahnhof in Mülheim an der Ruhr verbindet. Die Idee alte Bahnstrecken in Rad- und Wanderwege umzubauen ist im Ruhrgebiet populär und erfolgreich. Zu ähnlich angelegten Wegen gehören die Erzbahntrasse (siehe R. XXX, S. XXX) und die HOAG-Trasse.
3 Rheinische Bahn; 9,0 km
Wir fahren halbrechts hinauf und folgen diesem noch jungen Radweg in einem weiten Rechtsbogen durch die Stadtteile Frohnhausen und Altendorf. Dabei werfen wir ab dem Jahr 2013 auch einen Blick auf den neu angelegten Niederfeldsee, der im Rahmen einiger Wohnhausneubauten mit Wasser gespeist wurde und seither auf einer Rad- und Fußgängerbrücke von uns überquert werden kann.
Wenig später erreichen wir auf der Trasse der Rheinischen Bahn eine weitere noch junge Grünanlage, die den Namen Krupp Park trägt und sich an dem zu überquerenden Berthold-Beitz-Boulevard erstreckt. Doch damit will es mit den Neuerungen, die erst in den letzten Jahren in Essen stattfanden, nicht enden. Mit der letzten Brücke der Bahntrasse gelangen wir zum Uni-Viertel, an dem wir links die Universität Duisburg-Essen sehen und an der ersten Möglichkeit nach rechts abbiegen und durch die Grünanlage hindurch den nördlichen Bereich der Essener Innenstadt erreichen. Halblinks haltend überqueren wir am Ende der kleinen Turmstraße die Friedrich-Ebert-Straße, fahren an der Kreuzeskirchstraße vorbei, die Ende des 19. Jahrhunderts erbaut wurde und nach den schweren Schäden im Zweiten Weltkrieg wieder neu errichtet wurde. Gegenüber der Kirche befindet sich der Weberplatz, wenig später sehen wir zu unserer Linken den Kopstadtplatz und erreichen nach wenigen Metern durch eine Fußgängerzone den Kennedyplatz. Vor dem Café zur Rechten erblicken wir den schattigen Salzmarkt, radeln am Kennedyplatz rechts vorbei und erblicken auf der linken Seite das Essener Münster.
Das Essener Münster auch Dom zu Essen genannt ist heute der Sitz des Ruhrbistums. Es erhebt sich auf dem Burgplatz im Essener Innenstadt. Das Bauwerk ist die dritte Kirche an dieser Stelle. Die erste Kirche wurde bereits im 9. Jahrhundert als dreischiffige Basilika auf Veranlassung des Bischofs Altfrid für das Damenstift erbaut. Das Gotteshaus brannte im 10. Jahrhundert nieder. Um die Jahrtausendwende baute man sie wieder auf und nahm dabei zahlreiche Änderungen und Umbauten vor. Aus dieser Zeit stammen die Krypta, die sich unter dem Hochaltar befindet und das Westwerk. Doch auch diesmal blieb die Kirche von einem Brand nicht verschont. Das dritte Gotteshaus entstand im 14. Jahrhundert. Im Zweiten Weltkrieg wurde es allerdings zerstört und nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufgebaut. Das heutige Essener Münster ist ein dreischiffiges Bauwerk mit romanischen und gotischen Elementen, an dem der Kreuzgang aus dem 13. Jahrhundert angebunden ist. Dicht an dem Dom befindet sich die gotische Johanniskirche – die heutige Anbetungskirche. Das Münster ist wegen seinem Domschatz bekannt. Zu dem gehört unter anderem die Goldene Madonna – ein ottonisches Kunstwerk aus Holz, das mit Goldschicht beschlagen wurde. Sie stellt die sitzende Gottesmutter mit ihrem Sohn am Schoss dar. Mit der linken Hand hält sie den Christus, in ihrer rechten Hand befindet sich vermutlich ein Reichsapfel. Die Marienfigur entstand in der Zeit, als Mathilde II. – Enkelin des Kaisers Otto des Großen –Äbtissin vom Damenstift war, vermutlich Ende des 10. Jahrhunderts. Das Kunstwerk ist heute im Seitenschiff zu sehen. In der Kirche, direkt vor dem Westwerk, befindet sich noch ein Meisterstück des Domschatzes: der siebenarmige Leuchter. Er wurde auf Mathildes Veranlassung aus Bronze angefertigt. Das Kunstwerk ist über 2 Meter groß und hat die Form der jüdischen Menora.
Das Essener Münster ist den heiligen Cosmas und Damian, die auch Schutzpatrone der Stadt sind, sowie der Jungfrau Maria geweiht.
4 Essener Münster; 14,5 km
Wir erreichen die Rückseite des neobarocken Grillo-Theaters, das ebenfalls im ausgehenden 19. Jahrhundert entstand. Hinter Theater halten wir uns links, biegen rechts in die Rathenaustraße ein und erkennen an ihrem Ende den Hauptbahnhof wieder, der sich hinter dem Willy-Brandt-Platz befindet.
Hier schreibt Reisejournalist Michael Moll.
Ich bin Autor von mehr als 100 Reiseführern, unter anderem beim National Geographic, und erstelle Artikel in Fachzeitschriften. Außerdem bin ich Betreiber und Besitzer des Wohnmobilstellplatzes am Barockschloss in Nordkirchen im südlichen Münsterland.
Bundesweit halte ich Multimedia-Präsentationen über verschiedene Reisethemen und zu guter Letzt konnte ich einen Fahrradweltrekord für das Guinnessbuch der Rekorde aufstellen.
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