Geisterdörfer oder Geisterstädte finde ich ja irgendwie bemerkenswert und locken mich geradezu zu einem Besuch. Als ich von dem Geisterdorf Tyneham hörte, war mir klar, dass ich das irgendwann auch mal besichtigen möchte. Das ist aber gar nicht so einfach, obwohl es nicht weit weg ist.
Tyneham befindet sich im südlichen England an der sogenannten Jurassic Coast. Genauer gesagt zwischen Bournemouth und Weymouth. Die nächste bekanntere Stadt liegt etwas mehr als 60 Kilometer nordöstlich und ist Southampton.
Von Southampton nach Tyneham
Southampton war auch unser Ausgangspunkt für den Besuch von Tyneham. Denn wir kamen gerade von einer Reise mit der Queen Elizabeth aus Island und hatten auf dem Weg zum Ausschiffen nach Rotterdam noch einen Landgang in Southampton. Da wir die Hafenstadt schon durch zahlreiche weitere Aufenthalte gut kennen, nutzen wir die Chance, mit einem Mietwagen an die Jurassic Coast zu fahren.
Denn just zu der Zeit, als unser Schiff im Hafen von Southampton lag, war das Geisterdorf tatsächlich auch zugänglich. Genau das ist nämlich nicht immer der Fall. Tyneham befindet sich nämlich in einem militärischen Sperrgebiet bzw. auf einem Truppenübungsplatz und ist nur dann erreichbar, wenn das Militär gerade nicht trainiert.
Mit dem Militär ist zugleich auch die tragische Geschichte von Tyneham verbunden. Ohne das Militär wäre das Dorf möglicherweise heute noch bewohnt, ähnlich wie Wollseifen in der Eifel. Denn die Armee hat das Land rund um das Dorf für Übungszwecke auserkoren, woraufhin die Bewohner ihre Heimat für immer verlassen mussten.
Umsiedlung der Bewohner wegen des Zweiten Weltkriegs
Im Fall von Tyneham geschah dies während des Zweiten Weltkriegs, weil man sich auf den später stattfindenden D-Day vorbereiten musste. Über 250 Menschen wurden aus ihrem kleinen Tal nahe der Küste umgesiedelt und hatten vermutlich noch die Hoffnung, eines Tages zurückkehren zu können.
Diese Hoffnung erfüllte sich jedoch nicht. Der D-Day wurde ein Erfolg, der Zweite Weltkrieg endete, doch Tyneham blieb im Besitz des Militärs. Viele der Häuser wurden dem Erdboden gleich gemacht, doch einige Höfe und vor allen Dingen die Kirche und das Schulgebäude blieben bestehen.
Sowohl das einstige Gotteshaus und die Schule sind heute zu einer Art Museum umgewandelt worden. In den Räumen sieht es zum Teil sehr gepflegt aus und man könnte meinen, dass der letzte Gottesdienst und der letzte Schulunterricht erst gestern gewesen sei. Zahlreiche Informationen berichten darüber, wie einst das Leben in Tyneham stattgefunden hatte.
Das einstige Leben in Tyneham
Besonders beeindruckend fand ich den Hinweis, dass zu Beginn des letzten Jahrhunderts viele Tynehamer niemals ihr Tal verlassen hatten und gar nicht wussten, wie es eigentlich außerhalb ihrer Heimat aussah. Wenn man bedenkt, dass diese selben Leute später ihr Hab und Gut nehmen und in eine neue Heimat umsiedeln mussten.
Die übrigen noch halbwegs vorhandenen Gebäude bestehen nur noch aus Ruinen. Sie sind zum Teil aber auch noch begehbar und lassen ebenfalls erahnen, wie man dort lebte und wie die Räumlichkeiten aussahen. Unterstrichen werden diese Informationen mit historischen Aufnahmen, die man sehr gut zum Vergleich zwischen damals und heute heranziehen kann.
Es war auf jeden Fall ein sehr interessanter und sehenswerter Ausflug bzw. Landgang, den wir unternommen hatten. Ich kann jedem, der in der Region unterwegs ist, nur empfehlen, sich über die Öffnungszeiten zu informieren und dem kleinen Geisterdorf Tyneham einen Besuch abzustatten.