2000 – Arbeiten in Österreich

Ganz einfach, nachdem wir uns einigten, dass wir im April 2001 zu einer Europa-Radtour starten, haben wir überlegt, was wir bis dahin machen könnten. So kam es, dass wir uns eine nette eMail ausdachten in der wir uns kurz und knapp vorstellten und haben einige Hotels wahllos in Tirol mit eben dieser Mail “bombardiert”.

Große Auswahl an Arbeitsplätzen

Die Resonanz auf unsere Anfrage war so groß, dass wir uns wirklich die Rosinen rauspicken konnten. Der Arbeitskräftebedarf ist in der Wintersaison so enorm, dass man dort innerhalb weniger Tage eine Stelle bekommen kann. Bei zwei Personen ist es vielleicht sogar leichter, da man lediglich nur ein Zimmer in dem betreffenden Hotel belegt und diesem damit weniger zur Last fällt, denn freie Kost und Logis ist dort überall üblich. Überraschend war ein Anruf, den wir bekamen weil in der Zeitung “Ischgl intern” ein Arbeitskräfteangebot von uns zu lesen war, von dem wir selber nichts wussten. Wir nehmen an, dass die 2000_Arbeit_in_osterreich_02Zeitungsanzeige vom Touristeninformationszentrum auf Grund unserer eMail geschaltet wurde.

Die Arbeitszeit ist allerdings nicht so angenehm wie in Deutschland, sie liegt bei ca. 45 Stunden in einer 6-Tage-Woche und teilt sich auf in Vormittags- und Nachmittags-Arbeitszeit. Als Verdienst bekommt man in der Regel rund 14.000 ATS (ca. 2.000 DM/1.000 Euro) netto. Hinzu kommen die Trinkgelder, die nach Angaben eines anderen Hotels in etwa der gleichen Höhe liegen sollen. Zumindest wenn man im Service arbeitet und natürlich die Gäste zufrieden stellt. Möglichkeiten hat man in Österreich als Dienstmädchen/bursche, Koch, Küchenhilfe, im Service, an der Rezeption (auch Nachtportier) oder für Hausmeistertätigkeiten.

 

2000_Arbeit_in_osterreich_01In unserem Fall wurden wir beide im Service eingeteilt mit der Option nach kurzer Einarbeitungszeit sogar in den Abendstunden in der Hotelbar arbeiten zu können.

Leider kam alles ganz anders als man denkt, es gab viele Faktoren, die uns mehr oder weniger dazu zwangen, den Aufenthalt in Österreich abzubrechen. Nachdem wir am Sonntag abend ankamen und wir nach knapp neun Stunden Autofahrt gebeten wurden, die Hotelhalle zu verlassen und außen am Gebäude entlang den Nebeneingang zu nutzen, bekamen wir unser Zimmer zugewiesen, indem gerade noch geputzt wurde. Unverständlicherweise befand sich aber unübersehbar inmitten der gelblackierten Duschkabine ein kleiner toter schwarzer Käfer. Nicht weiter schlimm, aber aus eben dieser Duschkabine kam nun mal gerade das Zimmermädchen mit dem Putzeimer!?! Außerdem hieß es schon zwei Wochen vorher am Telefon, man könne ruhig einige Tage früher kommen, das Zimmer sei bereits fertig. Deswegen wurden auch gerade die Betten bezogen, als wir unsere Koffer reinbrachten. Eigentlich haben wir vor der Fahrt nach Seefeld gar nicht daran gedacht, dass eine Anfahrtskizze ganz geschickt wäre. Wir haben mehr oder weniger Schwein gehabt, dass sich das Hotel direkt an der Ortseinfahrt befand und wir es nicht noch unter den Dutzenden von Hotels suchen mussten. Ebenso wie die telefonische Angabe, wir könnten zu jeder Tages- und Nachtzeit anreisen. Sie stimmt nicht. Es waren noch keine Gäste da und das Hotel wurde ab 23 Uhr abgeschlossen, es saß auch niemand mehr an der Rezeption. Ein kleiner Stau und wir hätten vor verschlossener Türe gestanden.2000_Arbeit_in_osterreich_03

 

Unmöglicher Zustand des Zimmers

Weiter ging es am nächsten Tag, als wir den Hotelchef sprechen wollten, was denn nun mit uns vorgesehen ist. Den ganzen Tag war er nicht zu sehen, erst als wir spätabends ins Hotel zurück kamen, liefen wir ihm per Zufall über den Weg. Als erstes fragte er nach unserem Namen!!! Erstaunlich früh, wenn man bedenkt, dass er unsere Unterlagen bereits Wochen vorher schon vorliegen hatte und wir bereits mehrmals miteinander telefonierten. Wir sprachen darüber, dass wir am folgenden Tage die nötigen Handgriffe, Tischnummern und ähnliche Dinge erlernen sollen und wir uns ein neues Zimmer anschauen könnten, weil sich unseres in so einem unmöglichen Zustand befand (keine Heizung, Fenster geht nicht auf, ständiger Chlorgeruch vom angrenzenden Hallenbad).

Doch auch dieses Zimmer war nicht besser, außer dass es hier eine Heizung gegeben hätte. Es befand sich jedoch am anderen Ende des Ortes und ob es wirklich so schön ist, morgens um sechs im zwei Meter hohen Schnee und in einem Dirndl durch Seefeld zu laufen, ist fraglich…

Die “Einarbeitung” war bereits nach zehn Minuten beendet. Eindeutiges Problem hierbei war die Verständigung. Drago, so hieß der -vermutlich jugoslawische- Angestellte, erklärte nur, was seine Aufgaben waren, jedoch nicht, wie WIR sie ausführen müssen. Und das in einem schwer gebrochenen Deutsch, bei Fragen unsererseits konnte er sie jedoch genauso wenig verstehen und gab dementsprechend Antworten, die definitv nicht passten. Auf Anfrage, ob wir uns das auch mal anschauen könnten, wenn Gäste da sind um auch die Praxis und nicht nur die Theorie zu sehen, hieß es schlicht und einfach : ”Nein”. Er war im übrigen auch derjenige, der uns am ersten Tag von der Hotelbar mit den Worten: “…da kommt Chefin, geht runter in den Keller…” verscheuchte.

 

Privatunterhaltung sind nicht erwünscht

Der einzige Mitarbeiter, der wirklich nett und hilfsbereit war, hieß Peter. Doch leider hatte er auch ein ziemliches Problem mit eben dieser Chefin, der Ehefrau des Hoteleigentümers. Bei einer Unterhaltung mit ihm in der Hotelhalle kam die “Chefin” und plötzlich bekam Peter anscheinend Fersengeld. Jedenfalls hatte er plötzlich einen Putzlappen in der Hand und wischte wahllos irgendeinen bereits sauberen Tisch in der Lobby. Wohlgemerkt, es waren weit und breit keine Gäste da, alles war sauber und definitiv nichts zu tun. Wir sind der Meinung, dann muss man auch nicht so tun, als gebe es Arbeit. Nun, im großen und ganzen sieht es vielleicht so aus, als würden wir uns ein wenig anstellen, es liest sich wahrscheinlich auch so, als wären es nur Kleinigkeiten. Aber wenn man das Gesamte nimmt und sich vorstellt, dieses drei Monate mitmachen zu müssen, dann fährt man doch lieber nach Hause, auch wenn dort eventuell Schadenfreude oder “…ich hab’s ja gewußt”-Sprüche auf einen warten. Immerhin haben wir den Mut besessen dorthin zu fahren, leider ist es nicht so geworden wie wir es uns vorstellten. Dafür haben wir halt auch den Mut zurück zu kehren.

Doch ein kurzes Wort noch zu den wenigen schönen Augenblicken, die wir uns gemacht haben. Wir waren einmal im knöcheltiefen Schnee einen Berg hochgewandert und konnten bei wunderbar klarem Wetter die Aussicht genießen. Ziemlich nervig waren hierbei jedoch die Schneekanonen die mit einer unglaublichen Lautstärke die winterliche Idylle störten. Trotzdem ist es ein schönes Gefühl in weiter Ferne auf andere Berge und auf die Ortschaft im Tal blicken zu können. Im großen und ganzen ist Seefeld zwar ein schöner Ort, der jedoch mit seinen etlichen Hotels, Gasthöfen und Pensionen fast nur auf Massentourismus ausgelegt ist. Für Wintersportler ist Seefeld aber zu empfehlen.

Nachfolgend nun noch unsere traurigen und viel zu wenigen Tagebucheinträge!

17.12.2000 – 14.12 Uhr:
Bianca und Michael
So, da wären wir !!! Auf dem Rastplatz auf der A5 in Bruchsal. Wollten mal diesen Terminal testen. Wir haben aber gerade schon gemerkt, dass Reisende sehr freundlich sind. Wollte uns doch gerade jemand Motoröl anbieten, nur weil wir mal sicherheitshalber nach dem Ölstand geschaut haben. Nett, gell? Bis später!

18.12.2000 – 18.31 Uhr:
Michael
Wir sind da!!! Wir wollen nach hause !!! Biancas erste Worte nachdem wir ankamen:“ Nimm mich mal bitte in den Arm…“ Das Zimmer ist eigentlich ganz nett. Man kann das Fenster zwar nicht öffnen, aber das ist auch besser so, denn es ist ja auch keine Heizung vorhanden. Vor allem würde dann jeder Hund in unser Zimmer pinkeln, weil wir im Keller untergebracht sind. Das mit der Heizung ist aber auch nicht weiter tragisch, da wir im Zimmer nebenan direkt die Gaszentralheizung stehen haben, sprich den Maschinenraum. Naja, wir können ja lüften, indem wir die Tür aufmachen. Dann kommt zwar der Chlorgeruch vom Hallenbad rein, aber wen stört´s? Das dürfen wir sehr wahrscheinlich nicht benutzen, weil wir ja nur Angestellte sind. Aber genau wissen wir das nicht, da uns noch keiner so richtig informiert hat, was denn zu tun und zu beachten ist. Immerhin wurden wir ja gerade von der hoteleigenen Bar verscheucht, weil wir „das Bild stören“ !!! Ich habe keinen Bock mehr !!!!! Wetter ist gut und Schnee liegt auch.

18.12.2000 – 18.41 Uhr:
Bianca
Noch keine 24 Stunden hier und man hat schon Ränder unter den Augen. Die Geräusche aus dem Maschinenraum hören sich an, wie eine zehn Jahre alte Waschmaschine im Schleudergang. Davon wird man sogar um vier morgens wach, nachdem man endlich um drei Uhr eingeschlafen ist. Wenn man Pech hat, muß man dann aufs Klo was natürlich auf dem Flur auf der anderen Seite des Maschinenraumes liegt. Keine Erholung für die Ohren!!! Die Umgebung ist schön, aber der Schnee reicht noch nicht mal für Langlaufski. Aber das kommt bestimmt noch, aber ob wir dann noch hier sind ….? Das Hotelpersonal ist sehr höflich und nett. Schließlich sitzen alle in einem Boot, die Klassifizierung gleicht der Titanic. Wir sind im E-Deck!!! Weihnachten ist gerettet. Wir haben zwar einen Fernseher auf dem Zimmer mit einem einzigen Programm und typisch für das Wetter mit Schnee (ORF 2). Zum Glück gibt es noch den Fernsehraum, den wir heimlich benutzen….

20.12.2000 – 13.24 Uhr:
Bianca und Michael
So, nach unserer 134. Krisensitzung haben wir uns dazu entschlossen hier die Zelte wieder abzubrechen. Es ist zuviel passiert, als dass man sagen könnte:“ Fein, die drei Monate ziehen wir durch.“ Wir sind uns zwar bewußt, daß wir in der Heimat unter Umständen mit Häme und Schadenfreude „begrüßt“ werden, aber das ist immer noch besser als hier zu bleiben. Man kann sich nicht vorstellen, wie das leben hier abläuft, wenn man es nicht selber gesehen hat. Der netteste Angestellte (Peter) unterhielt sich mit uns und als die Chefin kam, griff er schnell zu einem Putzlappen um irgendeinen bereits sauberen Tisch zu wischen. Dabei war nun wirklich nichts zu tun. In dem Hotel befinden sich augenblicklich gerade mal 10-12 Gäste. Es ist überhaupt nichts los und trotzdem dürfen wir aus unserem Kellerloch nicht einfach auftauchen. Gestern bekamen wir, nachdem wir uns beschwerten, das Angebot ein anderes Zimmer zu nehmen. Doch dieses befindet sich am anderen Ende von Seefeld und ist kleiner und hat nur zwei einzelne Betten. Es ist zwar ruhiger auf Grund des fehlenden Maschinenraumes, aber hier fehlt auch der für uns verbotene Fernsehraum. Kurz und gut, wir werden heute abend unsere Koffer packen und Richtung Heimat fahren. Warum wir nicht noch ein paar Tage hier Urlaub machen? Weil hier und in der Umgebung alles belegt ist. Eines steht fest, wir wissen nicht, was uns zu Hause erwartet, aber zumindest können wir Weihnachten in einer gemütlichen, gewärmten und sauberen Wohnung feiern. Und damit uns wirklich keiner missversteht: Wir haben nicht damit gerechnet, dass wir hier Spaß haben und faulenzen können, aber wir müssen uns auch nicht ausnutzen lassen….

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