Wandern rund um Bonn – Im Zentrum vom Kottenforst

Das Zentrum vom Kottenforst
Auf geraden Wegen durch den idyllischen Wald

Pkw/Parken: Parkstreifen am Fahrbahnrand der Servaisstraße, Witterschlick
ÖPNV: Mit der Regionalbahn 23 ab Bonn Hbf. bis Bahnhof Witterschlick
Rundweg: Ca. 8,1 Kilometer/2,5–3 Stunden
Streckenprofil: Ebene Wanderung mit Schotter- und Asphaltstrecken, für Kinderwagen geeignet
Einkehr: leider keine Einkehrmöglichkeit
Am Wegesrand: Witterschlick; Gedenkkreuz; Hubertusstein; Bundesverteidigungsministerium

Rechts und links des Wegs knackt es im Wald. War es ein Reh, das unvorsichtig auf einen Zweig trat, oder doch eine Amsel auf Sammeltour für das Nest ihrer Nachkommen? Die Lösung befindet sich im Kottenforst, einem der größten Forste des Bundeslandes, und die dortigen Fichten, Tannen, Eichen und Buchen stehen Spalier, wenn wir zu einer Wanderung auf teilweise schnurgeraden und ruhigen Waldwegen aufbrechen. Und wer im nördlichen Kottenforst nicht nur entspannt, sondern sich aufmerksam umschaut, wird möglicherweise herausfinden, wer für das Knacken verantwortlich ist.

Der Servaisstraße folgen wir zunächst bergauf und gelangen zum S-Bahnhof Witterschlick, an dem die mit dem ÖPNV angereisten Wanderer zu uns stoßen.

Der kleine Ort Witterschlick liegt am Rande des Kottenforstes und ist Teil der Gemeinde Alfter, die wiederum zum Rhein-Sieg-Kreis gehört. Erstmalig erwähnt wurde Witterschlick im Jahr 965 als witer Schlick, also weißer Schlick. Vermutet wird, dass damit die hier vorkommenden Tonarten gemeint sein dürften, die den kleinen Ort prägen. Die Deutsche Steinzeug AG beherbergt in Witterschlick ein großes Werk, welches sich mit der Herstellung von Keramikprodukten beschäftigt. Dabei ist der Name der Firma Programm, denn mit Steinzeug bezeichnet man Tonwaren, die bei der Verbrennung verglasen. Diese Verglasung erfolgt in der Regel bei Temperaturen zwischen 1200 und 1300 °C. Dass das Unternehmen nun ausgerechnet in Witterschlick einen Standort besitzt, hängt mit weiteren Tonmineralvorkommen zusammen, die die Gebrüder Braun im Jahr 1890 zufällig entdeckten.

Am Bahnübergang wenden wir uns nach links und gehen nur wenige Meter bergauf. Wir wenden uns nach links in das beschauliche Wohnviertel und folgen der ruhigen Straße bergauf bis zu einer T-Kreuzung. Wir biegen nach rechts ab, passieren das Ortsausgangsschild und betreten ein Landschaftsschutzgebiet. Vor einem kleinen Bildstock zu unserer Linken führt uns ein kleiner Trampelpfad nach links quer über die Wiese bis zum Waldrand des Kottenforstes.

Wir folgen dem kurvigen und gut erkennbaren Weg, bis wir an einem Baum ein Reitverbotsschild sehen. An diesem wenden wir uns nach rechts und folgen dem ausgetretenen Pfad. Scheinbar alleine gelassen mit den friedlichen Bewohnern des idyllischen Waldes, gelangen wir zu einer Wegekreuzung, an dem ein etwas größerer Waldweg unsere Route quert. Wir aber bleiben geradeaus auf dem malerischen, schmalen Weg. Er mündet in einen asphaltierten Weg, an dem wir links abbiegen. Nach nur wenigen Metern stehen wir vor einem Gedenkkreuz für Hans-Dieter Lehmacher.

Was mag geschehen sein, fragt man sich oft, wenn man ein Holzkreuz wie dieses sieht. Untermauert wird diese Frage meistens durch Daten oder Widmungen, die in das Kreuz graviert sind und zum Mutmaßen anregen. Besonders, wenn es sich, so wie hier, um ein Kind handelte, welches schon vor sehr langer Zeit verstarb – an einem idyllischen Ort wie diesem. Hans-Dieter Lehmacher, geboren am 8. Oktober 1944, machte am 24. Februar 1951 mit seiner Großmutter einen Spaziergang durch den ruhigen Kottenforst. Es war ein Samstag, der für diese frühe Jahreszeit viel zu warm war. Trotzdem waren die Bäume noch kahl, die Knospen der Pflanzen fest verschlossen und der von hier aus sichtbare Fernsehturm existierte noch nicht. Die Idylle des Spaziergangs wurde plötzlich von einem lauten Donnerschlag unterbrochen. Das Geräusch der Explosion hallte noch lange nach, der 6-jährige Hans-Dieter bekam dies jedoch nicht mehr mit. Er war schon tot, nachdem er die Explosion versehentlich auslöste, indem er auf eine Sprengmine trat. Die Wehrmacht hatte gegen Ende des Zweiten Weltkrieges zahlreiche offene Munitionsdepots und Minen im Kottenforst hinterlassen, um sich gegen die anrückende amerikanische Armee zu verteidigen. Schon im April 1945 kam es nur wenige Meter entfernt zu einem Unglücksfall, bei dem drei Jugendliche beim Holzsammeln ebenfalls auf diese tragische Weise ums Leben kamen. Die Entminung des Waldes dauerte zwar noch lange an, ist aber bereits seit vielen Jahren erfolgreich beendet.

Noch kreisen unsere Gedanken um das Schicksal der jungen Menschen, wenn wir nach einiger Zeit eine Kreuzung mit dem sogenannten Hubertusstein erreichen. Er befindet sich etwas versteckt zu unserer Linken und wurde 1973 anlässlich der 1000-Jahr-Feierlichkeiten des Kottenforstes aufgestellt. Wir wandern durch den Mischwald geradeaus und verlassen an der nächsten Kreuzung (BP mit Route 04) den Asphaltweg nach links, um den Schotter unter unseren Schuhen zu spüren. Der Weg verläuft durch eine weite Linkskurve und die nahe Autobahn wird deutlich hörbar, bevor sie wieder zu einem fernen Rauschen wird, während wir an einer T-Kreuzung rechts abbiegen. Nur wenige hundert Meter sind es, auf denen wir Pilze im Unterholz und Moose an den Bäumen beobachten, bis wir schon bald an einer Koppel stehen, wo uns die Pferde wiehernd begrüßen und wir nach links abbiegen.

Am Abzweig zum Brüser Berg bleiben wir zwar weiter geradeaus, können aber zur Rechten die Ummauerung eines ehemaligen Schießstandes sehen. Dies wäre auch die Richtung, um in kurzer Zeit zum Bundesverteidigungsministerium auf der berühmten Hardthöhe zu gelangen.

Die Gebäude des Bundesverteidigungsministeriums, oft auch schlicht als Hardthöhe bezeichnet, wurden ab 1960 bezogen. Es ist für die Verteidigung der Bundesrepublik Deutschland zuständig und unterstützt den Bundesminister der Verteidigung. Im Jahr 2011 beschäftigte das Ministerium rund 3200 Personen, davon über 1300 Beamte, fast genauso viele Soldaten und über 600 Zivilisten. Die Hardthöhe ist Hauptdienstsitz der Behörde, einen zweiten Dienstsitz erhielt das Ministerium nach der Wiedervereinigung im Bendlerblock in Berlin. Wie lange dies so bleiben wird, ist ungewiss. Erst im Herbst 2010 kamen Gerüchte auf, dass das Ministerium komplett nach Berlin ziehen würde, die der damalige Verteidigungsminister zu Guttenberg jedoch zurückwies. Als Pendant zum Bundesverteidigungsministerium gab es in der DDR das Ministerium für Nationale Verteidigung. Dieses wurde im April 1990 in Ministerium für Abrüstung und Verteidigung umbenannt, bevor es wenige Monate später im Zuge der Deutschen Einheit in das Bundesverteidigungsministerium integriert wurde.

Witterschlicker Allee heißt die schmale Asphaltstraße, auf der wir ein letztes Mal die frische Waldluft genießen und dem Vogelgezwitscher der Kottenforster Waldbewohner lauschen, bevor sie uns nach Witterschlick hineinführt. Ob sich an Fuchs- und Hasenweg Fuchs und Hase gute Nacht sagen, ist nicht belegt, aber beim Blick auf das gemütliche Wohnviertel durchaus denkbar. Ohne auf die beiden Tiere zu warten, verläuft unsere Wanderung zunächst bergab, auf der Querstraße nach links und kurz darauf wieder in der sanft ansteigenden Servaisstraße bergauf. Die Pkw-Fahrer haben damit bereits ihren Ausgangspunkt erreicht. Wanderer die per Zug anreisten, gehen nur noch ein kleines Stück geradeaus weiter und gelangen zum S-Bahnhof Witterschlick.

Michael Moll

Hier schreibt Reisejournalist Michael Moll.

Ich bin Autor von mehr als 100 Reiseführern, unter anderem beim National Geographic, und erstelle Artikel in Fachzeitschriften. Außerdem bin ich Betreiber und Besitzer des Wohnmobilstellplatzes am Barockschloss in Nordkirchen im südlichen Münsterland.

Bundesweit halte ich Multimedia-Präsentationen über verschiedene Reisethemen und zu guter Letzt konnte ich einen Fahrradweltrekord für das Guinnessbuch der Rekorde aufstellen.


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