Wanderung durch den Grand Canyon

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    • Offizieller Beitrag

    Der Nordamerika-Reisebericht geht noch weiter. Eine Sache nehme ich aber schon mal vorweg, weil ich heute das dazu entsprechende Video gepostet habe. Also, ich nehme euch heute mit auf eine Wanderung durch den Grand Canyon. Mittlerweile habe ich den Track ausgewertet und "begradigt", dennoch sind 50 km übrig geblieben, die wir zurückgelegt haben. Dabei sind 1.900 Hm hinab und 1.300 Hm wieder hinauf gegangen. Wie es uns dabei ging, sieht man hier:

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    Die Anstrengung kommt nicht wirklich rüber

    Ja, ist mir beim Anblick der Videos auch aufgefallen. Ein Hinweis wären meine schmutzigen Schoko-Mundwinkel zum Schluss. Normalerweise achte ich darauf, dass ich vor der Kamera nicht so aussehe ;)
    Und ein zweiter Hinweis, wenn man es denn so nennen könnte, wäre eigentlich das Fehlen von weiterem Videomaterial während des Aufstiegs. Es gibt tatsächlich nur die beiden Sequenzen, was einfach daran liegt, dass ich keine Kraft/Lust hatte, die Kamera aus der Tasche zu kramen. Im Nachhinein ärgert es mich ein wenig, dass wir kein kurzes Video oben am Ausstieg gemacht haben. Sogar ein Video vom nächsten Morgen hätte ja gereicht. Aber die Kraft fehlte einfach.

    Ich versuche, das mal zu verdeutlichen: Die letzte Videosequenz habe ich exakt hier gemacht (wie immer: meine Empfehlung ist die Satellitenansicht):
    36.063556, -112.138972

    [map]36.063556, -112.138972[/map]
    Das lässt sich sogar ganz gut vergleichen. Im Video erkennt man bei 12:48 die Felsformationen im Hintergrund, die man auch bei Streetview sieht.

    In dieser Ansicht kann man ganz gut erkennen, was da noch kommt. Eigentlich ja nichts außergewöhnliches, aber es war quasi der Tropfen, der das Fass... und so weiter.
    Es wurde kurz nach dem Video dann auch wirklich stockdunkel. Die Stirnlampen mussten wir wieder hervorkramen und was mir bis dato nicht bewusst war: Es ist extrem demotivierend, wenn man über sich irgendwo andere Stirnlampen sieht und man dadurch erkennt, wo man noch hinauf wandern muss. Diese hellen, sich langsam bewegenden Lichtpunkte irgendwo über einem haben mir, glaube ich, den Rest gegeben.

    Im Grunde krauchten wir die letzten Serpentinen nur noch hoch und haben uns immer wieder hingesetzt.

    An dieser Stelle:
    36.061706, -112.142385


    [map]36.061706, -112.142385[/map]

    stand ein Parkranger, der in der Dunkelheit die Taschenlampenbewegungen beobachtete und jeden fragte, ob alles okay sei. Ehrlich gesagt, war da nicht mehr viel okay, aber ernsthaft: Was antwortet man darauf? Man schlurft an ihm vorbei, bedankt sich und kämpft weiter jeden Meter. Denn man blickt ja auch in die Tiefe und man sieht dort unten weitere Lichtpunkte. Das ist dann wiederum motivierend, weil man ja selber diese Strecke nicht mehr machen muss.

    Einerseits tat es gut, zu wissen, dass da jemand ist. Doch andererseits wäre das dann später doch noch fast zum Verhängnis geworden. Denn hier:
    36.058998, -112.143449

    [map]36.058998, -112.143449[/map]

    haben wir zum letzten Mal angehalten und uns kurz hingesetzt. Nur noch ein knapper Kilometer und ungefähr 130 Höhenmeter. Aber ich saß dort, starrte auf den Boden und dachte kurzzeitig darüber nach, mich einfach in den Staub fallen zu lassen. Der junge Ranger würde ja irgendwann vorbei kommen und mir helfen. Gleichzeitig wusste ich natürlich, dass das Blödsinn wäre. Aber der Gedanke tauchte halt kurz auf. Gleichzeitig war Moni absolut genervt, weil ich mir den letzten noch vorhandenen Schluck Wasser wünschte. Den hatte sie im Rucksack und sie war überhaupt nicht mehr in Stimmung, den Rucksack abzunehmen, zu öffnen, wieder aufzusetzen.
    Tja, und während ich also den Kopf hängen lasse und auf meine Schuhe starre, kommt aus einer Felsritze plötzlich eine Maus hervor. Dieses Tier hatte die Dreistigkeit, sich auf meinen linken Schuh zu setzen. War irgendwie niedlich (leider kein Chipmunk), aber gleichzeitig dachte ich mir, dass ich nicht so tot bin, damit Mäuse auf mir herumtanzen. Und als dann noch zwei Amerikanerinnen vorbeischlichen, mit denen wir schon den ganzen Tag die Positionen tauschten, rafften wir uns ein letztes Mal auf und setzten mit wirklich sehr kleinen Schritten den restlichen Aufstieg fort.

    Ungefähr auf halber Strecke von diesem letzten Abschnitt kamen dann die anderen Amerikanerinnen aus dieser Gruppe entgegen, die schon vorher am Ziel waren und nun ihre beiden Freundinnen unterstützten (auch in unsere Richtung: "Ja, ihr habt es gleich. Es ist wirklich nicht mehr weit.")
    Und ich versuchte zudem noch, uns beide damit zu motivieren, dass wir dieses letzte Stück doch schon kennen. Sind wir doch damals an der Stelle ein kurzes Stück hinab spaziert.
    Die Erlösung kam aber dann hier, als wir das Haus vor uns sahen:
    36.057965, -112.142982


    [map]36.057965, -112.142982[/map]

    Da fielen wir uns in die Arme und ich glaube, ich habe mich selten so dermaßen erleichtert gefühlt. Möglich, dass bei uns beiden sogar eine Träne vor Erleichterung kullerte.
    Wir waren wirklich platt und sind über unsere Grenzen hinausgegangen. Noch einmal muss das nicht sein.

    Aber wie ging es weiter?

    Wir erreichten also den Ausstieg (36.057295, -112.143651) aus dem Wanderweg, verabschiedeten uns kurz von den Amerikanerinnen und setzten uns am Rande des Parkplatzes hin, um den Ausdruck der gebuchten Lodge hervor zu kramen. Gebucht hatten wir die Bright Angel Lodge (36.056867, -112.140842) und wir hatten noch in Erinnerung, dass es die nächstgelegene Lodge sei. Doch sehen konnten wir sie nicht (Handyempfang gleich Null). Und zu allem Überfluss lasen wir an diesem Abend um 20.30 Uhr etwas Erschreckendes auf dem Buchungsbeleg: "Falls irgendwelche Rückfragen sind, ist unser Büro täglich bis 19 Uhr besetzt."
    Unser Herz rutschte in die Hose, denn plötzlich befürchteten wir, dass es sich um irgendeine Lodge handelt, in der man bis 19 Uhr einen Schlüssel bekommt und danach niemand mehr erreichbar wäre.
    Mit einem leicht panischen Gesichtsausdruck suchten wir auf dem dunklen Parkplatz nach dem Eingang der Lodge und spürten wieder einmal Erleichterung, als wir die Lobby sahen und feststellten, dass es sich natürlich um eine 24-Stunden-Rezeption handelte. Das hatten wir eigentlich auch so in Erinnerung und bei der Buchung auch drauf geachtet. Aber beim Lesen des Zettels nach dieser Tortur setzte wohl so einiges aus.

    Die Lodge bestand aus mehreren Cabins, die wiederum in vier Zimmer aufgeteilt sind. Wir bekamen unsere Schlüsselkarte und versuchten uns an einer der vier Türen. Ergebnislos. Wir standen vor dem falschen Zimmer, wie uns nach zwei bis drei Minuten der dazugehörige Gast mitteilte, nachdem er die Tür aufriss und fragte, was wir denn hier wollen. Wir mussten einmal ums Haus gehen. Unser Zugang war auf der anderen Seite. Völlige Verwirrung.

    Moni setzte sich aufs Bett. Ich ließ den Rucksack fallen und ging dann wieder in Richtung Lobby. Wir brauchten etwas zu trinken. Und außerdem (das ist jetzt kein Witz), wollte ich in den Souvenirladen, der nur bis 21 Uhr geöffnet hat. Keine Ahnung, woher ich die Kraft hatte, noch durch den Souvenirladen schlendern zu wollen.
    Die Getränke gab es nur am Automaten. Dieser nahm wiederum nur 1-Dollarscheine. Eine Dose/Flasche kostete 2 Dollar. Es gab nur Softgetränke und Bier. Ich hockte mich also auf den Boden vor dem Automaten und fütterte ihn geduldige zwanzig Mal mit Dollarscheinen, um zehn verschiedene Getränke ziehen zu können. Im Souvenirladen erhielt ich noch eine Kleinigkeit zu essen, eine Papiertüte und schlurfte dann zurück zum Zimmer, wo Moni immer noch auf dem Bett saß und sich bloß von den nassen Klamotten befreit hatte.

    Wir hatten es geschafft und das konnten wir einfach nicht glauben.

    Wieder einmal habe ich gemerkt, dass solch eine Tour auch ganz besonders eine Kopfsache ist. Körperlich bin ich nämlich sehr überrascht. Denn mein einziger körperlicher Schwachpunkt war die Kondition, weshalb ich viele Pausen benötigte. Natürlich taten mir Füße, Schultern etc. weh. Aber nicht mehr als auf einer deutlich kleineren Tour, eher im normalen Bereich. Blasen? Keine. Knieprobleme? Absolut nicht und genau das war eigentlich meine größte Sorge. Aber weder während der Tour noch im Anschluss hatte ich irgendwelche Beschwerden.
    Interessanterweise konnte ich trotz kurzer Nacht (der Shuttlebus zum Ausgangsort kommt sehr früh) am nächsten Morgen noch nicht einmal einen Muskelkater spüren. Ich konnte vom ersten Moment ziemlich normal laufen und fühlte mich auch sehr gut. Klar, ich freute mich auf die anschließende, bequeme und lange Autofahrt. Aber wirkliche Probleme hatte ich nicht.
    Etwas anders bei Moni. Sie hatte zwei Tage deutlichen Muskelkater und bewegte sich so, als wäre sie doppelt so alt ;)

    Ach, aber eine auffällige Sache noch. Es begann erst bei Moni, einige Stunden später bei mir - Nasenbluten. Aber nicht so ein Nasenbluten, wo das Blut aus der Nase läuft. Sondern vielmehr ein Nasenbluten, dass man erst beim Nase putzen im Taschentuch sieht. Das hielt mehrere Tage an und anfangs wunderten wir uns. Wir hatten sogar schon "gewitzelt", dass wir die Strahlenkrankheit hätten, weil wir ja ein paar Tage zuvor an der Trinity Test Site waren. Aber im Endeffekt war es vermutlich der feine Staub, den wir aufwirbelten und der sich überall absetzte. Wir nehmen an, dass er in der Nase ein wenig die Schleimhäute "zerkratzte" und das einfach über einen längeren Zeitraum nicht heilen wollte.

    Und ja, es ist ziemlich grün. Bilder zeige ich noch.

  • Hallo Michael,

    unglaubliche Leistung, Hut ab :)).

    Da werden wir nie hinkommen, ist nichts mehr in unserem Alter solch eine Wanderung zu unternehmen. Danke das du uns auf so eine Reise mit nimmst.

    Liebe Grüße Günther

  • Ja, ist mir beim Anblick der Videos auch aufgefallen. Ein Hinweis wären meine schmutzigen Schoko-Mundwinkel zum Schluss. Normalerweise achte ich darauf, dass ich vor der Kamera nicht so aussehe ;-)Und ein zweiter Hinweis, wenn man es denn so nennen könnte, wäre eigentlich das Fehlen von weiterem Videomaterial während des Aufstiegs. Es gibt tatsächlich nur die beiden Sequenzen, was einfach daran liegt, dass ich keine Kraft/Lust hatte, die Kamera aus der Tasche zu kramen.

    OK, nach Lesen Deines Beitrags wird die Anstrengung dann doch deutlich. Und dass Du irgenwann nicht mehr die Kraft hattest zu filmen, kann ich nachvollziehen. Sowas kostet ja auch Energie, und mit der musstet Ihr haushalten.
    Vor dieser Leistung kann ich nach wie vor einfach nur den Hut ziehen.

  • Selbst wenn ich wollte würde ich so eine Tour nicht schaffen. Schon allein im Dunkeln zu laufen auf so einem Weg wäre Horror für mich. Wenn man deine Ausführungen so liest, wird einem noch erheblich deutlicher , was ihr da geleistet habt. Und doch ist es schön zu lesen, was für Kleinigkeiten einen manchmal motivieren, nicht aufzugeben. :rose:

  • Überall steht geschrieben: "Wandern Sie nicht in einem Tag runter und wieder rauf"
    Und dann kommt einer, der wußte das nicht und hat es einfach gemacht.

    Spitzenleistung!

    I lift my hat!

    Gruß
    Michael und Britta

    Touristen wissen nicht, wo sie waren, Reisende wissen nicht, wohin sie gehen. - Paul Theroux

    • Offizieller Beitrag

    Hier schlurfe ich gerade über den North Kaibab Trail nach unten. Das Bild entstand kurz nach Sonnenaufgang (ich habe die Stirnlampe noch auf dem Kopf), kurz vor dem Punkt "Roaring Springs":


    So sah das dann in etwa aus meiner Sicht aus:

    Der Blick zurück. Von links kamen wir den Canyon hinunter:

    Weiter unten überquert man automatisch den Cottonwood Campground. Die Parzellen sehen so aus:

    Links in das Kästchen steckt man sein Permit, damit die Ranger das kontrollieren können. Und über den schmalen Pfad gelangt man zur Parzelle, zu der eine Sitzbank gehört.

    Einer der schönsten Abschnitte waren für mich die letzten zehn Kilometer vor dem Colorado River bzw. der Phantomranch. Da war dieser Seitencanyon nämlich recht eng. Andererseits war eigentlich alles schön:

    Den Kopf muss man hier zwar nicht einziehen, aber es ist eine ziemliche Geräuschkulisse durch das Wasser in der engen Schlucht.

    Ich hatte ja versprochen, ein paar Bilder zu zeigen. Das passt jetzt ganz gut, weil ich nämlich gerade einen Blog-Artikel über den Abstieg auf dem North Kaibab Trail geschrieben habe. Wer ihn lesen und mehr Bilder sehen möchte, da ist er:

    https://www.dieweltenbummler.de/reisen/usa-rei…h-kaibab-trail/

    • Offizieller Beitrag

    Wir haben uns gerade ein Video von jemanden angesehen, der von Süd nach Nord und wieder zurück nach Süd rannte. An einem Tag versteht sich. Allerdings starteten sie auf dem South Kaibab Trail. Der liegt östlich vom Bright Angel Trail und den kennen wir nicht.

    Und nun ist es soweit: Meine Frau hat ihr "Trauma" beendet und kommentierte das Video damit, dass sie den Trail auch gerne mal wandern würde. Es hat zwar drei Monate gedauert, aber offensichtlich ist sie jetzt wieder fähig, solche Planungen anzugehen. In der Tat haben wir gerade darüber gesponnen, dass man in South Rim übernachten, den Bright Angel Trail hinab- und den South Kaibab Trail hinauf wandern könnte. Als Rundweg wären das ca. 32 km mit 1.500 Höhenmetern. Und auf dieser Tour muss man nichts mit Shuttlebus und dergleichen organisieren.

    Also, ihr wisst Bescheid. Wenn wir mal wieder in Arizona herumturnen ist eine zweite Grand Canyon-Wanderung nicht auszuschließen.

    Freu ich mich ein bisschen drüber, denn ich hatte meinen "Ach, könnte man wieder machen"-Punkt schon sehr viel früher.

    Hier übrigens das Video, das uns animierte und Erinnerungen weckte:

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