Eine Reise in die Niederlande wird meist gleichgesetzt mit einer Fahrt zur Nordsee bzw. zum Ijsselmeer. Dass aber auch das Landesinnere eine Menge zu sehen bietet, zeigt schon alleine die Tatsache, dass es zwanzig niederländische Nationalparks gibt und nicht jeder davon an der Küste liegt. Zum Vergleich: Belgien nennt einen Nationalpark sein Eigen, im wesentlich größeren Deutschland sind es gerade mal 14 und auch das nicht gerade als klein zu bezeichnende Frankreich unterhält gerade mal neun Nationalparks (alle Zahlen von 2010). Was kann es also sein, dass das kleine Holland (um die Niederlande mal umgangssprachlich zu bezeichnen) zwanzig solcher Parks besitzt? Wir haben uns aufgemacht, diese im Laufe der Zeit zu besuchen und beginnen, hier im ersten Teil mit den grenznahen Parks in Nordbrabant, Limburg und der Provinz Gelderland.
Natürlich fuhren wir aber nicht stur von Nationalpark zu Nationalpark, sondern besuchten auf dem Weg auch noch weitere Sehenswürdigkeiten. Zunächst hielten wir in Venlo an, in einer Stadt, die für gewöhnlich nur zum Einkauf von Kaffee genutzt wird. Berühmt ist ja das Geschäft „Die 2 Brüder von Venlo“, in dem man das Gefühl bekommen könnte, in Deutschland gibt es nichts mehr zu Essen und Trinken. Wir schlenderten über den Marktplatz, ließen uns von den Marktschreiern ihre Preise ins Gesicht brüllen und marschierten ohne Kaufabsichten an den zwei Brüdern vorbei in die Fußgängerzone. Wir passierten das hübsche Rathaus, wendeten am Ende der Einkaufsstraße und schlenderten ein kurzes Stück an der Maas entlang, bevor es wieder zum Auto ging.
Unser nächstes Ziel sollte unser erster niederländischer Nationalpark sein, „De Groote Peel“. Er liegt so ziemlich zwischen Venlo und Eindhoven und entstand durch die dort vorherrschenden Hochmoore. Nach einem Blick in das Besucherzentrum entschieden wir uns für eine der kleineren Wanderungen. Zwei Kilometer sollten fürs Erste reichen. Und wir wurden positiv überrascht. Herrliche Ruhe umgab uns als wir Frösche und Libellen beobachten konnten. Obwohl dieser Nationalpark eigentlich klein ist, konnten wir von einem Aussichtsturm nichts als schöne, weite Landschaft erkennen. Gleichzeitig strömte uns der Duft der Bäume in die Nase. Wir waren uns einig, dass dieser Park schon schwer zu übertreffen sein würde.
Etwas weiter nördlich machten wir unterwegs bei Ysselsteyn Halt an dem einzigen deutschen Soldatenfriedhof in den Niederlanden. Über 31.000 gefallene Soldaten lagen hier begraben. Von anderen Soldatenfriedhöfen, die vom Volksbund unterhalten werden, sind wir es gewohnt sind, dass in jedem Grab zwei oder sogar vier Soldaten beerdigt wurden. Umso mehr überraschte es uns, dass hier jeder Soldat sein eigenes Grab und dementsprechend sein eigenes Kreuz hat. Nicht verwunderlich also, dass es sich um ein ausgesprochen großes Gelände handelt. Beim Betreten sahen wir eine Baumreihe und dachten zuerst, dass der Friedhof dort enden würde. Als wir uns näherten, stellten wir fest, dass wir dort gerade einmal die Hälfte des Friedhofs erreicht hatten. So werden die Ausmaße des Zweiten Weltkrieges jedoch einigermaßen vorstellbar. Hier ein kleines Video von mir zum Zweiten Weltkrieg.
Nördlich von Venlo befindet sich der Nationalpark Maasduinen. Momentan verfügt er über kein Besucherzentrum, was sich zukünftig aber ändern soll. Auf Informationstafeln konnten wir aber die Ausmaße und Wanderwege erkennen. Doch weil es schon spät war und dieser Park nun wirklich nicht weit weg von zuhause ist, beschlossen wir, ihn ein anderes Mal an einem Samstagnachmittag zu besichtigen. Er wirkte jedoch schon viel versprechend.
Wir überquerten die Grenze nach Deutschland und wollten einen der vielen Wohnmobilstellplätze bei Kleve ansteuern. Dabei passierten wir jedoch noch den Reichswald-Soldatenfriedhof, auf dem zahlreiche britische Soldaten begraben liegen. Klar, dass wir uns den noch anschauten. Mit seinen zwei Gebäuden am Eingang zwar architektonisch interessant, jedoch auch bedrückend. Sollte man Soldatenfriedhöfen irgendetwas Positives abgewinnen wollen, so ist es der stille und mahnende Ruf nach Frieden.
Frieden fanden wir in Kleve nicht. Wir waren gerade in der Stadt, als wir Augenzeuge einer Prügelei wurden. Couragiert wollten wir dazwischen gehen und der vermeintlich schwächeren Person zu Hilfe eilen, als diese sich plötzlich aus dem Klammergriff und den Schlägen des Gegners löste und wutentbrannt auf uns zu rannte. Allerdings suchte die mit Tätowierungen übersäte und gar nicht so schwächlich wirkende Frau keinen Schutz bei uns, sondern drohte uns auf einmal mit der Faust. Wir sollen sie in Ruhe lassen, das ginge uns nichts an und was wir überhaupt von ihr wollten. Ich benutze mal ausnahmsweise an dieser Stelle den Begriff Bildungsferne, von der wir uns wiederum schnell entfernten. Mit dem Gedanken, dass sie sich doch dann prügeln sollen, wenn sie wollen, zogen wir uns zurück, hatten aber auch keine Lust mehr auf die Besichtigung Kleves. Die Schwanenburg sahen wir nur kurz im Vorbeifahren und von den Klever Gärten schauten wir uns nur einen Teil an. Die Tatsache, dass wir helfen wollten, aber von der vermeintlich hilfebedürftigen Person beinahe angegriffen zu werden, verdarb uns beinahe noch den Abend eines bisher sehr schönen Reisetages.
Die Suche nach einem schönen Stellplatz gestaltete sich nicht so schwer. Zwei der offiziellen und kostenlosen Plätze hatten wir sofort gefunden und wären auch in Ordnung gewesen. Aber man ist ja nie zufrieden mit dem, was man haben könnte. Also schauten wir uns auch noch den angeblichen Stellplatz am Schloss Moyland an. Doch den kostenlosen Platz gibt es dort wohl schon lange nicht mehr. Er wich einem professionellen und gebührenpflichtigen Platz, den wir mieden. Schenkenschanz hieß dann letztendlich unser Übernachtungsplatz, der zudem noch interessant war. Schenkenschanz ist ein Stadtteil von Kleve und liegt direkt am Rhein. Auf Grund der Hochwassergefahr ist die kleine Gemeinde mit rund 120 Einwohnern komplett von einer Mauer umgeben und wirkt wie eine kleine Insel. Der Stellplatz befindet sich außerhalb der Schenkenschanzer „Stadtmauer“, aber mangels Hochwassergefahr stellte dies kein Problem dar.
Schon bei unserer Ankunft begrüßte uns ein Reh in den Rheinauen und gab uns das Gefühl von Idylle. Nur wenige Meter entfernt befindet sich eine kleine Fähre, auf der man den Altarm des Rheins überqueren kann. Irgendwie tat uns der Fährmann leid, weil jeder die vier Kilometer entfernte Brücke nutzte und sich uns die Frage stellte, ob die Fähre überhaupt gebraucht wird. Dabei waren die Preise mit 45 Cent pro Person recht passabel. Auf der anderen Seite des Altarms liegt übrigens die zu Kleve gehörende Ortschaft Düffelward. Hier musste ich ein wenig schmunzeln, weil sich das in meinen Ohren so anhört wie der mögliche Nachname eines Cousins von Donald Duck. Es fehlte irgendwie bloß der Vorname Dietbert oder so. Dietbert Düffelward, als Name in einem Entenhausener Comic vielleicht gar nicht so schlecht.
Die Nacht wurde wirklich so ruhig und angenehm, wie von uns erwartet. Über Kleve machten wir uns wieder auf den Weg in die Niederlande und folgten der Strecke, die wir bereits 2007 radelten, als wir zu unserem Frachtschiff in der Normandie wollten. Veluwezoom hieß unser nächster Nationalpark, gleich in der Nähe von Arnheim, der ebenfalls einen viel versprechenden Eindruck hinterließ. Das Besucherzentrum war sehenswert und schön, nur fanden wir leider keine geeignete Übersicht über die Wanderwege, vor allem Kilometerangaben waren Mangelware. Vielleicht haben wir aber auch nicht richtig geschaut, denn gedanklich waren wir ohnehin schon beim nächsten Nationalpark. Der viel größere und weitaus bekanntere Park „De Hoge Veluwe“ liegt ja direkt nebenan und hatte sowieso schon unsere Vorfreude geweckt. Also schnupperten wir nur kurz in den Veluwezoom hinein und begaben uns zu seinem großen Bruder.
De Hoge Veluwe hat drei Eingänge und kann entweder zu Fuß betreten oder mit einem Auto befahren werden. Wir ließen das Auto draußen stehen und zahlten die 7,50 € Eintritt pro Person. In diesem Preis inbegriffen ist aber dann der kostenlose Verleih eines Fahrrades. An jedem Eingang stehen zahlreiche weiße Fahrräder, die man sich einfach nehmen darf. Mit ihnen macht sich man sich dann auf den Weg, den Park zu erkunden. Wir entschieden uns für den südlichen Parkeingang Schaarsbergen, von dem aus es rund 11 Kilometer bis zum Besucherzentrum mitten im Park sind. Auch hier wurden wir gleich von einem Reh bestaunt, welches im dichten Wald zu erkennen war.
Der Radweg ist ausgebaut und führt durch wunderbare Heidelandschaft und an einer schönen Sanddüne vorbei. Dabei sind wir noch sehr weit von der Küste entfernt. Kiefernduft liegt in der Luft und wir erinnern uns ob der schönen Landschaft an Touren durch Norwegen, Schweden und Estland. Wir waren hellauf begeistert von dem, was wir sahen und waren der Ansicht, das Auto draußen stehen zu lassen, war eine gute Idee. Wir verzichteten zwar auf den Besuch der Kröller-Müller-Museums, aber ließen das Besucherzentrum nicht aus, deckten uns mit Souvenirs ein und radelten weiter nordwärts zum Jagdhaus St. Hubertus. Dort ließen wir einfach die Räder stehen und wanderten fast sieben Kilometer zurück zum Besucherzentrum, wo wir uns die nächsten Fahrräder schnappten. An Mooren und weiteren weiten Heidelandschaften vorbei, kamen wir abschließend wieder am südlichen Eingang aus. Insgesamt beherbergt der Park 42 Kilometer Radwege, von denen wir 28 kennen lernten und zwei Kilometer doppelt radelten. Zu den 30 Kilometern Radelspaß kamen noch insgesamt zehn Kilometer, die wir zu Fuß zurück legten. Um es kurz zu sagen: Wir kamen voll auf unsere Kosten und fanden den Eintrittspreis unter diesen Umständen nicht nur gerechtfertigt, sondern auch äußerst günstig. Der Park schließt erst um 22 Uhr seine Pforten, d.h. man könnte also auch noch bis zur Dämmerung bleiben und an einem der vielen Aussichtspunkte, Picknicktischen oder Hochsitzen bleiben und auf Großwild hoffen. Neben Rehen, Wildschweinen und Hirschen gibt es auch Mufflons im Park, von denen wir aber leider keine antrafen.
Wir waren hellauf begeistert und werden sicherlich nochmal nach De Hoge Veluwe fahren, aber für diesen Park muss man nicht nur Zeit mitbringen, sondern sich auch bewegen wollen, damit man ihn wirklich wahrnimmt.
Fazit: Vier der 20 Nationalparks in den Niederlanden haben wir aufgesucht. In zwei von ihnen (De Groote Peel und De Hoge Veluwe) hielten wir uns länger auf und wurden dafür mit toller Landschaft belohnt, zwei weitere (Maasduinen und Veluwezoom) weckten unsere Neugier und werden uns in Zukunft sicherlich auch nicht enttäuschen. Die weiteren sechzehn Parks werden demnächst hier vorgestellt.