In vielen Jahren werden wir auf dieser Route am Ufer eines gewaltigen Sees entlang wandern. Doch bis dahin genügt uns der Anblick auf den nicht minder sehenswerten Tagebau, der sich südlich von Jüchen erstreckt und uns interessante Einblicke in die Erde liefert. In Neu-Otzenrath treffen wir auf Tradition und Moderne und können erfahren, was geschieht, wenn sich ein komplettes Dorf auf Wanderschaft begibt.
Pkw/Parken: Parken am Jülicher Bahnhof, Silostraße
ÖPNV: Ab Rheydt Hbf. mit dem Regionalexpress 8 oder der Regionalbahn 27 bis Jüchen Bahnhof.
Rundweg: Ca. 14 Kilometer/3–3,5 Stunden
Streckenprofil: Überwiegend breite Landwirtschaftswege, am Tagebau stellenweise nur schmale Pfade.
Einkehr: Diverse Einkehrmöglichkeit im Ortszentrum von Jüchen; Haus Welters, Marktstr. 2, 41363 Jüchen Neu-Otzenrath, Tel. (0 21 65) 87 26 52
Am Wegesrand: Jüchen; Riga-Wald; Tagebau Garzweiler; Neu-Otzenrath

Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Artikels stammt aus meinem nicht mehr erhältlichen Reiseführer über Wanderungen in im Rhein-Kreis Neuss. Die meisten Informationen werden daher veraltet sein und dieser Artikel kann nur als grobe Richtschnur dienen.
Am Bahnhof von Jüchen lassen wir den selbigen hinter uns und gehen geradeaus auf der Zufahrtsstraße. Die von rechts kommenden Jülicher Straße ignorieren wir und gehen geradeaus bis zur Wilhelmstraße, in die wir nach rechts einbiegen. Schon nach wenigen Minuten haben wir damit den Ortskern von Jüchen erreicht.
Der Ortsname Jüchen leitet sich vermutlich vom römischen Jucunda ab, wie eine ehemalige villa rustica am Ortsrand hieß. Die Geschichte Jüchens ist wechselvoll und bis heute nicht abschlossen. Jüchen ist stark vom Tagebau Garzweiler geprägt, der bis an den südlichen Ortsrand reicht. Durch den Tagebau wurden in den letzten Jahrzehnten bereits mehrere Ortsteile umgesiedelt und abgebaggert. Jüchen besitzt sowohl im Kernort als auch in den umliegenden Dörfern zahlreiche Baudenkmäler, die überwiegend in der für diese Region typischen Backsteinarchitektur errichtet wurden.
Wir schlendern über den Markt hinweg und blicken links durch die Kirchstraße auf die mächtige St. Jakobuskirche. Vor uns erreichen wir einen Kreisverkehr, an dem wir geradeaus durch die Stadionstraße gehen. Auf der linken Seite biegen wir in die Straße Im Bauerfeld ein, in der wir an einer T-Kreuzung rechts abbiegen und dann durch drei Kurven bis zur Weyerstraße gehen. Auch hier wenden wir uns nach rechts und stoßen direkt darauf auf den Valderweg, dem wir nun nach links folgen. Mit einer weiten Rechtskurve lassen wir die letzten Häuser von Jüchen hinter uns und gelangen zum Riga-Wald.

Das Bestehen des Riga-Waldes hat einen traurigen Hintergrund. Ende des 20. Jahrhunderts pflanzte man den Wald an. Jeder der Bäume steht für einen jüdischen Mitbürger aus Jüchen, der während der Nazi-Diktatur ermordet bzw. deportiert wurde. Dabei handelte es sich um 110 getötete Menschen und 45 Juden, die in ein Konzentrationslager in das lettische Riga verbracht wurden.
An der Gedenkstätte wandern wir weiter und bleiben auf dem Landwirtschaftsweg zwischen den Feldern. Erst an einer T-Kreuzung biegen wir rechts ab, überqueren den Jüchener Bach und gehen wenige Meter darauf sofort wieder nach rechts, um einen kleinen Hof zu umrunden. Wir genießen die weite Sicht über die Felder hinweg und passieren ein Gewerbegebiet, in dem wir gleichzeitig die Bundesstraße 59 überqueren. Hinter einem Parkplatz wenden wir uns nach rechts, um nach rund 350 Metern links das Gewerbegebiet wieder zu verlassen. Es sind noch eine Bahnstrecke und eine Autobahn zu unterqueren, bis wir durch eine Rechtskurve gehen und sich plötzlich ein riesiges Loch in der Erde vor uns auftut und sich als Tagebau Garzweiler vorstellt.
Garzweiler war ein relativ unbedeutendes Dorf, das zu Jüchen gehörte und das kaum jemand außerhalb des heutigen Rhein-Kreis Neuss kannte. Das änderte sich schlagartig mit dem Abbau von Braunkohle im rheinischen Braunkohlerevier. Dabei handelt es sich um eine der größten Landschaftsveränderungen Deutschlands. Mehrere Dörfer, wie auch das namensgebende Garzweiler, wurden über Jahre hinweg komplett umgesiedelt und anschließend weggebaggert. Nach dem Bergbaurevier Garzweiler I folgte Garzweiler II, dass bundesweit durch die Demonstrationen der Anwohner Schlagzeilen machte. Was für die Anwohner ein herber Verlust der Heimat bedeutet, ist für Auswärtige jedoch ein interessantes Ausflugsziel. Gigantische Bagger fressen sich durch das Gestein und hinterlassen ein unvorstellbares Loch in der Erde, welches in einigen Jahrzehnten nach dem Ende des Kohleabbaus zu einem See geflutet werden soll. Dabei soll ab dem Jahr 2045 rund 40 Jahre lang Wasser aus dem Rhein abgezweigt werden. Sogar Autobahnen mussten mehrfach verlegt werden und wenn einer dieser Bagger von einem Kohlerevier zu einem anderen transportiert werden muss, dann lockt dieser seltene Schwertransport viele hundert Schaulustige an. Oftmals werden auch die Orte besichtigt, die bereits zu großen Teilen leer stehen und kurz vor ihrem Abriss zu Geisterorten verkommen. In den Anfangsjahren des Braunkohleabbaus waren Plünderungen in den Ortschaften keine Seltenheit.
Ganz gleich wie man über die Veränderung der Landschaft denken mag, ein beeindruckendes Bild gibt der Tagebau allemal ab, während wir nun an seinem Rand weiter wandern. Einzelne Bäume und Sträucher werden von Messgeräten für den Tagebau abgelöst und wir schauen immer wieder in diese unvorstellbar große Fläche zu unserer Linken hinein. Mehrere Aussichtspunkte laden uns dabei zu kleinen Pausen und Fernblicken ein. Wir erreichen ein Autobahndreieck, welches noch vor wenigen Jahren ein Autobahnkreuz war. Doch die Fahrbahn der A44 südlich des Autobahnkreuzes ist mittlerweile von den riesigen Schaufeln abgebaggert worden und wäre uns damals noch im Weg gewesen. Heute können wir noch ein Stück weiter gehen, halten uns aber anschließend nach rechts, um die Autobahn 46 zu überqueren. Wir lassen den Tagebau hinter uns und genießen nun die Wanderung zwischen den landwirtschaftlichen Feldern.
Auf einer wenig befahrenen Straße erreichen wir Hochneukirch, passieren einen Sportplatz und wandern durch den kleinen Ort hindurch. An einem Parkplatz halten wir uns halbrechts in die Martin-Köllen-Straße und biegen schließlich rechts ab, um die die Eisenbahngleise zu unserer Rechten zu überqueren. Auf der Brückenrampe gehen wir ein kurzes Stück bergab und sehen vor einer nach links abknickenden Straße einen schmalen Feldweg, dem wir gerne folgen. Durch eine Rechtskurve überqueren wir die Straße und wandern auf einem schmalen Pfad bis zu einer Kreuzung. Wir wenden uns nach links und erreichen nach wenigen Schritten die Hofstraße in Neu-Otzenrath.
Neu-Otzenrath ist einer dieser Orte, die im Rahmen des Braunkohleabbaus durch den Tagebau Garzweiler entstanden sind. Daher ist die Geschichte des Ortes noch sehr jung und äußerst gut dokumentiert. Sie beginnt im Jahr 1999 als die ersten Bäume gepflanzt und die Kanalisation verlegt wurde. Der Bau des ersten Hauses startete im Januar 2001 und drei Jahre später fand die erste Bestattung auf dem neuen Friedhof statt. Rund 80 % der Bevölkerung von Alt-Otzenrath siedelten in das neu geschaffene Dorf um, welches seit dem Jahr 2007 als abgeschlossen gilt. Die übrigen Dorfbewohner verteilten sich auf andere Ortschaften.
Auf der rechten Seite passieren wir zunächst die evangelische Kirche, sehen auf der gegenüber liegenden Seite den modernen Dorfplatz und gelangen schließlich zur katholischen Kirche des noch jungen Ortes.
Beide Kirchen in Neu-Otzenrath, sowohl die evangelische als auch die katholische, wurden im Jahr 2006 geweiht. Beide Gotteshäuser beherbergen Bestandteile der alten Kirchen, die zuvor entwidmet wurden.
Hinter der katholischen Kirche biegen wir rechts ab und gehen auf einem Feldweg bis zu einer T-Kreuzung. An dieser drehen wir uns nach links, erreichen durch einen weiten Rechtsbogen eine weitere T-Kreuzung und biegen auch an dieser nach links ab. Zwischen Roggen und Weizen gehen wir auf die Autobahn 44 zu, biegen vor ihr nach rechts ab und überqueren sie an der ersten Möglichkeit. Gleich hinter der Autobahnbrücke wenden wir uns nach rechts und wandern ein längeres Stück schnurgerade am Feldrand entlang. Dabei genießen wir die Aussicht auf die Ortschaft Jüchen, der wir uns mit langsamen Schritten wieder nähern. Wenn wir rechts die Möglichkeit besitzen, unter der Autobahn hindurch zu gehen, biegen wir links ab und lassen die A44 im Rücken. Wir bleiben auf dem Hauptweg, legen unter einer Baumgruppe eine kleine Rast ein und gehen mit Blick auf Jüchen bis zu einer Kreuzung. An der Kreuzung wenden wir uns nach links, wandern an einem kleinen Wäldchen entlang und genießen die letzten Meter dieser aufregenden Wanderung bis wir halbrechts zu unserem Ausgangspunkt gelangen.

Hier schreibt Reisejournalist Michael Moll.
Ich bin Autor von mehr als 120 Reiseführern, unter anderem beim National Geographic, und erstelle Artikel in Fachzeitschriften. Außerdem bin ich Betreiber und Besitzer des Wohnmobilstellplatzes am Barockschloss in Nordkirchen im südlichen Münsterland.
Bundesweit halte ich Multimedia-Präsentationen über verschiedene Reisethemen und zu guter Letzt konnte ich einen Fahrradweltrekord für das Guinnessbuch der Rekorde aufstellen.
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