Wandern rund um Bonn – Unterwegs bei Hennef

Kein Tinnef in Hennef
Der Wald raschelt, die Vögel zwitschern und wir Wanderer sind mittendrin

Pkw/Parken: Parkplatz in der Stoßdorfer Straße, Hennef
ÖPNV: Ab Hennef Bahnhof mit den Buslinien 527 und 529 bis Haltestelle Helenenstift
Rundweg: Ca. 8,8 Kilometer/2,5–3 Stunden
Streckenprofil: Überwiegend breite Waldwanderwege
Einkehr: Restaurant Katakombe Hennef, Geistinger Platz 1, 53773 Hennef, Tel. (0 22 42) 91 52 66; Forum El Greco, Geistinger Platz 1, 53773 Hennef, Tel. (0 22 42) 86 87 66
Am Wegesrand: Hennef; Haus Ölgarten; ehem. Synagoge Geistingen

Die gemütlichen Fachwerkhäuser von Hennef lassen wir hinter uns, nutzen einen sanften Aufstieg in den nahe gelegenen Forst und erfreuen uns der frischen, uns entgegenströmenden Waldluft. Einsame Wege teilen wir uns mit neugierigen Hasen, die dennoch ängstlich vor uns weghoppeln, wenn wir uns federnd auf dem weichen Waldboden annähern. Das raschelnde Blätterwerk über unseren Köpfen gibt uns Schutz vor der Sonne, die wir zwischendurch an einigen Lichtungen erblicken können, und begleitet uns bis Geistingen.

Durch die Stoßdorfer Straße wandern wir leicht bergauf am Parkplatz vorbei. Gleich zu Beginn der Route haben wir die Qual der Wahl, ob wir uns im Restaurant Katakombe oder im benachbarten Forum El Greco für die Wanderung stärken wollen oder uns lieber erst durch den Ausflug Appetit verschaffen möchten. Gegenüber den beiden Lokalen wandern wir nach rechts in die Geistinger Straße, um uns zunächst auf den Weg zu machen, Hennef zu verlassen.

Stadt der 100 Dörfer, diesen Beinamen trägt die 105 Quadratkilometer große Stadt Hennef (Sieg). Das kleinste Hennefer Dorf heißt Liesberg und ist Heimat für gerade mal 2 Einwohner. Hennef wurde im Jahr 1075 als Hannafo zum ersten Mal schriftlich erwähnt. Doch will man exakt sein, so muss man zunächst die Ortschaft Geistingen erwähnen, von der man bereits seit dem 9. Jahrhundert weiß. Denn Geistingen ist nicht nur eines der vielen Dörfer, aus denen Hennef besteht, sondern war früher auch Hauptort der Region mit eigener Gemeinde und eigenem Gericht. Die alte Pfarrkirche St. Michael wurde im 12. Jahrhundert erbaut und war damit bis zu ihrer Zerstörung im Zweiten Weltkrieg eines der ältesten Gebäude Hennefs. Berühmt wurde Hennef 1883, als die Hennefer Industriepioniere Reuther und Reisert die Chronoswaage erfanden, die als erste eichfähige, selbsttätige Waage der Welt das Wiegen von Schüttgütern automatisierte.

Zunächst spazieren wir durch ein ruhiges Wohnviertel mit teilweise rustikalen Fachwerkhäusern und erreichen nach kurzer Zeit eine schmale Kapelle. Wir halten uns rechts und biegen nur wenig später an einem Bildstock links in die Bonner Straße ein. Die verkehrsarme Straße durchwandern wir bis zum Ortsausgangsschild von Hennef. In der Ferne erkennen wir halbrechts vor uns die sich stolz erhebende Abtei Michaelsberg (siehe Route 13, S. XX). Zwischen rot-weißen Absperrpfosten hindurch führt uns der Weg hinter einer Kiesgrube durch eine Linkskurve und dann sanft bergauf auf den vor uns liegenden Forst zu. Auf einem Schotterweg wandern wir in den Wald hinein und entscheiden uns an der ersten Gabelung für den linken Pfad. Leicht kurvig bringt er uns unter dem dichten Blätterwerk zu einer weiteren Gabelung, an der wir dieses Mal rechts abbiegen. Nach einer weiten Linkskurve wenden wir uns an der nächsten Möglichkeit nach links und gelangen so nach kurzer Zeit auf einen breiten Waldweg. Auf dem leicht ansteigenden Weg wandern wir nun nach links, halten nach den im Wald lebenden Tieren Ausschau und passieren einen hölzernen Unterstand. Er führt uns geradeaus über zwei Kreuzungen hinweg bis zu einer T-Kreuzung, an der wir auf dem wurzeligen Weg nach links durch den dichten Mischwald wandern. An einer großen Lichtung treffen wir abermals auf eine asphaltierte T-Kreuzung und wenden uns auf den Weg nach links, der uns nach wenigen Metern in den Weiler Haus Ölgarten führt.

Haus Ölgarten ist eines der vielen Dörfer, aus dem Hennef besteht. Es hatte bei Drucklegung dieses Buches 16 Einwohner und besteht lediglich aus zwei Wohnhäusern. Selbstständig war Haus Ölgarten nie, bis 1934 gehörte der Weiler als sogenannter Wohnplatz zur Gemeinde Geistingen, die mittlerweile Teil Hennefs ist. Nicht weit von Haus Ölgarten entfernt befindet sich das Naturdenkmal der Fossillagerstätte Rott, benannt nach der angrenzenden Ortschaft Rott. Vor rund 25 Millionen Jahren befand sich an der Stelle ein See, in dem Flora und Fauna einst in den Schlammschichten versanken. Die erste Versteinerung wurde im Jahr 1789 entdeckt und war maßgeblich mitverantwortlich dafür, dass die Fossillagerstätte Rott unter Paläontologen weltweit bekannt ist. Die Funde zeigten Wasserfrösche, Laubmoose, über 600 Insektenarten, Riesensalamander und selbst ein Urnashorn. Ein Teil der Fundstücke wird im Naturhistorischen Museum im kalifornischen Los Angeles präsentiert.

Auf dem Sieghöhenweg passieren wir in einer Rechtskurve einen kleinen Wanderparkplatz und erreichen das zweite Wohnhaus von Haus Ölgarten. Dass die Bewohner von Haus Ölgarten anscheinend humorvolle Menschen sind, beweist das selbst angebrachte Verkehrsschild, welches man nur beim Zurückblicken sehen kann. Drei Wege zweigen am zweiten Gebäude ab, von denen wir uns für den rechten entscheiden. Doch schon an der nächsten Gabelung wandern wir auf einem breiten Schotterpfad halblinks, lassen Feldmäusen und ängstlichen Hasen den Vortritt und den Golfplatz des Golfclubs Rhein-Sieg rechts liegen. Hinter einer Linkskurve folgen wir an einer Kreuzung dem nach links führenden Asphaltweg, der uns mit einigen schönen Ausblicken auf den südlichen Hennefer Ortsteil Geistingen sanft wieder hinab führt.

Nach dem Ortseingangsschild genießen wir den Blick auf liebevoll gepflegte Vorgärten und erkennen nach kurzer Zeit etwas weiter unten schon die St. Michaelkirche.

Bevor wir uns jedoch an den restlichen Abstieg machen, sollten wir hinter der abzweigenden Hermann-Levy-Straße einen kleinen Abstecher nach rechts wagen, um die dortige Gedenkstätte der ehemaligen Synagoge zu besuchen.

Eine kleine jüdische Gemeinde gab es bereits im 14. Jahrhundert in der Ortschaft Blankenberg, doch erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde eine Synagoge errichtet. Fast 90 Juden lebten im Jahr 1911 in den Weilern Geistingen, Rott, Hennef, Warth und Weldergroven. Nach der Zerstörung der Synagoge während der der Naziherrschaft wurden die meisten von ihnen in Konzentrationslager deportiert. 1979 errichtete man einen Gedenkstein an der Stelle des einstigen jüdischen Gotteshauses. Eine Zeichnung an einer Informationstafel hilft dabei, die Umrisse des damaligen Bauwerkes gut zu erkennen.

Nach Verlassen des Platzes der ehemaligen Synagoge wandern wir wieder bergab, passieren eine hübsche Kapelle zu unserer Rechten und später die stattliche St. Michaelkirche aus der Mitte des 20. Jahrhunderts. Sie ersetzt eine romanische Pfarrkirche aus dem 12. Jahrhundert, welche kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges zerstört wurde. An der Gaststätte Glocke gehen wir schließlich vorbei und sehen von hier aus bereits den Parkplatz, den wir in wenigen Augenblicke erreichen.

Michael Moll

Hier schreibt Reisejournalist Michael Moll.

Ich bin Autor von mehr als 100 Reiseführern, unter anderem beim National Geographic, und erstelle Artikel in Fachzeitschriften. Außerdem bin ich Betreiber und Besitzer des Wohnmobilstellplatzes am Barockschloss in Nordkirchen im südlichen Münsterland.

Bundesweit halte ich Multimedia-Präsentationen über verschiedene Reisethemen und zu guter Letzt konnte ich einen Fahrradweltrekord für das Guinnessbuch der Rekorde aufstellen.


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