Mit dem Wohnmobil durch das Baltikum – Von Šiauliai nach Liepāja

Šiauliai – Liepāja
Entfernung: ca. 237 km, ohne Abstecher.
Strecke: Straße 154 bis Naujoji Akmenė – Straße 156 – Nebenstraße durch Akmenė – Straße 155 bis Mažeikiai – Straße 163 bis zur Landesgrenze – Straßen P106 und P107bis zur A9 – A9 über Skrunda bis Liepāja.
Alternativroute: Hinter Skrunda P117 bis Aizpute – P112 bis zur A4.
Reisedauer: Mindestens ein Tag.
Höhepunkte: Stadtbesichtigung von Liepāja***.

Route: Wenn wir am Campingplatz in Šiauliai rechts abbiegen, folgen wir einfach der Beschilderung auf der Straße 154 Richtung Naujoji Akmenė. Dabei passieren wir nordwärts die Orte Gruzdžiai und Kruopiai bevor wir auf die Straße 154 treffen, die uns in die Nähe von Naujoji Akmenė bringt. 6 km später in Richtung Westen gelangen wir zur Straße 156. Dort geht es links weiter Richtung Venta oder nach rechts in die Stadt Naujoji Akmenė.  ●

Es gibt nicht viele Gründe, in Naujoji Akmenė einen längeren Aufenthalt einzuplanen. Die Stadt aus dem 16. Jahrhundert bietet neben der St. Annakirche einen botanischen Garten sowie eine Zementfabrik. Touristisch ist der Ort eher unspektakulär.

Route: Die 156 verlassen wir nach rund 15 Kilometern auf der rechten Seite und durchqueren den kleinen Ort Akmenė. Die schmale Landstraße bringt uns am Fluss Dabikinė entlang zur Straße 155. Dort geht es nach rechts in die Stadt Mažeikiai. ●

Ähnlich wie Naujoji Akmenė ist auch Mažeikiai kaum der Rede wert. Das einzig Sehenswerte hier sind die Wälder um die Stadt herum, die bis nach Lettland hinein reichen. Leider sind hier noch keine Wanderwege angelegt. Vielleicht wird sich das aber in Zukunft ändern.

Route: Auf der Straße 163 geht es geradewegs nach Norden zum kleinen Grenzort Ezere, der sich bereits auf lettischer Seite befindet. Gleich hinter dem schmalen Grenzübergang biegen wir links ab Richtung Grobiņa. 3 km auf dieser Schlaglochstrecke geht es bis zu einem Abzweig nach rechts (Skrunda). Es folgt eine Schotterpiste bis zum kleinen Ort Pampaļi, die jedoch gleich dahinter weitergeht. Nach rund 40 km haben wir die A9 zwischen Liepāja und Rīga erreicht, an der wir links abbiegen und in Skrunda eintreffen. ●

Diese Region Lettlands nennt sich Kurland bzw. auf Lettisch Kurzeme. Es ist der westlichste Teil des Landes und umfasst die bei Touristen beliebten Bezirke Liepāja, Kuldīga, Ventspils, Talsi, Saldus und Tukums. In der Region findet man noch heute einige Grabmäler aus Wikinger-Zeiten.

Kurland ist eine der historischen Landschaften Lettlands und nach den einstigen Bewohnern, den Kuren benannt. Diese Volksgruppe existiert heute jedoch nicht mehr, anders hingegen das Volk der Liven. Livland ist ebenfalls eine historische Landschaft Lettlands sowie Estlands und lag seinerzeit nördlich des Flusses Daugava. Kurland hingegen lag südwestlich der Daugava und reichte bis an die Ostseeküste. Kurland wurde im 13. Jahrhundert von den Rittern des Schwertbrüderordens unterworfen und stand damit unter deutscher Adelsherrschaft. In den folgenden Jahrhunderten gab es mehrere Kriege und Machtkämpfe. So wurde das Land nach der polnisch-litauischen Union geteilt, später versuchten die Russen die Einnahme der Regionen und auch die Schweden mischten kräftig mit. In Folge dieser Auseinandersetzungen brach die Ordensregierung zusammen. Herzog Jakob Kettler führte nun Kurland und das sogar mit viel Erfolg. Diese kleine Region wurde nicht nur innenpolitisch stark sondern führte Handelsbeziehungen bis nach Portugal und versuchte sogar Kolonien in Tobago und Guinea aufzubauen. 1737 starb die Dynastie der Kettler jedoch aus und es dauerte nicht lang bis zur so genannten dritten polnischen Teilung nach der die Region als deutsche Provinz an Russland fiel. Liven leben heute noch einige wenige an der Rīgaer Bucht, die damals zu Kurland gehörte.

Die Küste von Kurzeme ist rund 360 km lang und reicht von der lettisch-litauischen Grenze bis kurz vor Jūrmala. Doch Uferlinien hat die Region tatsächlich wesentlich mehr, denn über 200 Seen befinden sich in Kurland, von denen einige zu früheren Zeiten Buchten des Meeres waren und durch Versandung zu Lagunenseen wurden.

Route: In Skrunda fahren wir gemütlich die rund 70 km in das westlich gelegene Liepāja über die A9. ●

Das Dorf Līva ist unser nächstes Etappenziel. Zumindest wenn es nach Ansicht der 87.000 „Dorfbewohner“ geht. Denn sie bezeichnen die Stadt Liepāja liebevoll als Dorf. So lautete das Motto des Stadtfestes im Jahr 2003 denn auch „750 Jahre des Dorfes Līva“. Der Ort Līva, später auch Libawe und Libau genannt, war für kurze Zeit in der Geschichte Lettlands auch Hauptstadt des Landes. Die Einwohner Liepājas machen davon allerdings kein großes Aufheben. Dennoch, Liepāja ist eine Stadt, die drittgrößte des Landes und darf sich bereits seit dem Jahr 1625 als solche bezeichnen. Zu dem Zeitpunkt war die Stadt sogar Heimathafen einer der wichtigsten und größten europäischen Handelsflotten, der Grund hierfür war im Winter zu sehen – der Hafen blieb eisfrei. Heute hat der Hafen im Seehandel an Bedeutung verloren, doch die Ortschaft hat nun etwas anderes zu bieten. Lange Sandstrände, die mit der Blauen Flagge ausgezeichnet wurden und damit eine saubere Wasserqualität vorweisen können.

Auf Grund der Stadtgröße ist es nicht schwierig in Liepāja einen Parkplatz zu finden. In den zahlreichen kleinen Straßen sind überall Parkplätze mit Parkscheinautomaten angelegt. Empfehlenswert ist es, in der Nähe der St. Joseph-Kathedrale (Šv. Jāzepa Katedrāle, 1) zu parken.

Nicht weit von der Kirche entfernt erstreckt sich der Petermarkt bzw. Pētertirgus (2). Auf diesem Platz fanden bis zum Jahr 1792 Hinrichtungen statt, heute ist es ein gern besuchter Ort, um Obst und Gemüse zu kaufen. In der Nähe des Platzes befinden sich zwei Kirchen und südlich davon das Okkupationsmuseum (K. Ukstina 7/9, 3). Dieses klärt über die schwierige Zeit der Einwohner während der Sowjetära auf und befindet sich in der K. Ukstiņa iela (geöffnet Mi, Do, Sa und So 10 – 18.00 Uhr, Fr 11 – 19.00 Uhr, Eintritt frei).

Die bereits erwähnte St. Josephskathedrale wurde im 19. Jahrhundert errichtet, war nach Fertigstellung jedoch wesentlich kleiner und erhielt ihr heutiges Aussehen im Laufe der Zeit durch zahlreiche Anbauten. Gut zu erkennen ist dies innerhalb der Kirche, wo sich auf der linken Seite ein Altar befindet. Dieser wurde in der Anfangszeit als Hauptaltar genutzt. In der damaligen Zeit hing über diesem Altar das Modell eines Schiffes, eine für küstennahe Kirchen typische Tradition. Viele Kapitäne hängten vor oder nach einer schwierigen Seefahrt ein Modell auf.

Die zweite Kirche in der Nähe des Petermarktes ist zugleich das älteste sakrale Gebäude in der Stadt. Sie wurde im Jahr 1587 erbaut, war jedoch nicht die erste Kirche an der Stelle. Schon Anfang desselben Jahrhunderts war von einer St. Annakirche (Annas baznīca, 4) die Rede, die jedoch im Jahr 1560 zerstört wurde. Doch auch hier hat sich im Laufe der Jahrhunderte viel verändert. Das Schiff wurde Ende des 19. Jahrhunderts im neugotischen Stil umgebaut und auch der 60 m hohe Kirchturm wurde erst später ergänzt. Für beides ist der Berliner Architekt Max Paul Bertschi verantwortlich. Das Innere der Kirche ist eindrucksvoll. So ist dort die drittgrößte Orgel des Landes zu finden, eine der beiden größeren ertönt ebenfalls in Liepāja, dazu später mehr. Des Weiteren beherbergt die Kirche einen barocken Holzaltar aus dem 17. Jahrhundert mit einer Breite von rund 5 m und einer Höhe von fast 10 m.

Vom Petermarkt aus gehen wir über die Eduarda Veidenbauma iela nach Osten und biegen in die Bariņu iela ein. Nach rund 200 m sehen wir ein kleines Holzblockhäuschen mit einem steilen Ziegeldach. Es wird in der Bevölkerung auch als „Peters Häuschen“ (5) bezeichnet, da hier im Jahr 1697 Zar Peter I. bei einem Aufenthalt in der Stadt nächtigte. Weitere Häuser aus der Zeit sind die ehemalige Theaterkneipe „Nāves ēnā“ oder das Haus des Handwerks an der Ecke der Kungu iela (Nummer 26, geöffnet Mo – Fr 9 – 17.00 Uhr). Dort werden zahlreiche Gegenstände der Handwerkskunst gezeigt und angeboten.

Weitere Geschäfte, jedoch modernerer Art, finden sich auf dem Platz Kuršu, früher auch Krämerladenplatz genannt. Während sich im 18. Jahrhundert zahlreiche kleine und traditionelle Läden dort befanden, sieht man heute auch das erste Rockcafé des Landes, auf das die Einwohner besonders stolz sind. Denn es bietet nicht nur Live-Musik und hat im Sommer fast rund um die Uhr geöffnet, vielmehr liegt es daran, dass es in dem „Dorf“ Liepāja eröffnet wurde und eben nicht in der Hauptstadt Rīga.

In diesem Zusammenhang sei auch erwähnt, dass die Musik mittlerweile ein großes Thema in der Stadt ist. Überall im Stadtgebiet verteilt, sieht man Skulpturen von überdimensionalen Musikinstrumenten wie zum Beispiel das Schlagzeug in Strandnähe oder die E-Gitarre vor eben dem Rockcafé. Gleich gegenüber befinden sich drei Dutzend Betonsockel auf denen jeweils eine Bronzeplatte befestigt wurde. Dieser „Walk of Fame“ erinnert an verstorbene und noch lebende Musiker aus Lettland. Zudem hat sich das Touristenbüro in jüngster Zeit einen Stadtrundgang mit dem Motto „Liepāja – wie nach Noten!“ ausgedacht und gibt Faltblätter aus, mit denen man den Notenbezeichungen do-re-mi-fa-sol-la durch die Straßen folgt.

Der bereits besuchte Petermarkt war gewissermaßen Zufluchtsort für die Markthändler, die bis zum Jahr 1910 hier auf dem Rosenplatz (Rožu laukums, 6) ihren Geschäfte nachgingen. Dieser Rosenplatz liegt etwas weiter nördlich vom Krämerladenplatz. Grund für den Wechsel auf den anderen Marktplatz war der Beschluss, aus dem Rosengarten eine Grünfläche zu gestalten, was auch gelungen ist. Zwischen den zahlreichen Rosenstöcken liegen Steintafeln mit den Namen der Partnerstädte Liepājas.

Vom Rosenplatz aus, sehen wir bereits das Hotel „Līva“. Das Touristenbüro (7) ist mittlerweile vom Hotelgebäude schräg gegenüber in ein anderes Haus umgezogen und wurde gleichzeitig modernisiert. Gehen Sie am Hotel vorbei und Sie erreichen auf der gleichen Straßenseite die wichtigste Kirche der Stadt, die Hl. Dreifaltigkeitskirche (Sv.Trīsvienības katedrāle, 8), geöffnet täglich von 10 – 18.00 Uhr.

In ihr befindet sich die bereits erwähnte größte Orgel der Stadt, die zweitgrößte des Landes. Bis zum Jahr 1912 war sie mit 7.000 Pfeifen sogar die größte der Welt. Gebaut wurde sie 1885 von der Stettiner Orgelbauanstalt Grüneberg. Seit dem Jahr 2002 wird das Gotteshaus durch Studenten der Technischen Universität restauriert. Ein erster Abschnitt konnte zwei Jahre später erfolgreich abgeschlossen werden. Hauptsächlich geht es darum, die Figuren und Skulpturen der mit Ornamenten verzierten Inneneinrichtung der Kirche zu säubern und zu konservieren. Heute finden oft Gottesdienste mit deutschen Kirchengemeinden statt, wohl auch deshalb weil das Gotteshaus in der Mitte des 18. Jahrhunderts für die deutsche Kirchengemeinde gebaut wurde.

Weitere deutsche Spuren finden wir beim Verlassen der Kirche. Gehen Sie in die Skolas iela, dort finden Sie das lettische Theater (9), das nach dem Ersten Weltkrieg in das Gebäude des deutschen Theaters einzog. An der Seite finden Sie das dazugehörige Theatercafé „Būt vai nebūt“. Gelegentlich kann man dort einen der Schauspieler antreffen.

Ebenfalls eine mit Deutschland verbundene Vergangenheit hat das heute leer stehende Haus eine Straße weiter. In der Zeit der Sowjetbesetzung wurde es als Sportzentrum genutzt, doch bis zum Jahr 1915 war in dem Gebäude ein Waisenhaus untergebracht. Die Unternehmer Witte und Huecke, deren Ahnen aus Deutschland stammten, verfügten in ihrem letzten Willen, dass ihr Vermögen für den Bau dieses Waisenhauses eingesetzt wird. Geprägt waren die beiden Freunde durch die Schicksalsschläge von Lorenz Joachim Huecke. Direkt nach der Geburt verstarb sein erstes Kind und fünf Jahre später sein zweites. Im selben Jahr musste er auch seine Frau zu Grabe tragen.

Vom Waisenhaus aus können Sie übrigens das älteste orthodoxe Gotteshaus der Stadt sehen. Das gelb-weiße Haus stammt aus dem Jahr 1867. Wenn wir nun zurück zu Hl. Dreifaltigkeitskirche gehen, überqueren wir dort die Hauptstraße und gehen geradeaus über den Kūrmājas prospekts. Dort steht ein weiteres Gebäude aus der Hand von Max Paul Bertschi. Es handelt sich um die Ausstellung der Kunst und Geschichte, welches schlicht in Liepāja Museum (10) umbenannt wurde (geöffnet Mi, Do, Sa und So 10 – 18.00 Uhr, Fr 11 – 19.00 Uhr, Eintritt frei). Es zeigt in den Ausstellungssälen rund 3.000 Kunstgegenstände. Daneben informiert es anschaulich über die deutsche Geschichte innerhalb Liepājas.

Gehen wir auf dem Kūrmājas prospekt weiter in Richtung Strand, so gelangen wir zu dem Platz, auf dem sich das Kurhaus befand. Auch dieses wurde von Bertschi errichtet, brannte 1937 vollständig ab und wurde nicht mehr aufgebaut. Es wird vermutet, dass es sich um Brandstiftung handelte, doch geklärt werden konnte es nie. Der Kūrmājas prospekt war im Übrigen in früheren Zeiten eine Vorzeige-Promenade, wo man gerne wohnte oder die man zumindest den auswärtigen Besuchern präsentierte. Zahlreiche Villen und Einfamilienhäuser von betuchten Familien standen hier nebeneinander.

Zum letzten Gebäude, das die Handschrift Bertschis trägt, kommen wir, wenn wir durch den Strandpark flanieren. Dieser wurde im Jahr 1870 angelegt und beherbergt heute auf 50 ha Fläche über 140 verschiedene Baum- und Straucharten. Inmitten des Parks ist die alte Badeanstalt zu sehen. Diese von Bertschi erbaute Anlage wurde von Zar Alexander II. finanziert und ersetzte mit seinem dorischen Stil ein älteres Badehaus. Das heute leer stehende Gebäude enthielt in besseren Zeiten ein Meerwasserbad mit warmem Wasser, einige Heilschlammbäder und eine römische Sauna. Schließlich kann man auf der Promenade die so genannte Bernstein-Uhr sehen. Sie entstand im Zusammenhang mit der 750-Jahrfeier der Stadt, als die Bürger Bernstein sammelten, zusammentrugen und diesen in eine überdimensionale Sanduhr füllten.

Mein Tipp!
Eine weitere Möglichkeit, die Stadt zu erkunden, schlägt ebenfalls die Touristeninformation der Stadt vor. Sie hält einen Prospekt über die Straßenbahnlinie bereit, mit der man von Endhaltestelle zu Endhaltestelle fahren kann. Dabei passiert die Linie fast alle wichtigen Sehenswürdigkeiten der Stadt, die in dieser Broschüre beschrieben werden.

Außerhalb des Stadtkerns befindet sich eine weitere Sehenswürdigkeit bzw. ein Viertel, das einen kurzen Besuch wert ist. Karosta (11), was nichts anderes als Kriegshafen bedeutet, liegt im Norden der Stadt und gilt als eigenständiges Viertel. Es besitzt eine eigene Infrastruktur und sogar ein eigenes Kraftwerk. Doch bei einer Fahrt durch Karosta kann einem der Gedanke kommen, ausgerechnet jetzt bitte keine Autopanne zu haben. Es mögen Vorurteile sein, doch es ist wahrscheinlich sicherer, das eigene Auto nicht in Karosta alleine stehen zu lassen, sondern mit einer der Buslinien 3, 4 oder 8 anzureisen. Die dortigen Plattenbauten stehen nach Abzug der Russen teilweise leer, sehen schmuddelig aus und vermitteln einen unheimlichen Eindruck. Mittlerweile findet man hin und wieder aber zwischen den Plattenbauten kleine, moderne Einfamilienhäuser. Rund 7.500 Menschen wohnen noch in Karosta, bis zum Jahr 1994 waren es rund viermal so viele. Dennoch sollte man sich nicht abhalten lassen, auch diesen Teil der Stadt und der Geschichte zu besichtigen. Karosta hat einige historische Baudenkmäler und eine interessante Geschichte. Alexander III. erteilte den Befehl, an dieser Stelle einen Hafen anzulegen. Sein Sohn, Zar Nikolaus II, schlug wiederum vor, diesen Hafen nach seinem Vater zu benennen. Daher hieß Karosta in früheren Zeiten „Hafen des Imperators Alexander III.“, doch dieser Name verschwand nach der ersten Unabhängigkeit Lettlands ganz schnell von den Landkarten.

Der Stadtteil wird geographisch vom Rest Liepājas durch den Karostas Kanal abgetrennt. Noch vor wenigen Jahren konnte man zur Überquerung eine drehbare Eisenbrücke aus dem Jahr 1906 benutzen. Sie wurde nach einer Sprengung im Ersten Weltkrieg wieder aufgebaut und funktionierte noch bis kurz vor dem einhundertjährigen Jubiläum, doch dann wurde sie von einem Schiff gerammt und wird seitdem repariert. Daher muss man momentan die Brīevības iela (A9) Richtung Rīga nutzen und später rechts in die Cukura iela einbiegen. Am Kreisverkehr rechts und immer geradeaus kommen wir automatisch an den alten Plattenbauten vorbei und landen in einer Sackgasse, wo sich auf der linken Seite das orthodoxe Kirchengebäude der St. Nikolaus-Kirche (Sv. Nikolaja Pareizticīgi Jūras Katedrāle, 12) erhebt. Dieses Bauwerk, dessen Grundstein im Jahr 1910 von Zar Nikolaus II. gelegt wurde, kommt ganz ohne Pfeiler aus und wird nur von den Außenwänden getragen.

Karosta verfügt über eine Mole (13), die 1,8 km in das Meer hinein ragt und bis zu 7 m breit ist. Diese erreichen wir über einen Gang auf dem Atmodas bulvāris. Nördlich der Mole sind noch Ruinen einer Festungsanlage zu entdecken, die um die Wende zum 20. Jahrhundert errichtet wurde und noch vor dem Ersten Weltkrieg gesprengt wurde. Dieses verwinkelte Bauwerk ist heute bei Hobby-Höhlenforschern sehr beliebt und war während der Sowjetzeit gesperrt, obwohl es zu dem Zeitpunkt bereits eine Ruine war. Man vermutet, dass alle Einrichtungen dieser Festung mit einem einzigen unterirdischen Gang verbunden sind, der bis heute nicht gefunden werden konnte.

Nicht weit davon entfernt, in Richtung defekter Drehbrücke, gelangen wir zum einzigen Schulungszentrum für Taucher innerhalb des Baltikums. Wenig später erscheint das Versammlungshaus der Marineoffiziere. Beide Gebäude stammen aus den Anfängen des 19. Jahrhunderts. Das Versammlungshaus wurde in der Vergangenheit auch vom russischen Adel und vom Roten Kreuz genutzt. Diese richteten darin ein Tuberkulosesanatorium ein.

Zur Erholung in Karosta diente das Naherholungsgebiet Beberliņi (14). Zahlreiche Wanderwege verlaufen durch den Wald und an mehreren Seen vorbei, auf denen man Tretboot fahren kann. Mit 37 m Höhe erhebt sich am südlichen Waldrand ein Wasserturm aus dem Jahr 1905. Zum damaligen Zeitpunkt wurde dreimal am Tag Wasser in die Leitungen der Wohnhäuser gepumpt. Diese Arbeit, die einen Aufwand von zwei Stunden bedeutete, wird heute selbstverständlich mit herkömmlichen Wasserpumpen bewältigt.

Zum Schluss sei noch das Gefängnis (15) von Karosta erwähnt. Dieses erreichen Sie bei einem Gang über die Lazaretes iela. Ursprünglich diente das Gebäude als Krankenhaus, doch schon kurz nach der Eröffnung wurden hier die ersten Insassen eingesperrt. Doch nicht nur Freiheitsstrafen wurden in dem Gefängnis vollzogen, denn dort wo heute Garagen zu sehen sind, fanden früher Erschießungen statt. In den schmalen und oftmals überfüllten Zellen saßen einst Rebellen, später Fahnenflüchtige, die von der deutschen Wehrmacht eingesperrt wurden. Auch die Sowjetunion nutzte das Gebäude genauso wie die lettische Armee nach der Wiedererlangung der Unabhängigkeit. Die letzten Wandbemalungen innerhalb der Zellen stammen aus dem Jahr 1997. Doch das Bauwerk steht heute nicht leer, zumindest nicht ganz. Freiwillige haben die Möglichkeit, bei der Veranstaltung „Hinterm Gitter“ durch die Touristeninformation in die Rolle eines Gefangenen zu schlüpfen und sich einkerkern zu lassen. Erweitert wurde die Veranstaltung durch ein Rollenspiel namens „Flucht aus der UdSSR“. Etwas seltsam muten dabei die Werbebotschaften für das Spektakel an, die mit 150 erschossenen Gefangenen aufmerksam machen wollen.

Weitere Informationen zum Gefängnis gibt es unter Tel.: 63-69 47 0, per E-Mail: info(at)karostacietums.lv, Web: www.karostacietums.lv oder in der Tourismusinformation.

Praktische Hinweise – Liepāja
Touristeninformation, Rožu laukums 5/6, Tel.: 34-80 80 8, E-Mail: info(at)liepajaturisms.lv, Web: www.liepaja.lv/turisms. Öffnungszeiten: Mo – Fr 9 – 19.00 Uhr, Sa 10 – 17.00 Uhr, So 10 – 16 Uhr.
Feste und Folklore: Das Seefest in Liepāja findet in Verbindung mit den Seefesten weiterer kurländischen Orte am zweiten Juli-Wochenende statt. In der Silvesternacht findet in der Stadt immer ein Maskenumzug statt.
Restaurant Senču Sēta, Stendera iela 13, Tel.: 34-07 52 1, Öffnungszeiten Mo – Do 10 – 24.00 Uhr, Fr und Sa 10 – 03.00 Uhr, So 11 – 24.00 Uhr. Abwechslungsreiche Menüs in ruhiger Atmosphäre.
Restaurant „Pastnieka Māja“, Brīvzemnieka iela 53, Tel.: 34-07 52 1, Web: www.pastniekamaja.lv. Öffnungszeiten Mo – Do 12 – 24.00 Uhr, Fr 12 – 02.00 Uhr, Sa 11 – 02.00 Uhr, So 11 – 24.00 Uhr. Interessantes Lokal, das in seiner Speisekarte die Geschichte des Briefträger Arvīds enthält. Übersetzt heißt das Restaurant „Postbotenhaus“.
Rockcafé Pablo, Zivju iela 3, Tel.: 34-81 55 5. Web: www.pablo.lv. Größtes Musik- und Unterhaltungszentrum von Kurland, im Sommer hat es 24 Stunden geöffnet.
Internetcafé Tīkls, Peldu iela 32/34, Tel.: 34-27 50 3. Rund um die Uhr geöffnet.
Hotel Roze, Rožu iela 37, .Tel.: 34-21 15 5, Fax. 34-21 25 5, E-Mail: info(at)parkhotel-roze.lv, Web: www.parkhotel-roze.lv. Direkt am Strandpark gelegen, befinden sich in dem privat geführten, schönen Haus 10 komfortable Zimmer mit Kabel-TV. Im Haus befinden sich eine Sauna und ein Café mit einer Aussichtsterrasse.
Hotel Līva***, Lielā iela 11, Tel.: 34-20 10 2, Fax: 34-80 25 9, E-Mail: liva(at)apollo.lv, Web: www.liva.lv. Das zentralste Hotel der Stadt liegt direkt am Rosenplatz und beherbergt zugleich die Touristeninformation gegenüber der Rezeption. Die 100 Zimmer in den vier Etagen sind sauber, modern und komfortabel. In der Ausstattung sind sie aber genauso unterschiedlich wie der Preis.
Hotel Fontaine, Jūras iela 24, Tel.: 34-20 95 6, E-Mail: hotel(at)fontaine.lv, Web: www.fontaine.lv. Das Hotel befindet sich auf der Verlängerung der Villenpromenade Kūrmājas prospekts. Das zweigeschossige Haus bietet moderne Zimmer mit Kabel-TV, DVD-Player, Internetanschlussmöglichkeit, Telefon, eine Sauna, eine Bar und bietet sogar die Möglichkeit sich einen Oldtimer auszuleihen.
Jugendherberge AVS jauniešu mītne, Ventspils iela 51, Tel.: 34-42 07 4.
Jugendherberge, im erwähnten Gefängnis Karosta, Invalīdu iela 4, Tel.: 2-63 69 47 0, E-Mail: info(at)karostascietums.lv, Web: www.karostascietums.lv. 50 Schlafplätze in 15 Zellen (!) bietet diese außergewöhnliche Unterkunft. Komfort darf man angesichts der gefängnistypischen Etagenbetten aus Metall nicht erwarten. Für Schülergruppen gibt es auf Wunsch sogar nur Holzbretter, die auf dem Boden liegen. Wer will, kann auch bei der Übernachtung in die Rolle eines Häftlings schlüpfen – allerdings nur nach Voranmeldung und der Einverständniserklärung, dass man beleidigt werden kann und dass Strafmaßnahmen angewendet werden dürfen.

Camping Ērgļi, Nīcas pagasts, Tel.: 34-60 85 3. Kleiner Campingplatz (1 ha) mit Stromanschlüssen für Wohnmobile. Er befindet sich rund 15  km südlich von Liepāja kurz vor dem kleinen Ort Bernāti, direkt an der A11, Mindestausstattung.
Camping Gaiļi, Nīcas pagasts, Tel.: 34-30 56 9. Ebenfalls bei Bernāti liegt dieser Campingplatz. Er ist größer als Ērgli und bietet auf einer großen Wiese und in einem schattigen Waldbereich (1,5 ha) Platz für rund 40 Wohnmobile. Die Sanitäreinrichtungen sind zwar einfach, aber sauber. Beide Plätze sind nur 5 Gehminuten vom Strand entfernt. Geöffnet ist der Platz von Juni bis September, einfache Standardausstattung.
Camping Vērbeļnieki, Pērkone, Tel.: 29-13 85 65, E-Mail: verbelnieki(at)inbox.lv, Web: www.verbelnieki.lv. Schön angelegter Platz rund 5 km südlich von Liepāja. Am Weiler Pērkone in Richtung Ostseeküste bzw. nach Vērbeļnieki abbiegen. Mehrere Wiesen für Stellplätze, einfaches und bei viel Betrieb zu kleines Sanitärgebäude – jedoch sauber. Zugang zum Strand ist direkt gegeben, mehrere Picknick- und Grillplätze sowie eine überdachte Holzterrasse.
Wohnmobil-Stellplatz, südlich der oben erwähnten Campingplätze befindet sich nahe des Ortes Jūrmalciems der Bauernhof von Uldis Hartmanis. Er bietet 20 Stellplätze auf Wiese für ca. € 8 für WC, Strom und Frischwasser. Von der Straße A11 geht vor der Ortschaft Nīca rechts ein Schotterweg zu dem Platz.

ALTERNATIVROUTE

Route: Über Schotter- und Schlaglochpisten, aber noch ein wenig ruhiger, führt von Skrunda aus etwas weiter nördlich die Straße 117 durch Kazdanga nach Aizpute und von dort die Straße P112 zurück auf die A9 kurz vor Grobiņa, wo wir letztendlich rechts nach Liepāja abbiegen. ●

Kazdanga besteht hauptsächlich nur aus kleinen Wohnhäusern, sowie einem Schloss aus dem Jahr 1907. Bei diesem handelt es sich jedoch nicht um das Originalgebäude aus dem Jahr 1800, es fiel im Jahr 1905 einem Brand zum Opfer. Leider verfällt dieses zusehends, obwohl es von einem schönen Park umgeben ist, in dem zahlreiche fremdländische Baumarten wachsen.

Gleich zwei Burgen stehen in Aizpute. Zum einen gibt es eine Burg, die komplett aus Holz besteht und für deren Bau kein einziger Nagel verwendet wurde. Und andererseits ist da noch die Ruine der Ordensburg aus dem 13. Jahrhundert. Doch ihr heutiges Äußeres stammt überwiegend aus dem 16. bis 17. Jahrhundert. 11 Kilometer nordwestlich von Aizpute präsentiert sich in Apriķi eine einfach aussehende evangelische Kirche. Doch im Inneren überrascht sie mit einem prächtigem Altar, einer Kanzel sowie einer Orgelempore, die mit zahlreichen Holzschnitzereien versehen sind.

Praktische Hinweise – Aizpute
Touristeninformation, Skolas iela 1, Tel.: 96-23 28 4, Fax: 34-48 95 6, E-Mail: aizpute(at)aizpute.lv. Öffnungszeiten Mo – Fr 10 – 13.00 Uhr und 14 – 17.00 Uhr.

Michael Moll

Hier schreibt Reisejournalist Michael Moll.

Ich bin Autor von mehr als 100 Reiseführern, unter anderem beim National Geographic, und erstelle Artikel in Fachzeitschriften. Außerdem bin ich Betreiber und Besitzer des Wohnmobilstellplatzes am Barockschloss in Nordkirchen im südlichen Münsterland.

Bundesweit halte ich Multimedia-Präsentationen über verschiedene Reisethemen und zu guter Letzt konnte ich einen Fahrradweltrekord für das Guinnessbuch der Rekorde aufstellen.


Die Weltenbummler – ältester deutschsprachiger Reiseblog (seit 2000)

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Kleine Rechenaufgabe Die Zeit für die Eingabe ist abgelaufen. Bitte aktivieren Sie das Captcha erneut.