Wanderung zum Heißen Stein an der Mosel

Wunderbare Ausblicke genießen wir vom Heißen Stein. Doch keine Sorge, wir verbrennen uns nicht die Finger, sondern spazieren durch gepflegte Weinberge oberhalb der Mosel entlang und beobachten die Arbeit der Winzer. Das einzige, was heiß wird, sind die Reifen auf einer Motocrossstrecke, an der Motorsportfreunde ebenfalls auf ihre Kosten kommen. Und mit etwas Glück begegnen wir unterwegs sogar einer heißen – Verzeihung – einer waschechten Weinkönigin.

Der folgende Text stammt aus meinem nicht mehr erhältlichen Reiseführer „Wanderungen an der Mittelmosel“. Die Angaben können daher veraltet sein.

Den Parkplatz am Moselufer lassen wir im Rücken und wenden uns der Brücke zu, unter der wir die Treppen hinauf steigen. Dort werfen wir zunächst einen Blick auf die Wand mit den Hochwassermarken und stellen uns vor, wie es beim Moselhochwasser im Jahr 1993, der höchsten Markierung, ausgesehen haben muss.

Weinberge an der Mosel
Weinberge an der Mosel

Moselhochwasser

Der Dezember des Jahres 1993 begann so, wie man sich einen Dezember vorstellt: Tiefdruckgebiete bestimmten die Wetterverhältnisse, und in den Höhenlagen fiel Schnee. Doch gegen Mitte des Monats gewann eine Westwetterlage die Oberhand und brachte viel Regen und sehr milde Temperaturen, die den Schnee schmelzen ließen. Der Dauerregen ab dem 19. Dezember und das Schmelzwasser ließen die Pegel ansteigen. Der Pegel Trier – normal ist dort eine Höhe von 3,20 Metern – erreichte seinen Höchststand mit 11,28 Metern in den Abendstunden des 21. Dezember. Dieses Rekordhochwasser verursachte beträchtliche Schäden und nahm in den Folgetagen nur sehr langsam ab. Ölfässer konnten dem Wasserdruck nicht Stand halten, ganze Wohnviertel mussten evakuiert werden. Jede Ortschaft im Tal der Mittelmosel meldete Land unter.
Das Hochwasser der Mosel, die bei Koblenz in den Rhein mündet, verschärfte zudem die Situation in den rheinabwärts liegenden Städten Bonn und Köln.

Direkt neben der Brücke haben wir die Möglichkeit, uns für die Wanderung auf der Terrasse des Restaurants Saloon zu stärken. Hinter dem Restaurant biegen wir gleich in die erste Straße nach rechts und lassen den Fluss hinter uns. Es geht leicht aufwärts, an der kleinen Touristeninformation vorbei und direkt dahinter nach links in die Dorfstraße. Kopfsteinpflaster unter unseren Füßen und über unseren Köpfen Weinreben, die zwischen den Häusern hängen – so wandern wir langsam durch den ruhigen Ort. Im Dachgiebel angebrachte Wappen verweisen auf alteingesessene Handwerksbetriebe und Traktoren vor strahlenden Fachwerkbauten auf Winzerbetriebe.

Kirche in Reil
Kirche in Reil

Historische Kanonenbahn an der Mosel

Am Ende der Dorfstraße bewundern wir die historischen Arbeitsgeräte der Winzer, die kunstvoll an einer Hauswand zu unserer Linken hängen, biegen jedoch nach rechts ab. Schon nach wenigen Metern haben wir zu unserer Linken den Kirchplatz mit der Dorfkirche. In ihrem Dachstuhl hält sich das Große Mausohr auf und sorgt für Nachwuchs. Diese größte einheimische Fledermausart, die ihre Jungen von Ende März bis Ende Juli aufzieht, erbeutet auf ihren nächtlichen Streiftouren, die bis Bernkastel-Kues reichen können, überwiegend Laufkäfer und Nachtfalter.
Zwischen den beiden Häusern oberhalb der Kirche wählen wir den schmalen Asphaltweg und steigen an seinem Ende die Treppenstufen hinunter. Damit unterqueren wir massive Steinbogenbrücke der sogenannten Kanonenbahn.

Schon Mitte des 19. Jahrhunderts gab es Überlegungen, die beiden Städte Koblenz und Trier mit einer Eisenbahnlinie zu verbinden, welche in ihrer Verlängerung bis Berlin reichen sollte. Nach dem Deutsch-Französischen Krieg wurden die Pläne in die Tat umgesetzt und die Eisenbahnlinie direkt bis ins lothringische Metz gebaut, welches nach dem Krieg an das Deutsche Reich angeschlossen wurde.
Die Streckenführung hatte weder eine wirtschaftliche, noch eine zivile Bedeutung. Gebaut wurde die rund 800 Kilometer lange Kanonenbahn einzig und allein aus strategischen bzw. militärischen Gründen, um Truppen aus dem Zentrum des Reichs schnell an die Außengrenzen befördern zu können.
Die 105 Kilometer lange sogenannte Moselstrecke zwischen Trier-Ehrang und Koblenz war bereits 1879 vollendet. Heute sind große Teile der Bahnstrecke stillgelegt bzw. nicht mehr vorhanden. Der Abschnitt zwischen Koblenz und Trier jedoch wird als Moselstrecke von der Deutschen Bahn befahren.

Ausblick auf Reil an der Mosel
Ausblick auf Reil an der Mosel

Weinköniginnen allerorten

Hinter der Brücke wenden wir uns nach links, wandern weiterhin bergan und halten uns an einer Gabelung rechts. Linker Hand sehen wir an einem Haus ein Hinweisschild auf die ehemaligen Weinköniginnen Ellen und Karen.

Die erste Pfälzer Weinkönigin Ruth Bachroth wurde 1931 von Daniel Meininger, dem Ideengeber für die Weinkönigin, persönlich ernannt. Alle folgenden Weinköniginnen wurden jedoch gewählt. Seit 1950 wählen die 13 Weinanbaugebiete in Deutschland ihre Anbauweinköniginnen, aus denen die Deutsche Weinkönigin gewählt wird. Die auf Platz 2 und 3 gewählten Vertreterinnen werden Weinprinzessinnen genannt. Traditionell repräsentiert die Weinkönigin während ihrer einjährigen Amtszeit im In- und Ausland den deutschen Wein. Die meisten Königinnen stammten bisher aus dem Weinbaugebiet Mosel, dicht gefolgt von denjenigen aus der Pfalz.
Darüber hinaus veranstalten aber auch viele Weindörfer ihre eigenen Königinnenwahlen. So waren die Königinnen Ellen I. und Karen I. die Ortsweinköniginnen von Reil.

Gemütliches Wandern in den Weinbergen

Das Königshaus lassen wir hinter uns und folgen dem kurvigen Pfad bergauf. Wir passieren die letzten Häuser von Reil, erreichen die Weinberge, halten uns an einer Gabelung halblinks und folgen dem auf dem Asphalt angebrachten Hinweis zum Café Am Heißen Stein. Unser asphaltierter Weg wird zum Schotterpfad und führt uns durch ein Waldstück. An einer T-Kreuzung biegen wir links auf einen Asphaltweg ab, halten uns nach kurzer Zeit an der folgenden Gabelung halbrechts und verlassen kurz darauf den asphaltierten Weg in einer Rechtskurve nach links. Über den Bäumen weht eine Europaflagge im Wind und macht uns neugierig.

Aussicht vom Heißen Stein
Aussicht vom Heißen Stein

Beim Näherkommen stellen wir fest, dass es sich um den Aussichtspunkt Heißer Stein handelt. Da er seinem Namen nicht gerecht wird – er ist weder heiß, noch ein Stein – und wir uns nach dem Aufstieg eine Pause verdient haben, nehmen wir auf einer der Holzbänke Platz und genießen die Aussicht. Vor uns im Tal fließt die Mosel von rechts nach links in das Bild. An den gegenüberliegenden Hängen sehen wir zahlreiche Weinberge. Und zur Linken, in einer Moselschleife, erkennen wir den mit 768 Metern längsten Hangviadukt Deutschlands. Wer will, darf die Anzahl der Bögen zählen – oder einfach weiterlesen: Es sind 92 an der Zahl.

Aussicht am Heißen Stein

Wir kehren dem Aussichtspunkt den Rücken zu und wandern auf einem Schotterpfad weiter an einer kleinen Kapelle vorbei und nach links in den Reiler Ortsteil Heißer Stein hinein. Wir kommen an liebevoll gepflegten Vorgärten hübscher Wohnhäuser vorbei. Eines davon beherbergt zu unserer Linken das kleine und gemütliche Café Am Heißen Stein. Dort  können wir uns bei einer kühlen Erfrischung von dem Aufstieg erholen.
Wir durchwandern zwei Rechtskurven und biegen dann an einem Briefkasten links ab, um unter duftenden Linden die Straße hinauf und an der nächsten Möglichkeit nach links zu gehen. Unser Blick streift über Wiesen und Felder bis weit in das südlich gelegene Moseltal hinein. Doch unsere Sinne werden von Motorengeräusch abgelenkt. Es wird immer lauter und entpuppt sich im nächsten Moment vor unseren Augen als rasantes Motorrad. Wir befinden uns an der Motocrossstrecke von Reil.

1658 Meter auf zwei Reifen über Buckelpisten, durch staubige Kurven und mit zahlreichen Luftsprüngen – so bewegt man sich in Reil fort. Schon seit Beginn der 1950er-Jahre drehen Motocrossfahrer auf einer Anhöhe oberhalb der Mosel ihren Gashahn auf. Motocrossmaschinen haben keine Straßenzulassung und werden ausschließlich als Sportgerät benutzt. Ähnlich wie bei der Formel 1 werden die Weltmeister in Wettbewerben an verschiedenen Austragungsorten ermittelt. Gewertet werden die Motorräder in verschiedenen Klassen, abhängig von der Motorenart und ihrem Hubraum.
Die kleine Ortschaft Reil rückt damit auf die internationale Bühne des Sportgeschehens. So wurde an diesem Ort doch schon oft ein Grand Prix ausgetragen.

Kleine Kapelle
Kleine Kapelle

Motocross an der Mosel

Wir lassen die Motorradfreunde alleine und wandern weiter geradeaus. Vor einigen Rebstöcken biegen wir links auf einen grasigen Weg ab. Von nun an wandern wir langsam, aber sicher wieder bergab, besonders ab dem asphaltierten Weg, der uns schon bald nach rechts führt. Wir genießen den Blick auf die kleine Ortschaft Burg auf der anderen Moselseite. Nach einer weiten Linkskurve gelangen wir an eine T-Kreuzung und wenden uns nach rechts auf einen Schotterweg. Mit etwas Glück sehen wir an der steinernen Wand eine sich sonnende Eidechse, bevor sie uns bemerkt und flink zwischen den Hohlräumen einer typischen Trockenmauer, die die Weinlagen abgrenzt, verschwindet. An einer Sitzbank vollziehen wir beinahe eine 180 °-Wende und wandern oberhalb der Weinberge, bis wir das Hinweisschild „Mosel.Erlebnis.Route“ erreichen.

Wir schwenken wiederum nach links und beobachten Girlitze, die aufgeregt von Rebstock zu Rebstock flattern. Den von einer hohen Mauer umgebenden Friedhof lassen wir links liegen, passieren das Ortseingangsschild und gelangen geradewegs wieder nach Reil. Wir nähern uns der bekannten Brücke der Kanonenbahn und unterqueren sie dieses Mal auf der Straße. Zwischen den Wohnhäusern wandern wir hinab und biegen schon bald an einem ehemaligen Haltepunkt der Kanonenbahn links ab. Am Moselufer können wir bei einem Gläschen Moselwein im Hotelrestaurant Reiler Hof mit Glück das Treiben einiger Nilgänse beobachten. Sie sind an ihrer charakteristischen Augenpartie gut zu erkennen. Kurz darauf unterqueren wir wieder die Moselbrücke und haben den Ausgangspunkt unserer Wanderung erreicht.

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Kleine Rechenaufgabe Die Zeit für die Eingabe ist abgelaufen. Bitte aktivieren Sie das Captcha erneut.