Von Häusern und Menschen

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  • Moin tosamen —

    Von Häusern und Menschen habe ich dieses Thema genannt, doch will ich den Begriff ‘Häuser’ sehr weit fassen. Gebäude, die von Bedeutung für das Leben bekannter und interessanter Menschen waren oder immer noch sind. Fotos von ihnen (egal, ob kleine Katen, große Schlösser, Mühlen, Türme, einfache Wohnhäuser oder was sonst auch immer) und dazu ein paar Worte zu den Menschen, die z.B. in ihnen geboren wurden oder starben, in ihnen (freiwillig oder unfreiwillig) einen Teil ihres Leben verbrachten oder z.B. irgendetwas Besonderes geleistet haben.

    Ein paar Beispiele: Vielleicht hat ja jemand mal die Löwen Apotheke in Neuruppin fotografiert, in der im Dezember vor 200 Jahren Theodor Fontane geboren wurde, oder den Cavern Club in Liverpool, in dem 1961 die Beatles ihre Karriere begannen. Oder findet in seinem Archiv ein Foto vom Elephant House, jenem Café in Edinburgh, in dem eine Frau Rowling den ersten Band von Harry Potter schrieb. Oder ein Foto von Goethes Wohnhaus in Straßburg, das er oder sie uns hier zeigen kann. Ich selbst habe vor einiger Zeit Hannes Waders Windmühle Fortuna und Knut Kiesewetters Fresenhof in Nordfriesland fotografiert, die gut in dieses Thema passen. Und so weiter und so fort … Ich denke, das sind der Beispiele genug, und es reicht als Prolog. Und so starte ich das Thema ausgehend von einem hier kürzlich vorgestellten ‘Bahnhofsrätsel’ mit:


    Ballynahinch Castle und der Maharadscha von Connemara



    Den ersten Auftritt dieser interessanten Persönlichkeit in Irland beschreibt Anne Chambers in ihrem Buch Ranji – Maharajah of Connemara, ich habe die Zeilen hier ins Deutsche übersetzt, wie folgt:

    17. Juli 1924. Das Postschiff fuhr in Hafen von Kingstown und machte am üblichen Liegeplatz fest. Doch für die neugierigen Passanten war offensichtlich, dass heute irgendetwas anders war. Ein Kontingent der neu geschaffenen Nationalgarde hatte sich am Kai aufreiht, nicht weit davon warteten Minister des irischen Freistaates und offizielle Vertreter Dublins. Von dem Schauspiel angezogen bildete sich eine Zuschauermenge. Alle Augen richteten sich auf die Gangway. Nach kurzem Warten ertönte ein erstauntes Murmeln aus der Menge und eine Gestalt erschien, gekleidet in einen blauen Seidenmantel mit weißen Leggins und einem weißen Turban, auf dessen Mitte ein großer Smaragd prangte. Mit dunklem Gesicht und lächelnder Miene kam die Gestalt im flotten Schritt den Gang herunter und schüttelte Außenminister Desmond Fitzgerald die Hand. Und damit begann die Love Story zwischen seiner Hoheit, Prinz Kumar Shri Ranjitsinhji, Maharadscha von Nawanagar, Staatsmann und berühmter Kricketspieler, und Irland – eine Affäre, die erst mit seinem plötzlichen Tod im Jahr 1933 ihr Ende fand.

    Privat war ‘Ranji’, wie er in der Bevölkerung genannt wurde, eher wie ein englischer Landedelmann gekleidet. Rasch verliebte er sich in die Angelgründe und das Anwesen von Ballynahinch Castle, das er nach einigen Sommeraufenthalten mit einem in England aufgenommenen Kredit erwarb. Eine schillernde Gestalt mit guten Beziehungen zur Regierung des Freistaates – der Außenminister wurde oft zum Angeln eingeladen – und beliebt bei den Bewohnern der Region, denn er zahlte höhere Löhne als üblich und beglich in Irland entgegen seinen sonstigen Geflogenheiten seine Rechnungen. Alljährlich erwarb er fünf neue Autos, die er am Ende der Sommersaison an verdiente Einheimische verschenkte. Wurde seine Ankunft erwartet, legte man vor dem Bahnhof von Ballynahinch Knallkörper auf die Schienen, auf dass die Dienerschaft rechtzeitig zu seinem Empfang bereitstand. Zwei seiner Nichten gingen in Kylemore Abbey zur Schule, wo man den Besuchern noch heute stolz ihre Fotos zeigt. Nach seinem Tod verkauften die Erben das Anwesen, heute ist es ein Hotel.

    Doch wie es jedoch scheint, fand die Love Affair zwischen Ranji und Ballynahinch mit seinem Tod nicht ihr Ende, denn es gibt immer mal wieder Berichte von Einheimischen, die seinen Geist beim Angeln an einem der Gewässer rund um das Schloss gesichtet haben.

    Nun aber bin ich gespannt auf weitere interessante Geschichten Von Häusern und ihren Menschen. Es muss kein ‘langer Roman’ sein, ein Foto des Gebäudes mit einer kurzen Erläuterung zur Person tut es auch.

    Mit einem schönen Gruß in den Tag
    Jürgen

  • Der Leuchtturm von Westerheversand & Heinrich Geertsen



    Er war der letzte seines Standes. Am 1. August 1965 trat im Alter von 29 Jahren Heinrich Geertsen sein Amt als Leuchtturmwärter von Westerheversand an und zog mit seiner Familie in die Dienstwohnung unter dem Turms. Nachdem die Möbel per Treckergespann zur Warft transportiert und mit Helfern in die Wohnung gehievt worden waren, watete Ehefrau Traute mit dem sechs Wochen alten Sohn im Kinderwagen durch das Watt — denn auf dem Vorland war wieder einmal Land unter. “Langweilig war es nie”, stellt Heinrich Geertsen in einem Bericht des Hamburger Abendblattes aus dem Jahr 2007 fest. Fischfang gab es vor der Haustür, und im Garten auf der Warft wurden Kartoffeln und Gemüse angebaut. Seine Eltern — schon sein Vater war hier Leuchtturmwärter gewesen — hatten noch Kühe, Schafe und Schweine gehalten, doch damit war nach schlimmen Sturmfluten Schluss.

    Im Jahr 1979 wurde der Betrieb des Leuchtturms automatisiert, er wird seither vom Wasser- und Schifffahrtsamt Tönning gesteuert. Die Leuchtturmwärter hatten ausgedient. Doch noch heute macht der mittlerweile 83-Jährige Führungen an seiner alten Wirkungsstätte — und gerät beim Besteigen des Leuchtturms weniger aus der Puste, als manch ein junger Spund.

    Mit einem schönen Gruß an alle hier im Forum
    Jürgen

  • Kylemore Castle & Mitchell Henry


    Die Geschichte von Kylemore Castle ist auch eine Liebesgeschichte. Ein Märchenschloss im Tudorstil, erbaut vom aus Manchester stammenden Kaufmann Mitchell Henry für seine Frau, die jedoch 1875 während einer Reise im Alter von erst 47 Jahren starb. Das Schloss war da gerade einmal vier Jahre alt. Die kleine Kapelle, die er für seine Frau hat errichten lassen, wurde 1994 wiederhergestellt und von der damaligen irischen Staatspräsidentin Mary Robinson ihrer Bestimmung übergeben. Auch in der Folge sieht man, dass Geld nicht immer glücklich macht: Im September 1892 kam seine Tochter Geraldine auf tragische Weise ums Leben, als sie mit ihrem Pferdewagen ein paar Meilen vom Schloss entfernt in den Dawros River stürzte. Mitchell Henry überlebte seine Frau um fast vierzig und seine Tochter Geraldine um 23 Jahre; er liegt nun zusammen mit seiner Frau in einem Mausoleum etwas östlich der Kapelle begraben.

    Im Gegensatz zu manchem Landlord seiner Zeit genoss Mitchell Henry hohes Ansehen in der ländlichen Bevölkerung, die er auch als ihr Abgeordneter im britischen Unterhaus vertrat. Vor fast einem Vierteljahrhundert schrieb mir ein damals achtzig Jahre alter Mann aus der Region: “… Mitchell Henry war damals der Landlord auf Schloss Kylemore und gab einer stattlichen Anzahl von Männern Arbeit. Kylemore Abbey, nennt man es heute, und die Benediktinernonnen geben immer noch vielen Frauen einen guten Job. Die Rollen haben sich getauscht: erst die Männer, nun die Frauen.”

    Und damit sind wir bei Bezeichnung ‘Kylemore Abbey’, unter der das Schloss bekannt wurde, nachdem es im 20. Jahrhundert Nonnen des Benediktinerorden übernommen und in ihm ein Mädcheninternat eingerichtet hatten. Das Internat wurde im Sommer 2010 geschlossen und die letzten Nonnen verbringen hier jetzt ihren Lebensabend. Heute sind das Schloss und der viktorianische, von einer hohen Mauer umgebene Garten eine Touristenattraktion, und in dem ehemaligen Internatsräumen hat eine private amerikanische Universität ein Kompetenzzentrum eingerichtet.

    Und damit wünsche ich allen eine schönes Wochenende
    Jürgen

  • Der Fresenhof von Bohmstedtfeld & Knut Kiesewetter

    Wenn de Wind dör de Bööm weiht
    Un Gras nich mehr wassen deiht
    Un geel all ward,
    Denn kummt bald de Tied.

    Wenn de Bläder sik brun farvt
    Un Water steiht inne Groof,
    Denn ward dat Harvst
    Op uns Fresenhof.

    … dichtete Knut Kiesewetter vor mehr als vierzig Jahren auf seinem Fresenhof, und als die Schallplatte 1976 mit sieben Liedern in plattdeutscher und sechs in friesischer Sprache nach langem Zögern seiner Plattenfirma dann doch erschien, ahnte niemand, dass er mit ihr eine Welle auslösen würde, die der norddeutschen Liedermacherszene einen Aufschwung sondergleichen gab.

    Geboren wurde Knut Kiesewetter 1941 in Stettin und kam nach dem Krieg mit seiner Familie als Flüchtling auf die Halbinsel Eiderstedt nach Garding. Den zwischen Husum und Bredstedt gelegenen Fresenhof erwarb er 1971; hier entstand 1976 sein Album Leder vun mien Fresenhof und zehn Jahre später die Fortsetzung Niee Leder vun mien Fresenhof, die den auch als Jazzposaunist bekannten Künstler in der plattdeutschen Folkszene unsterblich gemacht haben. Im Jahr 2000 verkaufte er seinen Fresenhof an den aus der Sendung Löwenzahn bekannten Kinderbuchautor und Fernsehmoderator Peter Lustig und zog nach Garding zurück, wo er am 28. Dezember 2016 in seinem Haus unweit der Musikantenkneipe Lütt Matten starb. Peter Lustig, sein Nachfolger auf dem Fresenhof, überlebte ihn nur um wenige Wochen. Als ich das obige Foto im Herbst 2017 aufnahm, stand der Hof zum Verkauf.

    Tschüss für heute und alles Gute
    Jürgen

  • Garinish Island House und Margaret O’Sullivan & Murdo MacKenzie



    Im Jahr 1910 erwarben der schottische Parlamentsabgeordnete John Annan Bryce und seine Frau Violet die Insel Garnish Island vor der Südwestküste Irlands, ließen auf ihr einen Garten anlegen und errichteten ein Haus, das nach dem Tod des Abgeordneten zum festen Wohnsitz für seine Witwe wurde.

    Doch will ich diesen Beitrag nicht den Herrschaften widmen, sondern dem Gärtner und der Hausverwalterin, die länger als alle anderen hier lebten. Die Gartenanlage, so wie man sie heute sieht, ist das Werk des Schotten Murdo MacKenzie, den Violet Bryce 1928 im Alter von 32 Jahren als Head Gardener auf die Insel holte, wo er bis zu seinem Tod im Jahr 1983 wirkte und arbeitete, zuletzt als Angestellter des irischen Staates, dem Violets Erben die Insel 1953 vermacht hatten. Letzte ständige Bewohnerin des Hauses und der Insel war jedoch Violets in den 1920er Jahren als junges Mädchen eingestellte Hausverwalterin Margaret O’Sullivan, die wie der Chefgärtner ihr gesamtes restliches Leben — und es war ein langes — auf dem Eiland verbrachte und 1998 fünfzehn Jahre nach ihm im hohen Alter von 91 Jahren starb. Beide blieben unverheiratet, wurde uns bei einem Besuch erzählt, waren ihr Leben lang eng befreundet, hätten aber – soweit man weiß – nie eine ‘Affäre’ gehabt.

    Mit einem schönen Gruß
    Jürgen

  • Die Mühle Fortuna bei Struckum & Hannes Wader



    ..

    Dar achter de Weid wiet öwer de Heid,
    Da schimmert ann Himmel en Möhl:
    Dat is mi, as weer ik da vör de Döör
    Un seet op’n Möhlnbarg und spääl.

    De Dag geiht to Rauh, op’t Gras liggt de Dau,
    De Wulken ann Himmel ward root.
    Dat Allens so still, ik weet nich, wa ik will,
    Ik glöv, mi is truri to Moot.

    Wer von Hamburg die Bundesstraße 5 nach Sylt und Dänemark hochfährt, passiert zwischen Husum und Bredstedt den Ort Struckum. Biegt man am Ortsausgang links in den schmalen Mühlenweg ein, liegt nach vielleicht hundert Metern gleichfalls linkerhand an der Kreuzung zweier Feldwege die Mühle Fortuna. 1973 erwarb sie der Liedermacher Hannes Wader und machte sie für ein Vierteljahrhundert zu seinem Wohnsitz.

    Bei dem plattdeutschen Text unter den Fotos handelt es sich um einen Ausschnitt aus dem Lied De Möhl nach einem Gedicht von Klaus Groth, das Hannes ein Jahr nach dem Erwerb der Mühle auf seinem Album Plattdeutsche Lieder veröffentlichte. Und nein, bei der Person, die unten links auf der Bank sitzt, handelt es sich nicht um den gealterten Liedermacher und ehemaligen Mühlenbesitzer :) ! Das (inoffizielle) Straßenschild Hannes Wader Platz haben die neuen Besitzer der Mühle auf ihrem Grund und Boden aufgestellt. Alle Fotos wurden im Februar dieses Jahres aufgenommen.

    Mit schönen Grüßen
    Jürgen

    _______________
    Postscriptum: Vielleicht gibt es ja auch noch andere Mitglieder dieses Forums, in im Verlauf ihrer Reisen Gebäude fotografiert haben, die mit (mehr oder weniger) bekannten Persönlichkeiten in Verbindung stehen und diese hier vorstellen möchten.

  • Classibawn Castle & Lord Mountbatten

    Heute kommen wir in der Reihe Von Häusern und Menschen zu einem der dunklen Kapitel in der irischen Geschichte. Geboren als Prinz Louis von Battenberg, verbrachte der letzte Vizekönig von Indien und Mentor des britischen Thronfolgers die Sommer seines Ruhestands auf Classibawn Castle im County Donegal. Das Schloss war eine Erbschaft seiner verstorbenen Frau. Am 27. August 1979 fuhr der 79-jährige von diesem seinen Sommersitz aus trotz Warnungen der irischen Polizei mit einer Angelgesellschaft aufs Meer hinaus, wo eine von der Provisional IRA in seinem Boot platzierte Bombe detonierte und ihn, einen seiner Enkel und die Mutter seines Schwiegersohns in den Tod riss.

    Jürgen

  • Der Königspesel von Hooge und Friedrich VI.

    Nachdem bei der als Halligflut in die Geschichte eingegangenen Sturmflut vom 3. bis 5. Februar 1825 rund 800 Menschen ums Leben gekommen waren, befahl der dänische König Friedrich VI zu Gunsten der Opfer und Behebung der Schäden eine Kirchenkollekte und Haussammlung in seinem gesamten Herrschaftsgebiet. Im Frühsommer brach er dann zu einer Inspektionsreise auf um die Flutschäden zu besichtigen und landete am zweiten Juni auf der Hallig Hooge, die damals zum dänischen Gesamtstaat gehörte. 


    Ein Glücksfall für die Hallig bis heute, denn ein Sturm verhinderte am Abend seine Abreise, so dass er die Nacht auf dem Eiland verbringen musste. Dazu wählte er sich die gute Stube im 1776 von Kapitän Tade Hans Bandix erbauten Traufenhaus auf der Hanswarft aus, ein mit aus Holland stammenden biblischen Fliesen und Decken- und Türmalereien vornehm ausgestatteter Raum, der seither als Königspesel bekannt ist. Mit den Mitbringseln der Kapitäne aus früheren Jahrhunderten gilt er heute als bedeutendstes Dokument der Halligkultur und wurde nicht zuletzt durch die Übernachtung des Königs zur größten Touristenattraktion der nordfriesischen Halligen.

    Jürgen

  • Das Haus in der Husumer Wasserreihe und Theodor Storm


     Nach dem Tod seiner ersten Frau Constanze heiratete Theodor Storm die 38-jährige Dorothea Jensen, die er bereits kurz nach seiner ersten Hochzeit kennen gelernt hatte, und zog mit ihr in Hafennähe in das Haus Wasserreihe 31. Nichts ist in diesem Haus, in dem der Dichter und Landvogt von 1866 bis 1880 wohnte, mit Kordeln abgesperrt. Schilder ‘Berühren verboten’ sucht man vergeblich und ältere Leute, so wurden wir informiert, dürfen sich auch schon einmal auf einen der Stühle setzen, auf denen schon Storm gesessen hat. Wir fühlten uns allerdings nicht angesprochen.


    Im ersten Stock kommt man in die Hauptwohnstube, die heute wieder original möbliert ist. Hier stehen das alte Tafelklavier — Storm war auch ein guter Sänger — und der Sessel, aus dem heraus er die neugeschriebenen Kapitel der Familie vorlas, insgeheim die Mienen seiner Zuhörer beobachtend. Wirkten sie gelangweilt, so wurde das Kapitel gestrichen.


    Dann rief vielleicht die Pflicht und der Landvogt zog sich in sein 20 Quadratmeter großes Arbeitszimmer im Erdgeschoss zurück, von wo aus er das heutige Nordfriesland einschließlich der Insel Sylt verwaltete. Die Akten hatten in einem Schrank Platz, es musste nicht alles schriftlich begründet werden. Ein Mord im Hinterland? Der Landvogt muss ihn aufklären, verbindet das Ganze mit einem Familienausflug — und wer weiß, am Ende springt vielleicht eine feine Novelle dabei heraus.


    Im früheren Elternschlafzimmer steht heute der Schreibtisch, den er zu seinem siebzigsten und letzten Geburtstag bekam und an dem er den Schimmelreiter vollendete. Da lebte er in Hademarschen. Vier Säulen in Form einer Eule tragen das Oberteil, geschnitzt von einem 15-jährigen Lehrling aus einer Kieler Werkstatt. Emil Hansen hieß der junge Mann, der sich dann später Emil Nolde nannte.


    Im Obergeschoss dann das ‘Poetenstübchen’, das original aus der Stormzeit erhalten ist und in dem mehr als zwanzig seiner Novellen entstanden. Steht man in diesem Zimmer mit seinen dunkelroten Wänden, dunklem Deckengebälk und dunklem Mobiliar, in das nur wenig Licht durch das kleine Fenster fällt, versteht man, warum Storms Geschichten oft etwas düster-melancholisch sind. Er hatte sich dieses Arbeitszimmer ‘selbst gedichtet’, als er die untere Etage aus Geldmangel vermieten musste. Die schwarze Holzdecke hatte er sich zu seinem 60sten geleistet, als er, wie er in einem Brief vermerkte, “als ein bis dato armer Mann endlich die Früchte seiner schriftstellerischen Arbeit zu ernten begann”. Denn nach Gründung des norddeutschen Bundes hatte die preußische Obrigkeit im Rahmen einer Verwaltungsreform die Husumer Landvogtei aufgehoben und ihn bei verminderten Bezügen zum Amtsrichter degradiert. Mit den Mieteinnahmen reichte es aber noch für zwei Dienstmädchen.


    Und damit wünsche ich allen ein schönes Wochenende — und unserem Admin Michael nach seinem Unfall eine gute Genesung :thumbup:!
    Jürgen

  • Das General Post Office & Patrick Pearse

    Am Ostermontag, dem 24. April 1916, besetzten Aufständische das Dubliner Hauptpostamt, und der Dorfschullehrer Patrick Pearse proklamierte vor dem Gebäude die Irische Republik. Der Aufstand, der kaum Unterstützung in der Bevölkerung fand und von manchen als Verrat an den in den britischen Streitkräften im Ersten Weltkrieg kämpfenden eigenen Landsleuten gesehen wurde, war nach wenigen Tagen von britischen Truppen niedergeschlagen und seine Anführer wurden nach einem Schnellprozess hingerichtet. Das in der Folge harte Vorgehen der britischen Regierung führte dann nachträglich zu einer Solidarisierung der Bevölkerung mit den nun als Märtyrer gesehenen Aufständischen und der für die Unabhängigkeit Irlands kämpfenden Bewegung, die 1919 in einen Guerillakrieg und Ende 1921 in die Gründung des Irischen Freistaats mündete. 


    Und damit wünsche ich allen einen guten Start ins Wochenende
    Jürgen 

  • Der Barkenhoff & Heinrich Vogeler


    1894 schloss sich der Maler, Grafiker, Buchillustrator, Architekt und Designer Heinrich Vogeler der Künstlerkolonie Worpswede an und erwarb eine Bauernkate, die er in den Folgejahren zu einer Jugendstilvilla umbaute und Barkenhoff (Birkenhof) nannte. Zur Jahrhundertwende wurde der Barkenhoff zu einem wichtigen Treffpunkt der Künstlerkolonie. Zu dieser ‘Barkenhoff-Familie’ gehörten der Dichter Rainer Maria Rilke, der hier seine Frau, die Bildhauerin Clara Westhoff (eine Freundin von Paula Modersohn-Becker) kennenlernte, Otto Modersohn, Paula Modersohn-Becker, Paulas Schwester Milly, seine künftige Ehefrau Martha und sein Bruder Franz mit Frau Philine angehörten. Die drei Paare Rilke & Clara, Modersohn & Paula sowie Vogeler & Martha heirateten hier im Jahr 1901.

    Zu Beginn des Ersten Weltkriegs meldete sich Vogeler als Kriegsfreiwilliger, wurde aufgrund seiner Erlebnisse an der Front zum Pazifisten und Kommunisten und machte den Barkenhoff nach dem Krieg zu einer Kommune und Arbeitsschule, um damit zu zeigen, dass ‘eine neue Gesellschaft’ möglich ist. Nach dem Scheitern des Projekts wurde der Barkenhoff 1923 zu einem Kinderheim der ‘Roten Hilfe’, das 1932 geschlossen wurde. Nach mehreren Reisen nach Moskau emigrierte Vogeler 1931 endgültig in die Sowjet-Union und wurde dort nach Einmarsch der deutschen Wehrmacht nach Kasachstan zwangsevakuiert, wo er 1942 starb. Heute befindet sich im Barkenhoff das Heinrich-Vogeler-Museum.

    Die obigen Fotos entstanden am 9. April dieses Jahres kurz vor Sonnenuntergang.

    Schöne Grüße nun wieder aus Tönning

    Jürgen

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