Wandern in der Industriekultur von Duisburg

Wandern in der Industriekultur – das bedeutet: Ein Biotop neben einer Autobahn, ein Bauernhof als Teil eines Hüttenwerks und die erfolgreiche Rückeroberung der Natur auf einem Gelände, auf dem jahrzehntelang Schwerindustrie vorherrschte. Diese Kontraste sind bei einer – auch kulturell interessanten – Wanderung unter rostigen Stahlanlagen, auf ehemaligen Bahndämmen und an kanalisierten Flüssen deutlich zu sehen. Empfehlenswert ist eine Wanderung in den Abendstunden eines Wochenendes, wenn der mächtige Industriekomplex durch Lichtinstallationen in bunte Farben eintaucht.

Der folgende Text stammt aus meinem nicht mehr erhältlichen Reiseführer „20 Wanderungen in und um Essen“. Die Angaben können daher veraltet sein.

Von der Haltestelle Landschaftspark-Nord an der Neumühler Straße folgen die ÖPNV-Nutzer der Emscherstraße, bis zum Eingang des Parkplatzes in der Emscherstraße, wo wir mit der Querung der Emscherstraße unsere Wanderung beginnen. Wir betreten am Schrankenhäuschen des ehemaligen Hüttenwerkes den Landschaftsparks Duisburg-Nord.

Wandern in der Industriekultur
Wandern in der Industriekultur

Industriekultur im Ruhrgebiet

August Thyssen ließ hier zu Beginn des letzten Jahrhunderts ein Hüttenwerk errichten, um Roheisen für die Montanindustrie in seinen Stahlwerken herzustellen. Insgesamt verfügte das 200 Hektar große Areal über fünf Hochöfen. Als der letzte Hochofen 5 im Jahre 1973 seinen Betrieb aufnahm, waren die Öfen 3 und 4 längst wieder abgerissen. 1982 wurden die Hochöfen 1 und 2 stillgelegt. Und schon drei Jahre später kam mit der Schließung des Werkes nach nur zwölf Jahren Laufzeit auch das Aus für den Ofen 5. Dank dem Entschluss, das Areal für die Internationale Bauausstellung (IBA) Anfang der 1990er-Jahre zu einem Park umzugestalten und auszubauen, blieben sämtliche industriellen Häuser und die Maschinerie erhalten. Heute gilt der Park als wichtige Landmarke auf der Route der Industriekultur, die durch das Ruhrgebiet verläuft. An den Abenden ist das einstige Hüttenwerk durch eine Lichtinstallation des Künstlers Jonathan Park farbenfroh beleuchtet.

Wer sich für die Tour stärken möchte, wendet sich nach links zum Restaurant mit Biergarten im Hauptschalthaus. Wir aber gehen am Metallgeländer geradeaus weiter. Rechter Hand sehen wir das runde Gebäude des ehemaligen Gasometers und dahinter die einstige Gebläsehalle.

Biotop im Landschaftspark Duisburg
Biotop im Landschaftspark Duisburg

Der Gasometer diente der Lagerung von Gichtgas, welches bei der Produktion von Roheisen entstand. Dieses Gas konnte in gereinigter Form für den Antrieb der Großmaschinen genutzt werden. Heute dient der Gasometer als Wasserbecken des ansässigen Tauchvereins, welches mit einem Schiffswrack und vielen anderen Unter-Wasser-Kulissen für das Training genutzt werden.
Die Gebläsehalle indes erzeugte mit seinen Elektroturbogebläsen Wind, welcher zur Schmelze des Roheisens gebraucht wurde. Heute ist im Gebäude neben vier dieser Gebläsemotoren auch eine Veranstaltungshalle untergebracht.

Links vor uns sehen wir ein 170 Meter langes Gebäude, in dem sich das Besucherzentrum des Landschaftsparks befindet. Es handelt sich um die ehemalige von Gichtgas angetriebene Kraftzentrale.

Illuminierter Landschaftspark
Illuminierter Landschaftspark

Ausblicke vom Hochofen

Wir wenden uns aber noch vor dem Gebäude, wenn das Stahlgeländer endet, nach rechts und überqueren die Gleisanlagen. Zwischen Bäumen – die natürlich erst nach der Schließung des Werkes angepflanzt wurden – wandern wir parallel zu den Gleisen weiter, bis wir unterhalb eines Stahlgerüstes auf einen Treppenaufgang stoßen. Die Treppenstufen führen in den unteren Bereich von Hochofen 5, wo das flüssige und rot glühende Eisen in die Transportwagen floss.

Wir aber gehen links herum weiter. Bevor wir unter dem Hochofen geradeaus durchlaufen, haben wir die Möglichkeit dem Hochofen 5 auf das Dach zu steigen. Die Treppe auf der linken Gebäudeseite bringt uns auf die Aussichtsplattform in rund 70 Meter Höhe. Dieses Panorama sollte man sich auf keinen Fall entgehen lassen. Bei schönem Wetter reicht der Blick bis zum Düsseldorfer Fernsehturm, dem Duisburger Hafen, der Essener Skyline und der Gelsenkirchener Arena AufSchalke. Wir steigen die Stufen wieder runter und setzen unseren Weg Richtung Außenbereich fort. Vor uns sehen wir das Windenergierad.

Das im 2008 restaurierte Windenergierad pumpt seitdem Wasser aus dem Klarwasserkanal über einen Behälter zu den Koksbunkern. Einst hat man in ihnen zwischen den meterhohen Betonwänden neben Koks auch Eisenerz gelagert. Heute nutzt der Deutsche Alpenverein Teile des Komplexes für Kletterübungen.

Klettern im alten Koksbunker
Klettern im alten Koksbunker

Wer zuschauen möchte, wie Mitglieder des Alpenvereins an den Wänden der ehemaligen Koksbunker entlang klettern, wendet sich an den Hinweistafeln nach rechts und geht unter dem von den Hüttenarbeitern als Krokodil bezeichneten Stahlgerüst entlang.
Die Hinweistafeln verdeutlichen nicht nur die Rückeroberung des Geländes durch die Natur und was aus dem Gelände werden könnte, wenn der Mensch nicht eingreifen würde. Sie weisen uns auch darauf hin, dass manche Pflanzenarten nur dank des Hüttenbetriebes hier wachsen, so z. B. das Schmalblättrige Greiskraut, welches mit den Erztransporten von Südafrika nach Duisburg kam.

Biotop im ehemaligen Hüttenwerk

Unsere Wanderung setzen wir an den Hinweisschildern nach links fort. Wir kommen am Auftauhaus vorbei und gelangen zur ehemaligen Gleisanlage. Deutlich zu sehen sind die zahlreichen Bahndämme. Auf ihnen hat man früher die Rohstoffe transportiert. Heute setzen wir hier unseren Weg fort. Von hier haben wir auch eine schöne Aussicht auf den Klarwasserkanal. Der Kanal ersetzt die Emscher, die vor ihrer Verlegung über das Gelände floss. Eine Verbindung zwischen Kanal und Emscher existiert jedoch nicht.

Der ehemalige Bahndamm führt uns weiter geradeaus, bis rechts vor uns das blaue Zirkuszelt der Discothek Delta Musik Park zu sehen ist. An dieser Stelle biegen wir, noch vor der Autobahn, die uns ab hier begleiten wird, rechts ab und gehen parallel zu ihr. Die A 59 trifft an dieser Stelle im Autobahnkreuz Duisburg-Nord auf die A 42, wir aber wandern – teilweise mit Sicht auf die Fahrbahn – neben der dicht gewachsenen Flora eines Biotops auf unserer Rechten.

Viel Natur im ehemaligen Hüttenwerk
Viel Natur im ehemaligen Hüttenwerk

Kaum zu glauben, aber zwischen dem Hüttenwerk und dem Autobahnkreuz hat sich ein wertvolles Biotop entwickelt, welches nicht umsonst den Namen Wildnis trägt. Das Verlassen der Wege ist an dieser Stelle zu Recht unerwünscht. Brombeersträucher, Holunder und Weiden bieten Schutz und Lebensraum für kleine Vögel wie Meisen, Mönchsgrasmücken, Zilpzalp und Nachtigall.

Es dauert nicht lange, bis wir an einem kleinen Amphitheater vorbeikommen und uns nach einer kleiner Steigung auf einem Aussichtspunkt befinden. Vor uns liegt das alte Hüttenwerk in seiner vollen Größe. Insbesondere in den Abendstunden, wenn es von Johnathan Parks Lichtinstallation illuminiert wird, ist es nicht nur für Hobbyfotografen ein spezieller Genuss.

Wandern in der Industriekultur

Über Serpentinen geht es hinab bis zum Klarwasserkanal, an dem wir links abbiegen. Wir bleiben nun auf dem Weg neben der alten Emscher, überqueren die Emscherstraße und laufen immer parallel zur Autobahn, bis der Weg endet. Links könnte man die Autobahn unterqueren, wir jedoch entscheiden uns, rechts abzubiegen. Die folgende Brücke überqueren wir, gehen dann aber links die Treppen hinab auf die sogenannte Emscherpromenade.

Auf interessanten, aber leider mit Graffiti beschmierten Hinweisschildern erkennt man auf den historischen Karten von 1854 und 1914 trotzdem noch gut, wo die Emscher einst verlief und wie das Areal vor der Gründung des Hüttenwerks bewirtschaftet wurde.
Am Ende der Emscherpromenade gelangen wir zur Hauptstraße, der Neumühler Straße, und wenden uns nach rechts. Nur kurze Zeit wandern wir an einer Schafweide vorbei, bis wir den Eingangsbereich vom Ingenhammshof erreichen.

Bereits 1603 wurde dieser Bauernhof erwähnt, doch einen Teil seiner Fläche büßte er durch den Bau des Hüttenwerks ein. Doch das Hüttenwerk war ein wichtiger Abnehmer der angebauten Lebensmittel, die man in den werkseigenen Geschäften verkaufte. Zudem war auf dem Bauernhof die Fuhrhalterei des Hüttenwerks untergebracht, womit der Ingenhammshof sogar zu einem Teil des Thyssen-Konzerns wurde. Heute dient die Farm als Lehrbauernhof für Kinder, die hier den Umgang mit den Hoftieren erlernen können.

Straßenbahnnutzer gehen am Bauernhof geradeaus bis sie die Haltestelle erreichen. Die Autofahrer biegen hinter dem Bauernhof rechts ab. Danach gelangen sie auf den „zum Landschaftpark“ ausgeschilderten Weg durch eine Grünanlage wieder zurück zum Ausgangspunkt.

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