Campingbus zu verkaufen – Teil 2

Ein TÜV-Prüfer bescheinigte meinem VW-Bus, dass er sein Geld wert wäre. Sein Sohn war aber nicht in der Lage, das Auto zu bedienen. Mit diesen Worten erklärte ich einer jungen Frau aus Hessen, warum mein VW-Bus nun noch zu haben wäre. Denn während der ersten Fahrzeugbesichtigung rief sie an und bekundete Interesse. Um 11 Uhr am nächsten Tage wollte sie mit einem Freund in Essen sein und sich das Fahrzeug anschauen.

Stellplatz in Tangermünde
Stellplatz in Tangermünde

War mir recht, ich hatte erst gegen 14 Uhr einen Termin und ich rechnete nicht damit, dass die Besichtigung wieder so lange dauern würde wie gestern. Diese Einschätzung war mein erster Fehler. Mein zweiter Fehler bestand darin, dass ich dem Auto einige Tage zuvor eine neue Starterbatterie gönnte. Da ich aber nicht mehr viel Geld investieren wollte, kaufte ich die günstigste, kleinste und namenloseste Batterie, der der Markt wohl hergibt.

Dass sie allerdings nur einen Besichtigungstermin lang halten würde, wusste ich erst, als ich zur zweiten Besichtigung auf die Interessentin aus Hessen wartete. Konnte das wirklich wahr sein? Ja, es konnte. Bei der ersten Besichtigung wurden über lange Zeit sämtliche Stromaggregate ausprobiert und die Art, wie der Sohn das Fahrzeug bediente, war nicht gerade förderlich für den Zustand der Batterie. Tja, und so kam es, was kommen musste: Die Batterie war leer – kurz bevor die nächste Interessentin extra 300 Kilometer anreiste. Und der Wagen war abgemeldet. Ich hatte also keine Gelegenheit sie aufzuladen. Auch Nachbarschaftshilfe fiel mangels geeigneter Nachbarn zu diesem Zeitpunkt aus.

Camping mit dem T3
Camping mit dem T3

Doch weil die Interessentin von unterwegs aus anrief, weil sie im Stau steckte, konnte ich ihr das Missgeschick schon vorab am Telefon mitteilen. Sie ließ sich aber nicht von der restlichen Fahrt abbringen und kam mit einiger Verspätung gegen halb eins an. Der Freund düste sofort weiter, weil er einen Termin in Dortmund habe. Er würde am Nachmittag wieder kommen und sie abholen. Nun stand ich also da, hatte plötzlich Termindruck und wollte einer jungen Frau (wieder so ein junges Ding) ein Auto verkaufen, das nicht anspringen konnte. Und die hatte wiederum überhaupt keine Ahnung von einem Campingfahrzeug. Sie habe noch nie in einem VW-Bus gesessen und ihr letzter Campingurlaub fand mal in einem Zelt vor vielen Jahren statt.

Camping mit dem T3
Camping mit dem T3

Wir einigten uns darauf, dass ich ihr erst einmal die Ausstattung zeigte und vorführte. Ich machte das Hubdach auf. Ich machte es zu. Ich ließ sie das Hubdach öffnen. Und ich ließ sie es wieder schließen. Wir öffneten es gemeinsam und schlossen es wieder. Wir klappten die Rückbank zu einem Bett um, öffneten alle Schranktüren, brachten das Bett wieder in Sitzposition, drehten den Tisch so, dass man daran hätte essen können. Ich zeigte ihr die Spüle, den Gasherd, den Gastank, erklärte ihr die Funktion der Toilette. Wir drehten die vorderen Sitze um 180° nach hinten, öffneten wieder das Hubdach, klemmten die Fliegengitternetze in die Tür und so weiter.

Doch dann wurde es Zeit, ihr zu sagen, dass ich eigentlich weg muss. Sie schlug vor, dass sie so lange warten könne, bis ich wieder da bin. Sie würde sich weiter mit der Campingausstattung befassen, die zahlreichen Anleitungen durchlesen und eventuell mal in der Nähe nach einer Werkstatt schauen, die uns helfen kann, den Wagen flott zu machen. Nach einigem Zögern meinerseits willigte ich ein. Was könnte sie schon groß mit dem abgemeldeten Auto anfangen, das ohnehin nicht anspringt? Allerdings händigte ich ihr natürlich nicht die Papiere aus.

Am norwegischen Vestkapp
Am norwegischen Vestkapp

Nach etwas über einer Stunde kam ich wieder am Parkplatz an. Das Auto stand noch da. Die Interessentin ebenfalls. Hinzugekommen war nun ein junger Mann, der mir nicht sehr vertrauenswürdig vorkam. Sie hatte tatsächlich jemanden organisiert, der zu ihr kam und helfen konnte. Erstaunlich dafür, dass sie sich hier nicht auskannte. Erstaunlich auch, dass sich die beiden nicht nur bereits duzten, sondern auch ziemlich kumpelhaft verhielten. Weniger erstaunte mich natürlich daraufhin, dass der Wagen für den jungen Mann totaler Schrott sei. Aha, wollte da jemand den Preis drücken? Angesichts der gestrigen Prüfung blieb sein Versuch aber völlig aussichtslos. Außerdem, was mischt der sich eigentlich ein?

Wir überbrückten den Wagen, der erwartungsgemäß (zumindest für mich) sofort startete und dieser Typ haute dann auch wieder ab. Jetzt stand die Probefahrt an. Das junge Mädel legte den ersten Gang ein, fuhr vorsichtig an, kurbelte wie irre an dem großen Lenkrad und steuerte auf die Straße als wäre sie ihr Leben lang nichts anderes gefahren. Wahnsinn. Der Bursche gestern versagte schon, bevor wir die Parklücke verließen und jetzt hätte ich mit der Dame sonstwohin fahren können und hätte mich als Beifahrer sofort wohl gefühlt. Meinen größten Respekt erlangte sie, indem sie auf Anhieb den Rückwärtsgang einlegen konnte. Das war bisher eigentlich nur mir vorbehalten. Selbst der Werkstattmeister meines Vertrauens, der den Wagen gut kannte, bat mich mal bei einem Besuch, meinen Wagen wieder aus der Halle zu fahren, weil niemand in der Werkstatt den Rückwärtsgang einlegen konnte. Ja, hierfür war Gefühl gefragt. Und diese Frau hatte es – ganz zweifellos.

VW Bus in Norwegen
VW Bus in Norwegen

Nach der Probefahrt parkte sie den Bus wieder ein. Der Kauf war perfekt. Sie wollte das Auto immer noch. Prima, immerhin ist es schon nach 17 Uhr. Dummerweise wollte sie mit dem Auto direkt von Essen aus nach Paris (!) weiterfahren. Dort hatte sie etwas zu erledigen und wollte von dort wieder zurück nach Hause. Ich dachte, ich höre nicht richtig. Mit einem unbekannten Auto direkt mal so eine Strecke zurücklegen? Na ja, ihr Problem. Genauso wie die Tatsache, dass sie dafür ein Kurzzeitkennzeichen benötigte. Fünf Tage sind diese gültig. Fünf Tage, in denen sie mit dem langsamen Bus in die französische Hauptstadt möchte, dort bei einem Umzug helfen will und dann weiter nach Hessen. Aber das wäre bei ihr normal. Gestern, als sie mich anrief, hätte sie ja noch im Zug von Berlin nach Hessen gesessen. Den Freund, der sie heute zu mir brachte, hat sie erst gestern Abend als Fahrer engagiert. Ja, die Käuferin machte einen netten, aber leicht chaotischen Eindruck.

Hier kam nun plötzlich wieder dieser seltsame Typ ins Spiel, der nämlich bei seinem Abschied seine Telefonnummer hinterließ. Dieser konnte zu der vorgerückten Uhrzeit tatsächlich noch die besagten Kurzzeitkennzeichen inkl. Versicherung „besorgen“. War nur eine Frage des Preises.

VW Bus in Norwegen
VW Bus in Norwegen

Apropos Preis: Der VW-Bus musste noch bezahlt werden. Doch auch das funktionierte natürlich nicht reibungslos. Denn die junge Dame, die extra aus Hessen ins Ruhrgebiet fuhr, um ein Auto zu kaufen, mit dem sie gleich nach Paris weiter wollte, hatte gar nicht genug Geld dabei. Nachdem ich sie nun schon mehrere Stunden kannte, wunderte mich das aber nicht mehr. Die Hälfte konnte sie mir geben, die restliche Hälfte versuchte sie über ihren Freund zu organisieren, der mittlerweile wieder von seinem Termin zurück war und mit dem ich gemeinsam zu einem Bankautomaten fuhr. Doch da gab es nicht so viel, wie er gerne gehabt hätte. Denn sein tägliches Auszahlungslimit war begrenzt, genauso wie das der Käuferin. Es fehlten im Endeffekt rund 1.000 Euro.

Mittlerweile war es 19 Uhr, die Dunkelheit war schon lange hereingebrochen und die Möglichkeit an Geld zu kommen, bestand für die junge Frau nur noch darin, ihre Bank anzurufen. Wir standen also nun zu dritt mit einem Campingbus auf einem Parkplatz in der Dunkelheit und sie telefonierte mit der Kundenhotline ihrer Bank. Um glaubwürdig zu werden, gab sie mir ihr Handy und nun telefonierte ich mit der Bank. Dort versicherte man mir, man sei wirklich die Bank und man könne jetzt von dem Konto der jungen Dame das restliche Geld auf mein Konto überweisen. Ob ich denn damit einverstanden wäre, auch wenn das völlig unüblich sei und man eigentlich so kein Auto verkaufen würde. Ich bat die Dame am Telefon, mich mal in die Warteschleife zu legen. Wollte doch mal hören, was für eine Musik die Bank hat. Auch die Telefonnummer im Display und die Geräusche im Hintergrund überzeugten mich, dass ich dieses Risiko wohl eingehen könnte.

Stellplatz in Harlesiel
Stellplatz in Harlesiel

So erhielt ich also einen Großteil der Kaufsumme in bar und den restlichen Anteil per Überweisung, die telefonisch getätigt wurde. Wir hielten den ganzen Vorgang auch noch im Vertrag fest und gegen 20 Uhr tauschten wir Schlüssel, Papiere und Geld. Ich konnte endlich nach Hause. Die Käuferin und ihr Freund suchten erst einmal die nächste Pommesbude auf, um etwas zu essen. Anschließend fuhr sie mit den Kurzzeitkennzeichen nach Frankreich. Ich empfand diesen Tag einfach nur als hektisch und anstrengend. Aber ich weiß, dass der Kauf meines ersten VW-Busses während einer Fahrradreise auch nicht ganz normal war, aber das ist dann eine andere Geschichte. Verkaufen werde ich ein Auto auf diese Art und Weise auf jeden Fall nicht noch einmal – hoffe ich.

Ein halbes Jahr später erhielt ich Post von der frischgebackenen VW-Bus-Fahrerin. Sie überraschte mich mit sämtlichen Autoaufklebern, die hinten an der Heckklappe klebten. Ganz vorsichtig hatte sie diese abgeknibbelt und auf Papier aufgeklebt, weil sie annahm, dass da Erinnerungen dran hängen und weil sie mir eine Freude machen wollte, was ich total nett fand. Außerdem sagte sie mir, dass der Bus mittlerweile ein H-Kennzeichen habe. Das freut mich auch und es zeigt mir, dass der Wagen in wirklich gute, wenn auch leicht chaotische Hände gegangen ist.

3 Kommentare zu „Campingbus zu verkaufen – Teil 2“

  1. Pingback: VW-Bus zu verkaufen | molls-reiseblog.de

  2. Ich habe deine Schilderungen mit Begeisterung gelesen und mir ist sofort eine Freundin eingefallen, die ähnlich chaotisch aber total liebenswert ist 🙂

    Irgendwie hat das doch was und ist eine tolle Erinnerung 🙂

    LG Elke

    1. Hallo Elke,

      ja, es stimmt. Ich kenne auch andere Personen, die ähnlich chaotisch sind. Man kann ihnen aber eigentlich nie böse sein, auch wenn’s vielleicht für den Augenblick mal nervt. Eben weil sie auch sympathisch sind.

      Viele Grüße
      Michael

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