2009 – Mit dem Zug nach Moskau

Mit dem Zug nach Moskau und zurück

Abfahrt in Dortmund

 

Eigentlich sollte die Reise weiter gen Osten reichen, aber gesundheitliche Probleme (Bruch des Mittelfußknochens) zwangen mich dazu, in Moskau kehrt zu machen und den Rückweg anzutreten. So entstand mehr durch Zufall ein Wochenendausflug in die russische Hauptstadt.

 

Mittwochabend am Dortmunder Bahnhof, der Zug rollt mit fünf Minuten Verspätung ein, weshalb die Abfahrt damit am Donnerstagmorgen stattfand. Planmäßig hätte der Zug nämlich um 23.55 Uhr den Bahnhof verlassen sollen. 33 Stunden Fahrt liegen vor mir, die ich in einem Drei-Bett-Abteil verbringen werde.

 

Der russische Schaffner lässt mich nur nach Vorlage meines Tickets und meiner Schlafwagenreservierung in den Zug, wo ich mich direkt zu meinem Abteil begebe. Liegeplatz 21 ist für mich reserviert. Es ist das untere, welches am Tage zu einer Sitzreihe umgeklappt werden kann. Darüber existieren zwei weitere Betten, die ebenfalls komplett in der Seitenwand versenkt werden können. Sind alle drei Betten zur Schlafstätte umgeklappt, ist ein aufrechtes Sitzen nicht mehr möglich. Gegenüber der Betten befindet sich ein Hängeschrank mit einem Spiegel und einer 220-Volt-Steckdose, darunter in der Ecke eine Ablage, die den am Fenster sitzenden Passagier stark in seiner Beinfreiheit einschränkt.

 

Als der Zug anrollt, kommt der Schaffner und überreicht mir in Folie eingeschweißte frische Bettwäsche und klappt mein Bett aus. Ich bin alleine im Abteil und beginne mein Bett zu beziehen, bevor ich mich müde ins selbige fallen lasse. Die Bahn rollt leise durch Westfalen, doch schon in Bielefeld ist Schluss mit Ruhe. Gegen ein Uhr in der Nacht betritt ein junger Russe mit seiner Mutter das Abteil. Das enge Räumchen wird plötzlich mit drei weiteren großen Gepäckstücken und zwei Personen gefüllt. Doch auch diese beiden liegen nach wenigen Minuten in ihren Betten und so kann ich meine Augen schließen. Als es rumpelt, werde ich wieder wach und bin in Hannover. Ich weiß, dass dort zahlreiche Waggons des Zuges abgetrennt werden und weiter nach Dänemark fahren. Ein weiteres Mal werde ich in Berlin wach, wo die automatischen Lautsprecherdurchsagen des Bahnhofs über alle Bahnsteige hallen und schwer verständlich sind. Dieses negative Phänomen ist mir im neuen Berliner Bahnhof bereits mehrfach aufgefallen und macht diese Haltestelle unverkennbar.

Im polnischen Kutno wache ich endgültig auf, die beiden Mitreisenden über mir scheinen noch zu schlafen. Also stehe ich leise auf und gehe durch den schmalen Gang zum Ende des Waggons, wo sich der Toilettenraum befindet. Als ich wieder im Abteil bin, sind die beiden Russen ebenfalls schon aufgestanden. Die Mutter erklärt mir, dass der „Provodnik“ gleich kommt, und unsere Betten wieder zu Sitzplätzen umfunktioniert. Nur er darf das machen und hat dafür die entsprechenden Vierkantschlüssel.

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Wenig später erklärt sie mir, dass ich für meinen Tee bei ihm auch ein Glas mit heißem Wasser erhalte und bietet mir süßes Gebäck an. Sie spricht kaum Deutsch, ihr Sohn überhaupt nicht, aber dennoch können wir uns verständigen. Aus ihren Erklärungen verstehe ich, dass sie ihre Eltern in Gütersloh besucht hat, die bereits seit acht Jahren in Deutschland leben. Sie verbrachten die letzten zwei Wochen dort und es dauert nicht lange, bis sie mir Bilder im Display ihrer Digitalkamera zeigt. So lässt sie mich mitten in Polen daran teilhaben, wie sie mit ihrer Familie in einem Wohnmobil zum Hamburger Hafenfest fuhr.

 

Am Fenster ziehen grüne Wälder und gelbe Rapsfelder vorbei und ich frage mich, wann ich zuletzt Polen so leuchten sah. Dabei war ich erst vier Wochen vorher in Polen. Doch meine letzten Polenaufenthalte fanden zuletzt immer im Herbst oder Winter statt, so dass ich mich freute, mal wieder ein so sattes Grün in dem Land zu sehen.

 

Aufenthalt in Warschau

Gegen Mittag erreichen wir Warschau. Den Hauptbahnhof kenne ich schon. Er befindet sich unterirdisch und erinnert mehr an eine Metrostation und bis hierher gab es nicht viel Neues für mich zu sehen. Die nächste Haltestelle befindet sich nicht weit entfernt im Osten der polnischen Hauptstadt. Warszawa Wschodnia ist unspektakulär, muss aber ganze zwei Stunden ertragen werden, da hier –so vermute ich- die Lok gewechselt wird. Die restliche Strecke durch unser Nachbarland verläuft sehr ruhig an modernen Haltestellen entlang, bis plötzlich Terespol erscheint. Hier befindet sich die EU-Außengrenze und somit die erste Grenzkontrolle.

 

Der polnische Zöllner schaut kurz in meinen Pass, das war’s. Lediglich meine beiden Sitznachbarn bekommen einen Ausreisestempel auf ihr Schengen-Visum gedrückt. Anschließend überqueren wir den Grenzfluss Bug und schon kann ich die weißrussische Flagge sehen. Der Zug hält erneut, diesmal kommen die belarussischen Grenzbeamten durch den Zug. Ich werde gebeten, den Koffer zu öffnen. Der flüchtige Blick des Zöllners fällt auf ein Buch, welches er aus meiner Wäsche hervor holt. Fragend schaut er mich an und ich sage schlicht: „Roman“ was er mit „Alles gut“ kommentiert. Ich darf zusammenpacken, während mir ein zweiter Beamter eine Migrationskarte entgegenhält, die ich doch bitte auszufüllen habe. Diese ist nicht nur auf kyrillisch, sondern auch auf Englisch, so dass das Ausfüllen kein Problem bereitet.

 

Ich erhalte eine gestempelte Durchschrift der Karte und die russische Mutter erklärt, dass ich die Karte erst bei der Ausreise aus Russland wieder vorzeigen muss. „Aus Russland?“, frage ich, aber wir sind doch hier erst in Weißrussland. Aber sie erklärt, dass es zwischen Russland und Weißrussland keine Grenzkontrollen gibt. „Ach“, denke ich, wie praktisch, ist ja wie im Schengener Europa. Damit hat man also zwischen Deutschland und Moskau nur eine Grenzkontrolle über sich ergehen zu lassen.

 

Die erste Stadt in Belarus ist Brest. Auch diese Stadt verlässt man nicht so schnell. Zunächst einmal steuern wir einen kleinen Bahnhof an, in dem die Reisenden nach Brest heraus gelassen werden. Einsteigende Fahrgäste gibt es hier noch keine, lediglich Frauen mit Plastiktüten betreten den Zug und laufen laut rufend durch den Gang. Ich verstehe immer Vodka und Kurotschka. Letzteres ist ein Hühnchen, dessen Lebensende sich nach dem Fahrplan der Eisenbahn richtet. Angeboten wird es mit frisch zubereiteten Kartoffelpuffern.

 

1 Kommentar zu „2009 – Mit dem Zug nach Moskau“

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