Tolle Aussichten erwarten uns, wenn wir das lebhafte Treiben im historischen Stadtkern hinter uns lassen und ein wenig in die Höhe steigen. Nach den vielen sehenswerten Details in den kleinen Gassen von Cochem erwartet uns ein wunderbarer Blick in die Ferne. Die Widersprüche lassen diese Wanderung zu einem Vergnügen werden. Und mit Genuss lassen wir nach einer Besichtigung der imposanten Reichsburg den Tag in der von Leben erfüllten quirligen Stadt mit einer Weinprobe ausklingen.
Der folgende Text stammt aus meinem nicht mehr erhältlichen Reiseführer „Wanderungen an der Mittelmosel“. Die Angaben können daher veraltet sein.
Wir lassen den hübschen Bahnhof von Cochem, der teilweise als Fachwerkbau und mit einem Rundturm errichtet wurde, hinter uns und biegen in die Ravenéstraße ein. Wir wandern durch die ruhige Straße und lesen exakt 276 Meter hinter dem Bahnhof an einem Straßenschild ab, wie weit unter anderem die Cochemer Partnerstädte Avallon und Malmedy entfernt sind. Wenig später stehen wir vor der Büste von Louis Ravené, dem Namensgeber der Straße.
Louis Fréderic Jacques Ravené, 1823 im heute polnischen Stettin geboren, war nicht nur ein Unternehmer, der sich mit der Produktion von Eisen und Stahl befasste, sondern auch ein Kunstmäzen. Er machte sich in vielen Städten durch seine Wohltätigkeit verdient und erhielt unter anderem die Ehrenbürgerschaft des thüringischen Ilmenaus. In Cochem kaufte Ravené im Jahr 1868 die Ruine der damaligen Reichsburg und ließ sie auf seine Kosten wieder errichten. Die Stadt Cochem würdigte ihn nicht nur mit einer Büste in der nach ihm benannten Straße, sondern auch mit der Ehrenbürgerschaft.
Durch die Altstadt von Cochem
Es dauert nicht lange, bis sich die Straße verbreitert, und wir die Altstadt von Cochem vor uns haben. Lebhaftes Treiben umringt uns auf dem Endertplatz, während wir zunächst auf das mächtige, steinerne Enderttor zusteuern.
Das Enderttor ist eines der mächtigen Stadttore Cochems und wurde in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts am Ausgang des Enderttals auf Geheiß des Kurfürsten Balduin errichtet. Das Tor war der nördliche Zugang zur Stadt und schützte Cochem vor Angriffen aus dem Tal heraus. Heute ist das noch vollständig erhaltene wuchtige, steinerne Bauwerk ein Teil der Fußgängerzone. An das Tor angebaut wurde die Alte Thorschenke. Sie nahm schon zu Balduins Zeiten Reisende auf, denn am Tor hielten die Postkutschen, welche nach Köln und Frankfurt zogen. Dem 22 Kilometer langen Endertbach, der durch die moderne Bebauung im Umfeld des Tores kaum wahrnehmbar ist, verdankt das Stadttor seinen Namen.
Nach einer gemütlichen Pause in der Alten Thorschenke geht es gleich hinter dem Enderttor schon bedeutend ruhiger zu. Wir steigen zwischen zwei hohen Bruchsteinmauern zu unserer Linken die vielen Stufen hinauf. Zur Rechten informiert uns eine Tafel über den Wohnsitz der Weinprinzessin Alexandra, und oben wenden wir uns vor dem Friedhof nach links. Wir haben nun den ersten Hügel der Stadt, genauer gesagt den Klosterberg, erklommen. Vor uns erhebt sich das Ensemble des ehemaligen Kapuzinerklosters, zwischen dessen Gebäude wir hindurch schreiten.
Besuch am Kapuzinerkloster
Auf einem Hügel gegenüber der weithin sichtbaren Reichsburg erheben sich die Gebäudeflügel des ehemaligen Kapuzinerklosters. Die Kapuziner gründeten 1623 das Kloster in Cochem in einem verlassenen Anwesen auf dem heutigen Klosterberg. Sie erhielten es von Kurfürst Lothar von Metternich als Schenkung. Nach dem Abriss des baufälligen Gebäudes errichtete der Orden ein neues Klostergebäude, welches 1634 eingeweiht und bis zur Säkularisation bewohnt wurde. Anschließend diente es viele Jahre als Schulgebäude, und heute wird es als Veranstaltungsgebäude für Seminare, Tagungen und Ausstellungen genutzt.
Wir gehen nach rechts um eine Ecke herum – und haben eine fantastische Aussicht über die Dächer von Cochem. Sie reicht bis hinüber zur stattlichen Reichsburg, die sich stolz inmitten von Weinbergen auf dem Schlossberg erhebt und eines unserer Ziele auf dieser Wanderung sein wird.
Zunächst steigen wir aber nach rechts die Treppen hinab. Wir kommen an einem Altarbild vorbei und biegen unten nach rechts in die kleine Gasse ab. Hübsche Fachwerkhäuser, deren Bewohner ihre Treppenzugänge mit zahlreichen Blumen verschönert haben, säumen unseren Weg, bis wir abermals vor einer Treppe stehen. Weinranken streifen unsere Schultern, während wir die Stufen empor wandern.
Vor einem schiefergedeckten Haus gehen wir wieder hinab und wir durchschreiten ein steinernes Tor. Ein kleines Sträßchen vor uns führt uns wieder problemlos bergauf. Die evangelische Kirche von Cochem erhebt sich zu unserer Rechten. Wir aber biegen an der Kreuzung nach links in die Straße Am Tummelchen hinein. Deutlich geht es bergauf, die Reichsburg ist bereits ausgeschildert. Wir aber verlassen die Straße vor der Rechtskurve und gehen links auf einen Schotterpfad zu einem weiteren schönen Aussichtspunkt mit dem Namen Tummelchen. Wie eine vom Modellbauliebhaber erschaffene Stadt liegt uns das malerische Cochem zu Füßen. Rustikale Fachwerkbauten prägen das Stadtbild, welches noch heute von einer wehrhaften Stadtmauer gerahmt ist.
Wahrzeichen von Cochem ist die Reichsburg
Zur Linken erkennen wir das Kloster und vor uns den schmalen Turm der Pfarrkirche St. Martin. Nach dem Genuss des Panoramas gehen wir zur Straße zurück und halten uns links. Auf dem Gelände einer Schule ersteigen wir wieder einige Stufen und befinden uns nun auf dem Hauptwanderweg zur Reichsburg. Stimmengewirr in verschiedenen Sprachen umgibt uns und führt uns vor Augen – oder besser vor Ohren –, welchen Bekanntheitsgrad unser nächstes Ziel hat. Am Parkplatz für die Mitarbeiter der Burg wenden wir uns nach links und erklimmen die letzten Höhenmeter zur imposanten Reichsburg.
Stolz erhebt sich die Reichsburg auf ihrem Hügel am südlichen Rand von Cochem. Mehrere Türme ragen in die Höhe, von denen der markante quadratische Bergfried im Zentrum der Burg das Augenmerk auf sich lenkt. Von fast jedem Punkt der Stadt aus – vom Moselufer sowieso – ist die wuchtige Burganlage zu sehen. Die Burg wurde vermutlich bereits zu Beginn des 11. Jahrhunderts erbaut, namentlich erwähnt wurde sie zum ersten Mal im Jahr 1051 als Pfalzburg. Mit der Besetzung durch König Konrad III., exakt ein Jahrhundert später, wurde die Burg zur Reichsburg. Im 17. Jahrhundert rückten die Truppen des französischen Sonnenkönigs Ludwig XIV. bis zur Mosel vor . Sie besetzten sowohl Cochem als auch die Festung.
Am 19. Mai 1689 sprengten die Franzosen die Reichsburg und setzten sie in Brand. Fast 200 Jahre lag die Burg in Schutt und Trümmern – bis Louis Ravené die Ruine für 300 Goldmark aufkaufte und wieder aufbauen ließ. Bis 1942 war sie in Besitz der Familie Ravené, heute gehört das beliebte Ausflugsziel der Stadt Cochem. Neben einer Besichtigung der hübschen Innenräume besteht auch die Möglichkeit, in der Burg zu heiraten oder im rustikalen Burgkeller an einem Rittermahl im historischen Gewand teilzunehmen.
Zum Abschluss über den Marktplatz von Cochem
Nach einer ausgiebigen Burgbesichtigung, zahlreichen Ausblicken über die Stadt Cochem und einem leckeren Mahl in der Burgschänke begeben wir uns zum Mitarbeiterparkplatz zurück und biegen dort links ab. Wir wandern zunächst hinter einer Bruchsteinmauer entlang. Anschließend steigen wir auf einem steinigen und teilweise stufigen Weg durch ein Wäldchen hinab. Wir kommen an einem kleinen Bildstock vorbei und genießen auf dem weiteren Weg abwärts die Aussicht auf die Mosel. Unser Weg führt uns geradewegs durch schmale Gassen in das quirlige Zentrum von Cochem hinein. In einem der vielen Cafés und Restaurants in der Fußgängerzone kehren wir gerne ein.
Mit dem historischen Marktplatz, der von zahlreichen Fachwerkhäusern umrahmt ist, erreichen wir den beliebtesten Platz der Stadt. Wir lauschen Straßenmusikern, tauchen unsere Hände in das Wasser eines Brunnens, und der Duft frisch gebackener Waren liegt in der Luft. Nach rechts kommen wir ans Moselufer. Dort können wir uns in einem der ältesten Häuser der Stadt in der Weinstube Beim Weinbauer bei einem Glas Wein entspannen.
Wir aber schlendern am lachsfarbenen Rathaus vorbei, unter dem hohen Turm der St. Martinkirche hindurch und erreichen nach kurzer Zeit wieder den Endertplatz. Anschließend überqueren wir die breite Brückenstraße und wandern geradeaus in die Ravenéstraße hinein. An der Büste von Louis Ravené bedanken wir uns für seinen Einsatz zum Erhalt der Reichsburg. Und wir zählen mit langen Schritten nach, ob es wirklich 276 Meter bis zum Bahnhof, unserem Ausgangspunkt der Wanderung, sind.