„Eiffelturm des Ruhrgebietes“, „Kathedrale der Arbeit“, „schönste Zeche der Welt“ – unabhängig von der Bezeichnung, interessant und sehenswert ist die Zeche Zollverein allemal. Daher werden wir sie besichtigen und uns von der enormen Größe des Areals beeindrucken lassen. Mit der Bahn wurde einstmals Abraum und Kohle befördert. Auf einer dieser ehemaligen Bahntrasse folgen wir städteübergreifend den Spuren des Bergbaus und können von unserem Ziel, der Halde Rheinelbe, mit einem tollen Panorama auf die „Ikone der Industriekultur“ zurückblicken.
Der folgende Text stammt aus meinem nicht mehr erhältlichen Reiseführer „20 Wanderungen in und um Essen“. Die Angaben können daher veraltet sein.
Gleich an der Haltestelle Zollverein begrüßt uns die bekannteste Sehenswürdigkeit des Ruhrgebietes, das Weltkulturerbe Zeche Zollverein mit seinem Doppelbockgerüst.
Der Name Zollverein stand Mitte des 19. Jahrhunderts für eine Freihandelszone von 14 deutschen Staaten. Der Duisburger Industrielle Franz Haniel benannte die Zeche im Essener Norden nach dieser Freihandelszone. Der Erfolg der Zeche wuchs rasant. Im ersten Jahr der Kohleförderung wurden 13.000 Tonnen Kohle gefördert. Im Jahr 1932, als Schacht XII eröffnet und damit alle anderen Schächte geschlossen wurden, betrug die Förderung rund 12.000 Tonnen – täglich! Damit war Zollverein die größte Zeche des Ruhrgebiets.
Doch auch vor Zollverein machte das spätere Zechensterben nicht Halt. Einen Tag vor Heiligabend im Jahr 1986 wurde der Betrieb eingestellt. Schon im darauffolgenden Jahr beschloss man, die Zeche kulturell zu nutzen und umzugestalten. Mit Erfolg, denn 15 Jahre nachdem Schicht im Schacht war, adelte die Unesco die Zeche mit dem Welterbetitel.
Ausgangspunkt der Wanderung ist das Weltkulturerbe
Wir beginnen unsere Wanderung mit einem Rundgang über das Zechengelände und gehen durch das Tor geradewegs auf das Wahrzeichen von Zollverein, den 55 Meter hohen Förderturm zu. Direkt dahinter befinden sich das Besucherzentrum und das Ruhrmuseum.
Auffällig ist die in Orange leuchtende Rolltreppe, die uns zum Eingang der ehemaligen Kohlenwäsche empor bringt. Dort, wo im letzten Jahrhundert die geförderte Kohle von sonstigen Gesteinsmassen getrennt wurde, befindet sich seit dem Jahr 2010 das Ruhrmuseum (vormals Ruhrlandmuseum in Essen-Rüttenscheid). Auf vier Ebenen präsentiert das Museum in einer Dauerausstellung Geschichte, Natur und Kultur des Ruhrgebiets. Damit ist es wohl das wichtigste Museum der Region.
Wir aber wenden uns vor dem Förderturm nach rechts und gehen zwischen zwei langgestreckten Gebäuden bis zu einem Weg. Vor uns erhebt sich im ehemaligen Kesselhaus ein weiteres bedeutendes Museum, das red dot design-Museum.
Das internationale Siegel für Designqualität nennt sich red dot und ist – wie der Name verrät – ein roter Punkt. Vergeben wird er für besonders gutes oder kreatives Design. Das ehemalige Kesselhaus von Zollverein ist zwar nicht mit einem dieser roten Punkte versehen, beherbergt jedoch eines der beiden red dot design-Museen, die es weltweit gibt; das Pendant steht in Singapur. 1.500 mit einem red dot ausgezeichnete Produkte aus allen Sparten werden hier veröffentlicht. Dabei wird nicht zwischen Auto oder Küchenmesser unterschieden.
Museumsmeile auf dem Zechengelände
Vor dem Gebäude biegen wir nach links ab und haben noch die Möglichkeit im Casino Zollverein eine kleine Stärkung zu uns zu nehmen. Vor dem Lokal wenden wir uns nach rechts und passieren den Parkplatz. Dabei erblicken wir vor uns ein weiteres Fördergerüst. Es handelt sich um den Schacht 1/2/8, somit also die älteste Schachtanlage auf dem Gelände der Zeche Zollverein.
Linker Hand erheben sich in einiger Entfernung wie an einer Perlenschnur die Schornsteine der Kokerei Zollverein, wo auch das Café Kokerei Zollverein zu finden ist. Um es zu besuchen, folgen wir der Ausschilderung zur Kokerei.
Über 300 Öfen erzeugten aus der geförderten Kohle der benachbarten Zeche Koks. In Spitzenzeiten waren auf der Kokerei bis zu 1.000 Menschen beschäftigt. Die Kokerei nahm ihre Arbeit Mitte des letzten Jahrhunderts auf und erzeugte mehr als 8.000 Tonnen Koks täglich. Sie war noch einige Jahre nach Schließung der Zeche tätig und schloss ihre Pforten erst im Jahr 1993. Obwohl Kokerei und Zeche zwei verschiedene Industrieanlagen sind, werden sie als Gesamtes wahrgenommen. Denn auch die Kokerei wurde in die Liste der Weltkulturerben aufgenommen.
Wir aber gehen noch ein Stückchen weiter, wenden uns vor dem Schacht 1/2/8 nach rechts in Richtung Gelsenkirchener Straße. Wir kommen am würfelartigen, sogenannten Sanaagebäude vorbei, das 2003 von einem japanischen Architektenbüro entworfen wurde. Mit der ungewöhnlichen Anordnung der Fenster lässt es uns über die Anzahl der Stockwerke im Dunkeln. Heute dient das Sanaagebäude zu Repräsentationszwecken der Folkwang-Universität und wird voraussichtlich ab dem Jahr 2012 den Fachbereich Gestaltung beherbergen.
Zu Besuch an den Schächten der Zeche Zollverein
Wir überqueren als Erstes die Gelsenkirchener Straße und folgen auf der anderen Straßenseite dem Rad- und Wanderweg links neben dem ehemaligen Schrankenwärterhäuschen. Nur 200 Meter weiter überqueren wir noch die Schonnebeckhöfe und verlassen die Asphaltstrecke, indem wir den halbrechts abzweigenden Schotterweg nutzen. Fortan sind wir für längere Zeit abseits vom Straßenverkehr. Die Wegeführung ist recht einfach und ein Verlaufen ist unmöglich, da wir uns nun auf dem Zollvereinweg, einer ehemaligen Bahntrasse der Zeche Zollverein befinden. Die Gleise sind natürlich schon lange entfernt, nur gelegentlich taucht noch am Wegesrand ein Kilometerstein aus dem Unterholz auf.
Wenn wir die erste Brücke passieren sehen wir rechter Hand schon den Förderturm des Schachtes 3/7/10. Dort haben wir auch die Möglichkeit, im Café Zollverein einzukehren oder die Phänomania zu besuchen.
Der Förderturm des Schachtes 3/7/10 befindet sich etwas über einen Kilometer von Schacht XII entfernt. Das zeigt uns, wie groß das Grubenfeld von Zollverein einst war.
Gleich gegenüber vom Förderturm befindet sich das ehemalige und heute unter Denkmalschutz stehende Fördermaschinenhaus. In ihm ist seit 1996 das Erfahrungsfeld zur Entfaltung der Sinne untergebracht. Ein Teil davon ist die Phänomania genannte naturwissenschaftliche Ausstellung. Wobei Ausstellung nicht der richtige Begriff ist, denn im Phänomania gilt das Prinzip Anfassen und Ausprobieren. Eine Wasserklangspritzschale und sich drehende optische Scheiben sind nur zwei der hier angebotenen Stationen, an denen man der Naturwissenschaft auf den Grund gehen darf.
Wanderung auf dem Zollvereinweg
Wir setzen unsere Wanderung fort und überqueren in der folgenden Rechtskurve drei weitere Straßenbrücken. Eine Informationstafel unterrichtet uns über die Siedlungsgemeinschaft „Königreich Beisen“. Der Name leitet sich von Binsen ab, einem Gewächs, welches hier früher das Landschaftsbild prägte. Nach langen Rechtskurve wandern wir in grüner Umgebung – allerdings wegen der Bahndämme mit wenig Sicht – genau neben der Stadtgrenze zu Gelsenkirchen zu unserer Linken.
Erst nach einer Unterquerung weitet sich linker Hand der Ausblick, und am Horizont können wir hinter einem Feld bei guter Sicht schon unser Ziel, die Halde Rheinelbe, ausmachen. Noch ist es allerdings ein gutes Stück bis dahin, auf dem wir weitere Brücken zu überqueren haben, unter anderem auch eine Brücke über den Schwarzbach. Wenn wir wenig später auf eine T-Kreuzung stoßen, biegen wir nach rechts ab. Damit verlassen wir den Zollvereinweg und befinden uns nun auf der ehemaligen Bahntrasse der Kray-Wanner Bergwerksbahn.
Die Bahnstrecke verband die Ortsteile Essen-Kray mit dem ehemaligen Hauptbahnhof von Wanne-Eickel, welches vor dem Zusammenschluss mit Herne als Großstadt galt. Die Trasse verband zudem die Bahnstrecken der Zollvereinbahn mit der Erzbahntrasse auf Bochumer Gebiet. Mit der Stilllegung der Kokerei Zollverein 1993 wurde der Betrieb auf allen drei Strecken eingestellt und die Trassen wurden zu Rad- und Wanderwegen umgestaltet.
Von der Zeche Bonifacius zum Mechtenberg
Auf der Trasse der Kray-Wanner Bahn sehen wir vor uns, hinter einem großen Lagerplatz für Neufahrzeuge, einen weiteren Förderturm. Dieser gehört zur Krayer Zeche Bonifacius, die Mitte des 19. Jahrhunderts abgeteuft wurde. Ein Jahrhundert später wurde sie mit der Bochumer Zeche Holland zusammengelegt, und kurz darauf schlossen sich beide der Zeche Zollverein an. Die Schachtanlage wird aber bis heute als Zeche Bonifacius bezeichnet.
Hinter einer Eisenbahnunterführung verläuft die Kray-Wanner Bahntrasse weiter geradeaus, wir aber biegen nach links in ein Industriegebiet ab. Im Industriegebiet wandern wir halblinks die Straße hinab, queren die Straße Am Mechtenberg und folgen geradeaus dem Wanderweg, der uns auf den Mechtenberg hinaufführt. Nach rund 300 Metern erreichen wir den Abzweig nach links zum aus Basaltlava bestehenden Bismarckturm auf dem Gipfel des Berges. Dieser wurde im Jahr 1900 mit Hilfe von Spenden errichtet und hat eine Höhe von fast 17 Metern. Von seinem Standpunkt aus hat man einen schönen Fernblick auf unser nächstes Ziel, die Halde Rheinelbe.
Nach dem Abstecher zum Turm gehen wir den Weg weiter, biegen jedoch an der nächsten Möglichkeit nach rechts ab. Wir befinden uns bereits mitten im Naturschutzgebiet Mechtenberg, das mit einer Größe von 30 Hektar das größere von zwei Naturschutzgebieten im gleichnamigen Landschaftspark Mechtenberg ist. Wir bleiben im Naturschutzgebiet, auch wenn wir unbemerkt die Stadtgrenze nach Gelsenkirchen überschreiten.
Ankunft an der Halde Rheinelbe
Wir queren eine verschnörkelte Fußgängerbrücke aus Metall. Diese musste zu Beginn des Jahres 2010 leider für lange Zeit aus Sicherheitsgründen gesperrt werden, da unbekannte Diebe in einer Nacht- und Nebelaktion das gesamte Geländer gestohlen haben. Schon bald nach der Brücke treffen wir auf eine Skulpturengruppe aus Basalt, an der wir scharf rechts abbiegen und, beinahe in entgegengesetzter Richtung wandernd, auf die Krayer Straße stoßen. Wir haben nun den Landschaftspark verlassen und folgen rund 100 Meter der Krayer Straße nach links, bis wir wieder auf die Bahntrasse der Kray-Wanner Bahn treffen, die auf diesem Teilstück asphaltiert ist. Wir biegen links auf die asphaltierte Trasse, die uns schnurgerade über die Leithestraße führt. Dahinter, direkt nach einem Informationsschild halten wir uns rechts und wandern auf einem Serpentinenweg auf die Halde Rheinelbe zu.
Die Halde Rheinelbe entstand in den Jahren 1928 bis 1999 durch die Anhäufung des Abraums der gleichnamigen Zeche Rheinelbe. Sie ist eine der wenigen Halden des Ruhrgebietes, die als brennende Halde bezeichnet werden kann, da sich im Inneren durch Selbstentzündung Glutnester bildeten, die eine Temperatur bis 400 °C haben.
Wie auf fast jeder Ruhrgebietshalde befindet sich auch hier eine weithin sichtbare Landmarke, die aus Betonblöcken gefertigte, knapp zehn Meter hohe, sogenannte Himmelstreppe.
Wenn wir die Halde verlassen, biegen wir an der Leithestraße nach rechts ab und erreichen nach wenigen Metern auf Gelsenkirchener Stadtgebiet die Bushaltestelle Halfmannsweg, von der aus wir wieder zurück zu unserem Ausgangspunkt an der Zeche Zollverein gelangen.