Wandern rund um Bonn – im Regierungsviertel

Durch das Regierungsviertel
Auf den Spuren deutscher Geschichte

Pkw/Parken: Parkstreifen in der Brandenburger Straße, Bonn
ÖPNV: Ab Bonn Hbf. mit den Stadtbahnlinien 66 und 68 bis Robert-Schuman-Platz
Rundweg: Ca. 10 Kilometer/2,5–3 Stunden
Streckenprofil: Bürgersteige und asphaltierte Wege am Rheinufer
Einkehr: Restaurant Vapiano, Ollenhauer Straße 1, 53113 Bonn, Tel. (02 28) 6 29 06 06, www.vapiano.com; Café im Kunstmuseum, Friedrich-Ebert-Allee 2, 53113 Bonn, Tel. (02 28) 23 00 59, www.cafekumu.de (Mo geschl.)
Am Wegesrand: Grünzug Bundesviertel Bonn; Bundeskunsthalle, Friedrich-Ebert-Allee 4, 53113 Bonn, Tel. (02 28) 9 17 10, www.kah-bonn.de; Kunstmuseum Bonn, Friedrich-Ebert-Allee 2, 53113 Bonn, Tel. (02 28) 77 62 60, www.kunstmuseum-bonn.de; Karikaturengalerie; ehem. Bundeskanzleramt; Palais Schaumburg; Villa Hammerschmidt; Museum Alexander König, Adenauerallee 160, 53113 Bonn, Tel. (02 28) 9 12 20, www.zfmk.de; Planetenlehrpfad; Post-Tower; Rheinauenpark; HICOG-Siedlung; Deutsches Museum

Es erwartet uns eine innerstädtische Wanderung mit interessanten Informationen über spannende Orte, die Geschichte schrieben. Wo Kanzler arbeiteten und Präsidenten wohnten, wandeln wir auf ihren Spuren und lassen die deutsche Geschichte aufleben. Nach dem anregenden Geschichtsunterricht folgt eine schöne Lehrstunde aus dem Bereich Biologie, wenn wir am Rheinufer spazieren und die grünen, üppigen Wiesen der Bonner Auen durchschreiten oder im Schatten eines Baumes liegen und bei einem kühlenden Eis den vorbeifahrenden Schiffen hinterherblicken.

Den Parkstreifen in der Brandenburger Straße verlassen wir in Richtung Langer Grabenweg und halten uns dort rechts. Zunächst kommen wir an der Haltestelle Robert-Schuman-Platz vorbei, wo die Nutzer des öffentlichen Personennahverkehrs zu uns stoßen.

Wir überqueren die Heinemannstraße und wenden uns nach links, um kurz darauf rechts abzubiegen. Vor dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit biegen wir links ab und schwenken dann in einen schmalen Schotterweg nach rechts. Dabei überqueren auch einen kleinen, plätschernden Bach und erkennen weit vor uns den hohen Post-Tower, zu dem wir noch später kommen werden.

Hinter der Holzbrücke halten wir uns links und begeben uns zur Autobahnbrücke mit der futuristisch anmutenden Stadtbahnhaltestelle. Wir überqueren die Autobahn 562, die mit ihren drei Kilometern Länge fälschlicherweise oft als kürzeste Autobahn Deutschlands bezeichnet wird – es existieren jedoch drei Autobahnen, die es sogar nur auf zwei Kilometer bringen.

Unsere Wanderroute verläuft nun zwar für längere Zeit neben der verkehrsreichen Friedrich-Ebert-Allee, aber wir werden dabei auf viele interessante Dinge stoßen. Zunächst erblicken wir rechter Hand etwas, das für eine innerstädtische Wanderung eher ungewöhnlich ist, den sogenannten Grünzug Bundesviertel Bonn.

Der Grünzug Bundesviertel Bonn ist der nördliche Puffer zwischen der häuslichen Bebauung und der noch jungen Autobahn 562. Auf südlicher Seite der Autobahn befindet sich ein Hain der Nationen. Beide Grünanlagen entstanden anlässlich der Konferenz zur Biodiversität der Vereinten Nationen im Jahr 2008. Bei der Modellierung der Anlage wurde viel Wert darauf gelegt, dass der Bodenaushub aus der benachbarten Baustelle entnommen wurde, um die Transportwege möglichst kurz zu halten. Auch die Sämlinge für die zahlreichen Blumen wie Klatschmohn, Wiesenmargerite, Flockenblume, Wiesenbocksbart und vielen anderen stammen aus einem Umkreis von rund 30 Kilometern, da diese an die regionalen Bedingungen gewöhnt sind.

Wenige Meter später befinden wir uns bereits im sogenannten Office Port Bonn, einem Komplex aus mehreren Gebäuden, in denen die Verwaltung der Deutschen Telekom untergebracht ist. Über unseren Köpfen verläuft eine Fußgängerbrücke, an deren Geländer sich ein Laufbanner mit tanzenden Telekomquadraten befindet. Gleich hinter der Brücke beginnt der Weg der Demokratie, ein Rundweg entlang historischer Orte im ehemaligen Bonner Regierungsviertel. Eine Informationstafel weist auf das einstige Konrad-Adenauer-Haus hin, in dem bis zum Jahr 2000 der Bundesvorstand der CDU untergebracht war. Das Haus musste einem Gebäude des Office Ports weichen.

Kurz darauf, an der nächsten Stadtbahnhaltestelle, können wir auf der anderen Straßenseite das Erich-Ollenhauer-Haus sehen, in dem sich die Parteizentrale der SPD befand. Heute können wir dort unseren Gaumen im Restaurant Vapiano mit leckeren italienischen Gerichten verwöhnen lassen. Die nächste Sehenswürdigkeit kündigt sich auf der linken Straßenseite mit gläsernen Kegeln an. es sind die Lichtschächte auf dem Dach der Bundeskunsthalle.

Die Bundeskunsthalle ist Teil der Museumsmeile, einem Ensemble der Bonner Museen. Sie ist ausschließlich Veranstaltungsgelände für Vorträge, Diskussionen und Wechselausstellungen. Die Sammlung hingegen – überwiegend Werke deutscher Künstler nach Ende des Zweiten Weltkrieges – ist im angrenzende Kunstmuseum unterbracht. Allerdings finden dort auch Sonderausstellungen statt. Die Bundeskunsthalle und das Kunstmuseum sind über den Museumsplatz miteinander verbunden, der oft für öffentliche Aufführungen und Veranstaltungen genutzt wird.

Da das Kunstmuseum auch ein gemütliches Café beherbergt, bietet sich dort neben einer Besichtigung der Ausstellungsräume auch eine Pause an. Anschließend wandern wir weiter geradeaus und werden rechter Hand auch schon von einem sonderbaren Bundesadler begrüßt. Er kündigt die Karikaturengalerie der Stiftung Haus der Geschichte an. 75.000 Blätter deutscher Zeitgeschichte in karikierter und unterhaltsamer Form sind einen Besuch wert.

Es dauert nicht lange und unsere Sicht rückt wieder ins Lot, wenn wir zu unserer Rechten die stolze Büste des ersten Kanzlers Konrad Adenauer erblicken. Sie befindet sich direkt vor dem ehemaligen Bundeskanzleramt.

Das Bundeskanzleramt ist eine Oberste Bundesbehörde, die, wie der Name schon verrät, den Bundeskanzler in seiner Arbeit unterstützt. Als Amtsgebäude diente in der Zeit von 1976 bis 1999 der geduckte Flachbau, der sich teilweise hinter den Bäumen versteckt. Mit der Einheit Deutschlands und dem Hauptstadtumzug nach Berlin stand das Gebäude lange Zeit leer und wird seit 2006 vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung genutzt.

In direkter Nachbarschaft zum ehemaligen Bundeskanzleramt befindet sich das Palais Schaumburg.

1860 wurde das Palais Schaumburg von einem Aachener Tuchfabrikanten gebaut und zunächst von einem Thüringer Fabrikanten genutzt. 30 Jahre später erwarb Prinz Adolf zu Schaumburg-Lippe den Bau, wovon bis heute der Name des repräsentativen Gebäudes zeugt. Im Jahr des Kriegsausbruches 1939 erwarb das Deutsche Reich den Prachtbau und brachte dort mehrere Dienststellen des Heeres unter. Es folgten nach Kriegsende die britische Militärverwaltung und die belgischen Streitkräfte, bis Konrad Adenauer das Palais Schaumburg im Jahr 1949 als Amtssitz des Bundeskanzlers wählte. Die Bundeskanzler wechselten, das Gebäude blieb Amtssitz bis zum oben beschriebenen und benachbarten Neubau im Jahr 1969. In dem 5 Hektar großen Park wird bis heute in Erinnerung an die Amtszeit eines jeden Altkanzlers ein Baum gepflanzt. Für Konrad Adenauer steht ein Blauglockenbaum, an Ludwig Erhard soll ein Mammutbaum erinnern, für Kurt Georg Kiesingers dreijährige Amtszeit steht ein Spitzahorn, Willy Brandt wurde mit einem Ginkgo bedacht, Helmut Schmidt mit einer Trauerweide, der sogenannte Kanzler der Einheit Helmut Kohl erhielt eine Blutblättrige Rotbuche und für Gerhard Schröder wurde eine Eiche gepflanzt. Es bleibt abzuwarten, welcher Baum für die Amtszeit von Angela Merkel gepflanzt werden wird.

Nach einer Bundesadlerkarikatur und einer glänzenden Büste fällt unser Blick gleich darauf auf ein vergoldetes Hoheitssymbol am Portal der Villa Hammerschmidt.

Die Geschichte der Villa Hammerschmidt ähnelt der Historie des Palais Schaumburg. Ebenfalls im Jahr 1860 errichtet, besitzt dieser prächtige Bau ebenfalls einen 5 Hektar großen Landschaftspark. Auch hier stammt der Name der Villa nicht vom Erstbesitzer, sondern von Rudolf Hammerschmidt, Unternehmer und Geheimer Kommerzienrat, der das Gebäude 1899 erwarb. In den Nachkriegsjahren zog zunächst das britische Militär ein, bis die Villa Hammerschmidt ab 1950 von den jeweiligen Bundespräsidenten als Amtssitz genutzt wurde. Seit der Wiedervereinigung ist die Villa Hammerschmidt zweiter Amtssitz des Bundeskanzlers, der Bundespräsident zog in das Schloss Bellevue in Berlin.

Ganz unpolitisch geht es auf der linken Straßenseite zu, wo sich das Museum Alexander Koenig als Naturkundemuseum auf die Erforschung von Wirbeltieren und Gliederfüßern spezialisiert hat. Gegenüber dem Museum gehen wir in die Kaiser-Friedrich-Straße hinein und steigen an ihrem Ende über Treppen hinab zum Rheinufer. Wir folgen direkt am Rhein dem Rad- und Fußweg nach rechts. Dabei streifen wir Jupiter, den größten Planeten des Sonnensystems, später den roten Mars, die blaue Erde sowie den Morgenstern Venus und zu guter Letzt den Planeten Merkur, bevor wir an der gelb leuchtenden Sonne angelangt sind. Es handelt sich um einen als Schülerprojekt entstandenen Planetenlehrpfad. Während sich die Planeten anfassen lassen und sich ungewohnt irdisch verhalten, ragt der benachbarte Post-Tower hoch hinaus.

Mit fast 163 Metern beherbergt das 2002 fertiggestellte Bauwerk die Zentrale der Deutschen Post DHL. Das höchste Gebäude Nordrhein-Westfalens ist eine Landmarke für Bonn. In Deutschland existieren acht Hochhäuser, die höher sind als der hiesige Post-Tower – allesamt stehen sie in Frankfurt am Main. Und auch die vier nächsthöheren Häuser Deutschlands erheben sich in der Bankenmetropole. Damit würde sich der Bonner Post-Tower gut in das Ensemble einfügen, wäre dann aber nur einer von vielen Wolkenkratzern.

Wir bleiben parallel zum Flussufer und wandern nun durch den Rheinauenpark, unterqueren einerseits die Autobahn 562 und haben gleichzeitig den aromatischen Duft von Picknickplätzen in der Nase, schauen den Kindern beim Ballspielen zu und kommen an einen Bismarckturm vorbei. Der Rheinauenpark wurde 1979 zur Bundesgartenschau geschaffen und ist mit seinem Auensee auch heute noch ein beliebtes Ausflugsziel, nicht zuletzt auch aufgrund seiner Lage direkt am Rhein. An seinem Ufer wandern wir dem Lauf des Wassers entgegen, winken den Kapitänen zu und gehen weiter bis zur Martin-Luther-King-Straße. Dort biegen wir rechts ab und wenden uns an der Kreuzung erneut nach rechts. Die Wohnsiedlung zu unserer Linken im typisch amerikanischen Baustil mit breiten Straßen und großen Vorgärten ist eine ehemalige HICOG-Siedlung.

Der High Commissioner of Germany, auf Deutsch Hoher Kommissar in Deutschland, war eine Amtsbezeichnung des höchsten Vertreters der westlichen Siegermächte. Die Alliierte Hohe Kommission hatte ihren Dienstsitz in den Jahren nach Kriegsende auf dem rechtsrheinischen Petersberg (siehe Route 16, S. XX) und bestand bis zum Jahr 1955.

Für die zahlreichen Beschäftigten und Angehörigen der Dienststelle ließ man drei sogenannte HICOG-Siedlungen in Plittersdorf, Tannenbusch und Muffendorf errichten. Nach Auflösung der Kommission wurde die hiesige Plittersdorfer Siedlung von Angehörigen der amerikanischen Botschaft bewohnt und hatte eine eigene Infrastruktur mit Kraftwerk, Kirche und American High School.

Rechter Hand befindet sich die Bonn International School, die die ehemalige amerikanische High School der HICOG-Siedlung ersetzt. Ihr gegenüber biegen wir links ab und wandern zwischen den Wohnhäusern entlang bis zur nächsten Straße. Wir wenden uns auch hier wieder nach rechts, gehen über den Zebrastreifen und auf einem kleinen Weg zwischen den Häusern durch. In der Europastraße halten wir uns schließlich links, erreichen die Kennedyallee, folgen ihr an den Flaggenmasten des Deutschen Akademischen Austauschdienstes vorbei bis zum Langen Grabenweg.

Wer nach so viel Geschichte noch mehr Informationen sammeln möchte, hat die Möglichkeit an der Ahrstraße einen kleinen Abstecher nach links zu machen, um das dortige Deutsche Museum Bonn zu besuchen. Wir jedoch biegen nach rechts in den Langen Grabenweg ein und folgen diesem bis zu unserem Ausgangspunkt, der Brandenburger Straße, bzw. ein kleines Stück weiter geradeaus zur Haltestelle.

Michael Moll

Hier schreibt Reisejournalist Michael Moll.

Ich bin Autor von mehr als 100 Reiseführern, unter anderem beim National Geographic, und erstelle Artikel in Fachzeitschriften. Außerdem bin ich Betreiber und Besitzer des Wohnmobilstellplatzes am Barockschloss in Nordkirchen im südlichen Münsterland.

Bundesweit halte ich Multimedia-Präsentationen über verschiedene Reisethemen und zu guter Letzt konnte ich einen Fahrradweltrekord für das Guinnessbuch der Rekorde aufstellen.


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