Der Harz befindet sich in Schottland, genauer gesagt auf den Äußeren Hebriden. Zumindest kam es mir an einer Stelle so vor, als ich 2015 mit dem Wohnmobil durch Schottland reiste und dabei eben auch mit der Fähre zu den Äußeren Hebriden übersetzte.

Diese sehr abseits gelegene Inselgruppe erstreckt sich nordwestlich des schottischen Festlands und besteht aus zahlreichen Inseln, die durch Fähren, Brücken und Dämmen miteinander verbunden sind. North Uist ist eine dieser Inseln und ziemlich zentral innerhalb der Inselgruppe gelegen. Wie die meisten Inseln der Äußeren Hebriden ist North Uist eigentlich recht rauh, kahl und unwirtlich.

Die Insel ist außerdem überwiegend flach und mit zahlreichen Seen überzogen. Kurz gesagt, ein Baum würde also auffallen. Ein ganzer Wald erst recht. So einen Wald sahen wir dort, als wir vom Hafenort Lochmaddy über die Straße ins Inselinnere fuhren und auf der linken Seite einen kleinen Wanderparkplatz fanden.

Dieser Wald mit dem Namen Langass Woodland ist so gewöhnlich und überaus normal, wenn man sich in deutschen Mittelgebirgen auskennt und wohlfühlt. Doch auf den Äußeren Hebriden ist Langass Woodland extrem auffällig und passt so gar nicht ins Bild. Kein Wunder, der Wald wurde künstlich angelegt. Die ersten Bäume pflanzte man als wissenschaftliches Experiment Ende der 1960er-Jahre.

Erweitert wurde das Gebiet in den 1990er-Jahren und im Jahrzehnt darauf legte man einen kleinen Wanderweg durch den Wald an und machte diesen damit für Besucher zugänglich. Heute gilt Landass Woodland als Naherholungsgebiet und wird auch zur Wissensvermittlung über mitteleuropäische Wälder genutzt.

Doch wir reden hier über einen sehr kleinen Wald, denn er bringt es gerade einmal auf eine Länge von 600 Metern und ist dabei nur 100 Meter breit. Wie komme ich also bei dieser Größe dazu, ihn mit dem Harz zu vergleichen? Ganz einfach durch die Vegetation. Befindet man sich auf diesem sehr schön angelegten Waldweg, so sieht man kaum mehr etwas von der ansonsten kargen Landschaft der Insel.

Man ist von hohen Nadelbäumen umgeben, es riecht genau danach und an einem Abzweig kann man sogar dem kurzen Stück eines Wurzelwegs folgen. Die Illusion vom deutschen Wald innerhalb eines Nationalparks ist perfekt.

Stempeln wie im Harz
Und hinzu kommt noch die Tatsache, dass man auf dem kurzen Spaziergang durch Langass Woodlands Stempel sammeln kann. Ganz im Stil der Harzer Wandernadel wandert man an mehreren Stempelkästen vorbei, in denen man mit unterschiedlichen Stempeln ein Stempelheft füllen kann. Ein Stempelheft hatten wir nicht, aber ein Blatt Papier. Und wer mich kennt, der weiß, dass ich ein großer Fan der Harzer Wandernadel bin und es mir dann auch nicht entgehen lasse, im hintersten Winkel Schottlands ebenfalls Stempel einzusammeln.

Hercules, der Grizzlybär
In einer kleinen Wanderhütte, die es am Waldrand gibt, wurden wir über die Motive der Stempel aufgeklärt. Denn diese zeigten untere anderem einen Bären, Tatzen, einen Hubschrauber und noch mehr Bilder, die hier gar nicht in die Landschaft passen zu schienen. Doch Langass Woodland wirkt nicht nur ungewöhnlich auf North Uist, sondern birgt auch noch eine weitere ungewöhnliche Geschichte.

Die Geschichte handelt von Hercules, dem Bären. Dieser Grizzlybär lebte gezähmt in einer britischen Familie und wurde mehrmals als Statist in verschiedenen Filmen und Werbespots eingesetzt, unter anderem im James Bond-Film Octopussy. Er schaffte es sogar auf das Titelbild vom Time-Magazin. Hercules war in den 190er-Jahren eine Berühmtheit.

Auf den Spuren des Bären im Langass Woodland
Bei den Dreharbeiten zu einem Werbespot im Jahr 1980 hatte es der Grizzlybär aber anscheinend leid, den Schauspieler zu geben. Irgendwie verständlich. Das Set befand sich auf der Insel Benbecula, südlich von North Uist. Dort brach der Bär Hercules aus und war für über drei Wochen nicht mehr gesehen. Mit Hubschraubern und zahlreichen Freiwilligen hielt man wochenlang nach dem Bären Ausschau, denn die Inselbevölkerung war ein wenig beunruhigt. Allerdings verabscheute Hercules rohes Fleisch, weil er es nicht gewohnt war. Daher hatte er auch die Hälfte seines Körpergewichts verloren, als man ihn letztendlich wieder entdeckte.

Bei seiner Flucht streifte er eben auch das damals noch wesentlich kleinere Langass Woodlands, weshalb man ihm zu Ehren eine Bärenskulptur im Wald aufstellte und einige Wanderstempel nun Bilder aus seiner Fluchtgeschichte darstellen. Als wir später die Insel verließen, lasen wir in einer kostenlosen Inselzeitschrift, die auf der Fähre auslag, dass der Gedenkstein für Hercules gerade erst wenige Tage zuvor unter musikalischer Begleitung von Dudelsackspielern ganz frisch gesetzt wurde.

Alles in allem haben wir auf der ansonsten baumlosen Insel einen kleinen Wald mit interessanter Geschichte und einem Wanderweg, auf dem man Stempel einsammeln kann. Diesen sollte man sich bei einem Besuch auf North Uist nicht entgehen lassen.
Pingback: Wanderung im Glen Coe in Schottland | Die Weltenbummler
Pingback: Straßenpässe mit Wohnmobil - Ofenpass | Die Weltenbummler