2010 – 1.200 km Autobahn nach Polen

Das Protokoll einer ganz gewöhnlichen Autobahnfahrt nach Polen…

7.20 Uhr (km 0):
Fahrzeugübernahme beim Autovermieter

7.33 Uhr (km 0):
Abfahrt vom Hof

7.35 Uhr (km 1):
„Wo stellt man denn hier am Radio die Bässe ein? Ah.. gefunden“

7.54 Uhr (km 24):
Auf der A40 in Bochum fährt plötzlich ein Polizeiwagen mit Blaulicht vor mir auf die Autobahn auf. Er fährt auf beiden Spuren und wird immer langsamer, bis er stehen bleibt und die Autobahn blockiert. Na toll, fängt ja gut an. Als einer der Polizisten rausspringt erwarte ich einen spektakulären Actionfilm mit wilden Verfolgungsjagden in erster Reihe. Doch bei dem Bösewicht handelt es sich lediglich um einen Umzugskarton, der auf der Überholspur liegt und durch das entschlossene Eingreifen der Staatsmacht wenig später im Gebüsch verschwindet.

8.04 Uhr (km 36):
Der Umzugskarton wird Radiostar – zumindest in den Verkehrsnachrichten.

8.30 Uhr (km 57):
Auf der A44 verlasse ich nun das Ruhrgebiet und habe wahrscheinlich das Schlimmste in Sachen Verkehr hinter mir.

8.36 Uhr (km 68):
Am Rastplatz Haarstrang halte ich kurz um meine klobigen Winterstiefel auszuziehen. Ab jetzt soll es bequem weiter gehen. Vorher klopfe ich aber ein wenig Eis von meinen Spritzwasserdüsen, damit ich die Scheibe wieder sauber bekomme. Und wo ich gerade hier so stehe, rufe ich meinen Zahnarzt an und sage den heutigen Termin ab.

8.54 Uhr (km 104):
Ich muss wieder rechts ran. Die blöde Spritzwasserdüse gibt wieder kein Wasser mehr her und ich kann nur noch auf der rechten Seite durch die Windschutzscheibe schauen. Das wird aber schnell unbequem und außerdem möchte ich gerne sehen, wo ich hinfahre.

9.07 Uhr (km 130):
Jetzt wird erst mal gefrühstückt. Bei einem gemütlichen Tempo zwischen 120 und 130 schiebe ich mir irgendwo südlich von Paderborn ein paar Stückchen Kuchen in den Mund..

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9.44 Uhr (km 201):
Bei Kassel wechsel ich von der A44 auf die A7 Richtung Süden. Zumindest vermute ich das, denn ich sehe wieder nichts.

9.52 Uhr (km 217):
Es reicht mir. Wie kann man diese blöden Spritzwasserdüsen mitten auf die Motorhaube setzen? Das Display im Cockpit verrät mir, dass es draußen minus vier Grad sind. Die Düsen sind aber dem Fahrtwind schutzlos ausgeliefert und dürften sich wohl über minus vier Grad freuen, gefühlt werden es wohl zehn Grad im roten Bereich sein. Ich fahre also abermals einen Rastplatz an und hauche dem Auto neues Leben ein. Gott, hoffentlich sieht mich keiner. Ich hänge halb über der Motorhaube und leiste Mund-zu-Spritzwasserdüsen-Beatmung in der Hoffnung, dass mein nach Kuchen riechender Atem etwas wärmt. Aber es hat Erfolg, ich fahre weiter und kann wieder etwas erkennen. Ich muss allerdings dazu sagen, dass sich Frostschutzmittel im Wasserbehälter befindet. Jedoch wurde wohl nur etwas aufgefüllt, ohne das Zeug durch die Schläuche zu spülen. Da nützt es dann auch nichts mehr, wenn man nachträglich etwas eingießt, sonst hätte ich das natürlich getan.

10.06 Uhr (km 236):
Aus dem Radio ertönt plötzlich „Final Countdown“ von Europe. Meine Güte, wie lange habe ich das Lied schon nicht mehr gehört? Ich mache das Radio lauter und fliege nur so durch die Kurven und über die Kuppen der A7. Die Lastwagen dienen nur noch als Slalomstangen. Sorry, liebe Lkw-Fahrer, aber das ist meine Rache dafür, dass ich sonst immer von euch gedrängelt werde, wenn ich mit meinem Bulli unterwegs bin.

 

Probleme mit den Spritzwasserdüsen

10.11 Uhr (km 248):
Leichter Schneefall setzt ein. Schönen Dank auch. JETZT ist die Scheibe sauber, ich brauche kein Wasser mehr von oben.

10.15 Uhr (km 255):
Wechsel auf die A4 Richtung Osten. Ab jetzt geht es nur noch geradeaus.

11.12 Uhr (km 365):
Am Kreuz Erfurt vermisse ich so langsam die gemütlichen Armlehnen aus meinem Bulli.

11.43 Uhr (km 430):
Vorne rechts sehe ich eine starke Rauchwolke. Beim Näherkommen erkenne ich, dass es sich um eine brennende Lagerhalle handelt. Die Einsatzkräfte sind noch nicht da, sie kommen mir gerade erst auf der Autobahn entgegen.

12.34 Uhr (km 521):
Seit 60 Kilometern leuchtet bereits die Tankanzeige auf. Aber der Bordcomputer in Verbindung mit der Straßenbeschilderung verraten mir, dass es bis zum nächsten Rastplatz noch locker reichen wird. Doch jetzt wird das Auto auch noch panisch. Eine weitere zusätzliche rote Lampe signalisiert, dass ich nur noch 20 Kilometer weit kommen werde. „Ja Herrgott, ich weiß es doch. Da vorne ist doch schon die Tankstelle. Habe ich etwa so überreagiert, als ich vorhin nichts mehr gesehen habe?“ – Blöde Karre.

12.53 Uhr (km 521):
Die Fahrt kann weiter gehen. Natürlich habe ich Hunger, nachdem ich wieder auf der Autobahn unterwegs bin. Also kram ich mein in Alufolie eingepacktes Schnitzel hervor und bemühe mich, mich nicht mit dem Fett einzusauen.

13.17 Uhr (km 569):
Irgendwo kurz vor Dresden gibt es nun einen Totalausfall der Spritzwasserdüsen. Na toll. Im Blindflug setze ich auf den nächsten Parkplatz an. Als Erstes wasche ich mir aber mit dem Schnee die Finger, das Schnitzel war doch ein wenig fettig – aber lecker. Dann will ich die Düsen mit dem bewährten Prinzip reanimieren. Doch das gelingt mir leider nicht. Plötzlich parkt neben mir ein Kleinwagen und zwei junge Frauen steigen lachend aus. Wir schauen uns an, unsere Blicke treffen sich und ohne dass einer etwas sagen muss, wissen wir, dass wir füreinander bestimmt sind. Zumindest teilen wir das gleiche Problem. Die jungen Damen bekommen aber ihre Spritzwasserdüsen schneller in den Griff als ich und fahren schnell weiter, nachdem sie mir noch viel Glück wünschen. Danke, das kann ich gebrauchen. Mittlerweile stehe ich ja mit offener Motorhaube da und habe eine der Spritzwasserdüsen in der Hand. Tolle Verarbeitung, alle Achtung. Aber nachdem das Teil nun mal gelöst ist, setze ich mich ins Auto und halte die Düse über das warme Gebläse. Dabei teste ich, ob denn überhaupt Wasser aus dem spritzwasserdüsenlosen Schlauch kommt. Nein! Das Wasser kommt erst gar nicht an die Düse. Das arme, völlig erfrorene Ding kann also gar nichts dafür, dass meine Sicht gleich Null ist. Ich teste, bis wohin überhaupt Wasser fließt und muss feststellen, es kommt gar nicht erst aus dem Behälter heraus. Diagnose: Die Pumpe ist zugefroren. Das ist mir jetzt zu doof. Ich veranstalte eine Schneeballschlacht mit meiner Windschutzscheibe und fahre weiter.

14.26 Uhr (km 669):
Mittlerweile habe ich ja Tricks drauf. Wenn ich nichts mehr sehe, dann versuche ich durch einen schmalen Sehschlitz einen Lkw zu erspähen. Diesem fahre ich für einen kurzen Moment dicht auf und nutze die von ihm aufgewirbelte Gischt, um meine Scheibe zu reinigen. Ich weiß, das ist nicht sehr gesetzeskonform, aber momentan für mich einzige Möglichkeit. Weiteres Einfüllen von Frostschutzmittel würde ja nicht helfen, da das Zeug vermutlich nicht mehr bis zu der Pumpe vordringen könnte. Kurz vor Görlitz erscheint einer der längsten Tunnel Deutschlands, der Tunnel „Königshainer Berge“ mit einer Länge von über drei Kilometern. Ich schleiche mit 80 km/h durch den Tunnel und hoffe darauf, dass es im Inneren etwas wärmer ist und vielleicht mein Wischwasserbehälter antaut. Und tatsächlich, das Display springt von minus vier auf minus drei Grad! Doch gleichzeitig sehe ich schon Licht am Ende des Tunnels. Es wird nicht reichen und weiter kalt bleiben. Im videoüberwachten Tunnel will ich natürlich nicht anhalten. Wie soll ich das erklären? „‘Tschuldigung, ich wollte mein Auto auftauen. Könnten Sie vielleicht noch etwas die Heizung aufdrehen?“

14.37 Uhr (km 685):
Ich überquere die Grenze zu Polen und gleichzeitig die Neiße. Kurz zuvor habe ich noch ein letztes Mal kostenfrei E-Mails geprüft, bevor ich beim nächsten Mal Roaminggebühren bezahlen muss.

15.56 Uhr (km 832):
So langsam wird es dunkel draußen. Aber merkwürdigerweise habe ich keine Probleme mehr mit der Scheibe.

 

Polnisch für Anfänger

16.34 Uhr (km 910):
Bei Oppeln (Opole) muss ich mal wieder tanken und kann meine Polnischsprachkenntnisse anwenden. Mein Dzien Dobry (Guten Tag) spreche ich so gut aus, dass die Dame am Schalter mir tausend Dinge erzählt und mich ebenso viele Sachen fragt. Ich antworte höflich mit Ja und Nein und habe überhaupt keine Ahnung, um was es geht. Das macht aber nichts, für ein polnisches Auf Wiedersehen reicht es noch. Wahrscheinlich hat sie mich nach irgendwelchen Paybackkarten oder ähnlichen Dingen gefragt.

17.47 Uhr (km 1.036):
Die erste von zwei Mautstationen erscheint kurz hinter Kattowitz (Katowice). 8 Zloty werden von meiner Kreditkarte abgebucht und schon öffnet sich die Schranke.

18.12 Uhr (km 1.084):
An der zweiten Mautstelle am Krakauer Flughafen darf ich wieder Polnisch üben, denn Kartenzahlung ist momentan nicht möglich, wie mir die nette Dame erklärt. Ich sage ihr, dass ich nur mit Euro zahlen kann und sie erklärt, dass das kein Problem sei, wenn ich Banknoten hätte und als Wechselgeld Zloty akzeptiere. Da ich schon öfter hier bezahlt habe, weiß ich das aber auch so. Ich reiche ihr einen Fünf-Euroschein und bekomme einen Haufen Münzen zurück, die ich ungezählt ins Portemonnaie werfe.

18.30 Uhr (km 1.095):
Eigentlich wollte ich hinter der Mautstelle ein frisch fertig gestelltes Autobahnstück nutzen, doch irgendwie landete ich im Zentrum von Krakau (Kraków), wo ich überhaupt nicht hin wollte. Gut, dass ich hier schon Monate meines Lebens verbrachte und mich auskenne. Also mal eben schnell noch durch den Feierabendverkehr gewühlt, an der Altstadt vorbei und quer durch die Stadt weiter auf die A4. Dort sehe ich endlich das Schild, wo es auf der neuen, rund 20 km langen Strecke weiter gen Osten geht.

19.12 Uhr (km 1.137):
Kurz vor Bochnia endet das neue Teilstück und damit vorläufig die gut ausgebaute A4. Von hier an geht es auf einer Landstraße weiter.

20.27 Uhr (km 1.230):
Gut 15 Kilometer vor der größeren Stadt Rzeszów bin ich nach 13 Stunden Fahrt angekommen und werde freudig begrüßt und erwartet. Im Grunde ist nichts Nennenswertes passiert, es war eine Fahrt wie jede andere auch. Am nächsten Tag nehme ich an einer Beerdigung teil und fahre einen weiteren Tag später wieder zurück nach Hause.

1 Kommentar zu „2010 – 1.200 km Autobahn nach Polen“

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