Wandern rund um Bonn – Rheinbreitbach

Auf der Breiten Heide bei Rheinbreitbach
Von zauberhaften Schlössern, göttlichen Werken und historischen Orten

Pkw/Parken: Parkmöglichkeiten in der Karl-Simrock-Straße, Bad Honnef (am Schloss gibt es keine Parkmöglichkeiten)
ÖPNV: Ab Bad Honnef, Rhöndorf Bahnhof mit der Buslinie 566 bis Bad Honnef, Selhof Kirche
Rundweg: Ca. 8 Kilometer/3 Stunden
Streckenprofil: Steiler Anstieg auf asphaltiertem Weg und flache Waldwege auf losem Boden
Einkehr: Weingut Menzenberg, Menzenberg 12, 53604 Bad Honnef, Tel. (0 22 24) 90 02 33, www.weingut-menzenberg.de
Am Wegesrand: Schloss Hagerhof; Rheinbreitbach; Gottes Auge; V1-Abschussrampe

Am Schloss Hagerhof, wo Harry Potter seine Zauberkünste erlernt und seine bösen Widersacher besiegt haben könnte, starten wir unseren Ausflug in einen malerischen und legendenbehafteten Wald. Dabei nutzen wir einen Aufstieg zwischen herrschaftlichen Häusern und unser Blick wandert von den Villen über das weite Rheintal hinweg. Auf der Grenze zwischen Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz genießen wir die Waldluft und schauen dem lieben Gott tief ins Auge, bevor wir uns auf dem Rückweg noch ein Glas guten Weins gönnen können.

Ab der Haltestelle Selhof Kirche wandern wir zunächst auf der Menzenberger Straße leicht bergauf und biegen nach wenigen Metern rechts in die Karl-Simrock-Straße ein,wo wir auf die Wanderer stoßen, die hier ihren Pkw abstellen. Der Straße folgen wir stets bergauf zu unserem Ausgangspunkt, dem prächtigen Schloss Hagerhof.

Das barocke Schloss Hagerhof wurde Mitte des 17. Jahrhunderts erstmalig als Hof erwähnt und war eines der bedeutendsten Güter in der näheren Umgebung. Später wurde es von der Kaufmannsfamilie Farina erworben, bei denen es sich um Nachfahren des berühmten Kölnisch-Wasser-Erfinders Johannes Maria Farina handelt. Sie erweiterten das Gebäude sowie das dazugehörige Areal und verkauften es an den Elberfelder Unternehmer August Weyermann. Dieser veranstaltete kunstbetonte Feiern, unter anderem ein Kammermusikfest zu Ehren des Komponisten Johannes Brahms, der eigens hierfür anreiste. Aber auch Künstler der schreibenden Zunft, wie z. B. Karl Simrock, Übersetzer des Nibelungenliedes, die Märchenerzähler Grimm und Ferdinand Freiligrath waren gern gesehene Gäste. Heute beherbergt Schloss Hagerhof ein Gymnasium mit 530 Schülern und erinnert mit seinen Bruchsteinmauern an die Zauberschule von Harry Potter. Und wer möchte da nicht zur Schule gehen?

Wir wandern am stattlichen Haupteingang der Schule vorbei, lassen diese rechts liegen und befinden uns für ein kurzes Stück auf dem sechs Kilometer langen Literarischen Simrock-Freiligrath-Wanderweg, der von Bad Honnef nach Unkel verläuft und an die beiden Künstler der Rheinromantik erinnert. Wir gehen durch eine Rechtskurve hindurch, winken den Pferden auf ihren Koppeln zu und verlassen den asphaltierten Weg geradeaus in den als Sackgasse ausgeschilderten Weg. Auf dem Schotterpfad wandern wir geradeaus und biegen an der ersten Möglichkeit links in die Simrockstraße ein. Damit haben wir Nordrhein-Westfalen verlassen und befinden uns nun im idyllischen rheinland-pfälzischen Rheinbreitbach, das zu Unkel gehört.

Erstmals als Rheinbreitbach erwähnt wurde die Ortschaft im Jahr 1604. Für einen Ort dieser geringen Größe mit heute grade einmal 4.500 Einwohnern ist es recht ungewöhnlich, dass er mit einem Wallgraben und vier Toren geschützt wurde sowie zwei Burgen besaß. Im Wappen der Ortschaft wird seit 1927 den Dichtern und Schriftstellern Freiligrath, Simrock und den Gebrüdern Grimm durch drei silberne Schilde gedacht, da diese einige Zeit in Rheinbreitbach verbrachten. Der mittelalterliche Stadtkern wird geprägt durch gemütlich wirkende Fachwerkhäuser.

Doch wir wandern auf der ruhigen Simrockstraße durch ein schmuckes Wohnviertel bis zur Rheinblickstraße und wenden uns dort nach links. Der Name lässt uns bereits ahnen, was uns erwartet: Selbstverständlich ein Aufstieg, um den Rheinblick zu erhalten. So wandern wir auf der asphaltierten Straße steil und kurvig bergauf und können zwischen den eleganten Wohnhäusern einige Male den versprochenen Ausblick auf das Rheintal genießen. Je höher wir steigen, umso mehr machen die Häuser einem dichten Wald Platz, bis er uns nach einiger Zeit vollends umgibt. Der harte Asphaltboden weicht einem groben Schotterweg, dem wir nun ohne Steigung bis zur nächsten Siedlung folgen. Den kleinen Rheinbreitbacher Ortsteil Breite Heide streifen wir jedoch nur kurz, indem wir sofort an der ersten Möglichkeit links abbiegen. Die Straße führt für ein kurzes Stück bergab und windet sich an einem Parkplatz nach rechts. Hier wandern wir nun wieder links in den schattigen Wald hinein und folgen dem Schotterpfad bergauf. Hinter einer sonnendurchfluteten Lichtung gehen wir rechts und genießen die Frische des Waldes und treffen an einer Kreuzung unter dem Blätterwerk von Eichen und Buchen auf das Auge Gottes.

„Gottes Auge sieht alles, bewahre mich vor Sünde“, so steht es geschrieben im Giebel des kleinen, überdachten Bildstocks. Der Legende nach befand sich ein junger und despotischer Burgherr auf der Jagd und ermordete alles Vierbeinige, was ihm vor die Flinte lief. Bei einem seiner Jagdausflüge tauchte plötzlich wie aus dem Nichts ein Auge auf, schützte eine Hirschkuh, die sein nächstes Ziel hätte sein sollen und blickte den jungen Mann strafend an. Dieser rannte, von Angst übermannt, nach Hause, wo man ihn später am Dachbalken baumelnd fand. Die heimischen Bauern, die ebenfalls unter seiner Schreckensherrschaft litten, ließen daraufhin an eben dieser Stelle, wo das Auge erschienen sein soll, den Bildstock errichten. Das in den Giebel gemalte Auge Gottes gilt gemeinhin als Auge der Vorsehung und soll an die ewige Wachsamkeit Gottes erinnern. Vielfach wird es von Verschwörungstheoretikern als Zeichen von Geheimbünden in Verbindung gebracht, nicht zuletzt auch, weil es von den USA auf offiziellen Dokumenten und auf den Dollarscheinen zu sehen ist.

Frei von Sünde und unter strengster, himmlischer Beobachtung können wir ein kurzes Stück nach rechts wandern und auf die letzten Überreste einer Abschussrampe der V1 treffen.

Die Abkürzung V1 stand für Vergeltungswaffe 1 und war der erste Marschflugkörper, der gebaut und eingesetzt wurde. Sie wurde von den Deutschen im Zweiten Weltkrieg entwickelt und in den letzten Kriegsjahren eingesetzt insbesondere auf die britische Hauptstadt, wo sie am 13. Juni 1944 zum ersten Mal einschlug. Durch den Einsatz der V1 starben in London 6184 Personen, in Antwerpen und Lüttich kamen ebenfalls mehrere Tausend Menschen ums Leben. Die Rakete in Form eines Miniaturflugzeugs flog unbenannt und benötigte daher fest installierte Abschussrampen. Neben der hiesigen gab es zwei weitere Rampen zwischen Hennef und Gummersbach sowie auf Usedom, wo sie vor allem in Peenemünde erprobt wurde.

Mit dem seltsamen Gefühl, dass einst aus diesem heute so idyllischen Wald todbringende Waffen abgeschossen wurden, gehen wir zurück zum Auge Gottes. Wir wandern vor diesem nach links und bleiben auf dem breiten Waldweg, der uns durch eine weite Linkskurve führt. Dabei verlassen wir das Bundesland Rheinland-Pfalz und befinden uns wieder in Nordrhein-Westfalen. Wir gelangen an einer Wegekreuzung mit einem kleinen Picknickplatz und halten uns halblinks auf einen schmalen Wanderpfad, der uns mit deutlichem Gefälle links wieder in Richtung Menzenberg lenkt. Der angenehme Weg führt uns an mächtigen Laubbäumen vorbei, von dessen Ästen wir neugierig von zahlreichen Vogelarten beobachtet werden. Es ist nur ein kurzes Stück, bis er in einen befestigten Weg mündet, dem wir geradeaus folgen und dabei ein letztes Mal die frische Waldluft tief in uns einatmen. Kurz vor Abschluss unserer Route hören wir das Klappern von Geschirr und vernehmen leise Stimmen, die aus dem Garten des Weinguts Menzenberg stammen. Das gelbe zweistöckige Haus erhebt sich zu unserer Linken undhält nicht nur eine große Auswahl an köstlichen Weinen für uns bereit, sondern überrascht auch damit, dass es das ehemalige Wohnhaus von Karl-Simrock ist. Nach dieser geschmackvollen Pause beenden wir unsere Wanderung nur wenige Meter links hinter dem Weingut am Schloss Hagerhof. Über die Straße, die zu seinen Ehren Karl-Simrock-Straße benannt wurde, kehren wir zum Parkplatz oder zur Haltestelle zurück.

Michael Moll

Hier schreibt Reisejournalist Michael Moll.

Ich bin Autor von mehr als 100 Reiseführern, unter anderem beim National Geographic, und erstelle Artikel in Fachzeitschriften. Außerdem bin ich Betreiber und Besitzer des Wohnmobilstellplatzes am Barockschloss in Nordkirchen im südlichen Münsterland.

Bundesweit halte ich Multimedia-Präsentationen über verschiedene Reisethemen und zu guter Letzt konnte ich einen Fahrradweltrekord für das Guinnessbuch der Rekorde aufstellen.


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