Nordfriesland und seine Kirchen

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  • Nordfriesland und seine Kirchen


    Egal ob motorisiert, mit dem Rad oder per pedes, ob religiös oder nicht religiös: Kirchen ziehen Reisende an. Und so starte ich heute einmal ein neues Thema Nordfriesische Kirchen. Da ich mit den Gepflogenheiten in diesem Forum noch nicht so ganz vertraut bin, bin ich mir etwas unsicher, ob ich es unter Treffpunkt — Natur, Landschaft, Architektur oder hier unter Länder und Städte einbringen sollte, habe mich dann einfach mal für das Letztere entschieden. Gegen eine Verschiebung habe ich natürlich nichts einzuwenden.

    Ich beginne in Husum, der Hauptstadt Nordfrieslands, womit ich gleichzeitig zur jüngsten Kirche aus meinem Fotoarchiv komme. Am 7. Juli 1833 wurde die heutige St. Marienkirche am Husumer Marktplatz geweiht:


    Theodor Storm mochte die 1833 fertiggestellte Nachfolgerin der 1807 wegen Baufälligkeit abgerissenen Ziegelkirche aus dem Jahr 1436 überhaupt nicht, doch die Kosten für deren Sanierung waren der knauserigen Husumer Kaufmannschaft zu hoch gewesen. Das wertvolle Inventar wurde verschleudert, und ein Vierteljahrhundert lang lebte man ohne Stadtkirche, bis 1829 der Neubau in Auftrag gegeben wurde.

    Nicht nur Theodor Storm, auch den meisten anderen Husumern seiner Zeit gefiel das neue Gotteshaus zunächst gar nicht. “Ein gelbes, hässliches Kaninchenhaus mit zwei Reihen viereckiger Fenster und einem Turm wie eine Pfefferbüchse”, nannte Storm die neue Kirche, und der Volksmund spottete über die ‘ach so vernünftigen’ Husumer:

    De Tönninger Torn is hoch un spitz,
    de Husumer Herren hemm de Verstand in der Mütz!


    Hell und licht stellt sich der vom dänischen Architekten Christian Friedrich Hansen im neuklassizistischen Stil entworfene Neubau da, dessen Turm an ein Leuchtfeuer erinnert. In den Jahren 2012 bis 2013 wurde der Innenraum renoviert und erstrahlt seither im neuen Glanz:



    Soviel für heute, im Januar werde ich das Thema mit weiteren Kirchen aus Nordfriesland fortführen. Und natürlich sind alle in diesem Forum eingeladen, in ihren Fotoarchiven gleichfalls nach nordfriesischen Kirchen zu suchen und sie hier vorzustellen.

    Jürgen

    • Offizieller Beitrag

    Offtopic:

    ob ich es unter Treffpunkt — Natur, Landschaft, Architektur oder hier unter Länder und Städte einbringen sollte

    Das geht manchmal fließend ineinander über und lässt sich nicht immer scharf abgrenzen. Ich hätte es jetzt genauso gemacht wie du.

    Ansonsten tolles Thema, tolle Bilder. Danke dafür!

    Deinem Aufruf folgend schmeiße ich mal die einzige Remonstrantenkirche Deutschlands in den Raum. Sie steht in Friedrichstadt, einer Ortschaft, die mir grundsätzlich extrem gut gefallen hat:

  • St. Laurentiuskirche Tönning

    De Tönninger Torn is hoch und spitz,
    de Husumer Herren hemm de Verstand in der Mütz!

    Nachdem ich im ersten Beitrag zum Thema Nordfriesische Kirchen mit dem obigen Vergleich der Husumer die Tönninger Kirche bereits erwähnt habe, bietet es sich an, sie nun einmal vorzustellen. Die Tönninger St. Laurentiuskirche ist im Kern noch romanisch, hat aber nach mehrfachen Zerstörungen im 17. und 18. Jahrhundert immer wieder Umbauten erfahren:


    Sie wurde nicht nur zu heiligen Zwecken verwendet. Nachdem die Eiderstedter sieben Dithmarscher Frauen geraubt und in der Tönninger Kirche eingesperrt hatten, kamen 1402 die Dithmarscher über den Fluss, befreiten sie aus dem Gotteshaus und brannten die Stadt nieder.


    In der Kirche sieht man auf der linken Seite ein Gemälde des Malers Jürgen Ovens, der 1623 in Tönning geboren wurde. 1640 ging er als Schüler Rembrandts in die Niederlande und kehrte 1651 in seine Heimatstadt zurück, wo er die Tochter eines reichen Ratsherrn heiratete. Über seinem Bild von der Heiligen Familie hängt ein Selbstportrait von ihm und seiner Frau Maria, die man (rechtes Foto) weniger hochgeschlossen auf einem Bild in der Ausstellung der Gesellschaft für Tönninger Stadtgeschichte bewundern kann.

    Einen schönen Gruß
    Jürgen

  • Die Halligkirche von Langeneß


    Nach zwei großen nordfriesischen Kirchen folgt nun mit der Halligkirche von Langeneß eine kleine. Bei den zehn heute noch existierenden Halligen vor der nordfriesischen Küste handelt es sich um kleine Eilande, die anders als Inseln bei starken Fluten überspült werden, so dass dann nur noch die auf künstlich aufgeschütteten Hügeln stehenden Gebäude aus dem Wasser ragen. Diese Hügel werden im allgemeinen Warft genannt, nur auf Langeneß lässt man das ‘t’ am Ende weg und nennt sie Warf.

    Die erste Kirche der Gemeinde Langeneß stand an anderer Stelle und ging bei der Ersten Grooten Mandränke von 1362 verloren. 1666 entstand ein Neubau auf der heutigen Kirchwarf, auf deren Fundament 1894 die oben abgebildete gegenwärtige Kirche errichtet wurde. Man beachte auch den kleinen hölzernen Glockenturm neben der Kirche, etwas, was man auch bei einigen anderen kleinen nordfriesischen Kirchen findet.

    Oben nun ein Foto vom Kirchenschiff mit einer beeindruckenden Deckenmalerei und eines von einer Grabplatte in friesischer Sprache, die nicht mit der plattdeutschen verwechselt werden will, im Vorraum. Die Fotos entstanden am 31. Oktober 2012.

    Mit einem schönen Gruß in den Tag
    Jürgen

  • Vielen Dank für diese Diskussion, die ich warum auch immer erst jetzt entdeckt habe! Eine Oma ist einige Male in Nordfriesland gewesen und hat mir viel dazu erzählt, aber nachdem sie nicht gläubig war, hat sie die Kirchen - sagen wir so - weniger besichtigt. Umso mehr bedanke ich mich für die schönen Bilder!

  • Vielen Dank für diese Diskussion, die ich warum auch immer erst jetzt entdeckt habe! ... Umso mehr bedanke ich mich für die schönen Bilder!

    St. Magnus-Kirche Tating


    Ja, dann muss ich mit dem Thema wohl weitermachen. Ich weiß nicht, ob es stimmt, dass es auf der nordfriesischen Halbinsel Eiderstedt die größte Kirchendichte Deutschlands gibt, doch mit 18 Kirchen bei in unseren Tagen 22.400 Bewohnern würde mich das nicht wundern. Glaubt man der Eiderstedter Chronik von 1104 bis 1547, begann die Geschichte dieser Kirchengemeinden mit einem Mord. Demnach hatten im Jahr 1113 die Männer der Familie Boyens in Garding ihren Kirchenherrn Harmen Lütke erschlagen, weil er zu spät zum Gottesdienst kam. Darauf entzog man ihnen das Vorschlagsrecht zur Besetzung der Pfarrstelle, und so bauten sie sechs eigene Kapellen, aus denen sich die heutigen Gemeinden entwickelten. Die älteste von ihnen ist St. Magnus in Tating:


    Im Jahr 1103 zunächst als hölzerne Kapelle errichtet, wurde sie sehr bald durch einen Steinbau ersetzt. Das auf dem Foto sich etwas absetzende romanische Mittelschiff aus dem 12. Jahrhundert ist heute der älteste Teil der Kirche. Den Turm erhielt sie erst 1662.


    Zu den zahlreichen Kunstschätzen, die sie beherbergt, gehört der um 1450 erstellte und im 17. Jahrhundert erweiterte dreiflügelige Altar. Die drei Fotos sind noch ‘ganz frisch’, sie wurden vor vier Wochen aufgenommen — am 18. Februar, sollte es jemand ganz genau wissen wollen.

    Soviel für heute und noch einen schönen Tag
    Jürgen

    3 Mal editiert, zuletzt von Schimmelrieder (19. März 2019 um 15:57) aus folgendem Grund: Nachdem mir die Forums-Software mehrfach beim Absenden zusätzliche Leerzeilen einfügte, habe ich nun versucht, den BBCode so zu gestalten, dass sie das nicht macht .

  • Vielen Dank für die Nachschläge, die ich erst jetzt gesehen habe und aber sehr schätze! Wobei ich sagen muss, dass mir sowohl die Innenräume als auch das Äußere sehr gefallen.

  • St. Johanniskirche Hooge

    In der Reihe Nordfriesische Kirchen folgt nun eine ganz kleine, die Halligkirche von Hooge. Nachdem im Jahr 1634 eine gewaltige Sturmflut, die sogenannte Zweite Mandränke, die Insel Strand zerrissen und 18 Kirchen zerstört hatte, holten sich die Hooger von dort das Baumaterial und Inventar für ihre eigene Kirche und errichteten sie von 1637 bis 1642, also mitten im 30-jährigen Krieg:


    So kommt es nun, dass die Kanzel aus der Werkstatt des Meisters Ringelin aus Flensburg und das holzgeschnitzten Taufbecken mit der Jahreszahl 1624 versehen sind, auch wenn es die Kirche zu dem Zeitpunkt noch gar nicht gab. Der neben der Kirche stehende Glockenstuhl wurde aus vier auf Hooge gestrandeten Eichenpfählen errichtet, die Glocke zwischen 1841 und 1848 gegossen. Nun zu den beiden Fenstern links und lrechts des Altars:


    Das Fensterbild links des Altars mit dem sinkenden und von Jesus geretteten Petrus wurde im Jahr 1919 von einem Hamburger Kaufmann gestiftet, das rechte stammt aus dem Jahr 1911 und stellt Jesus als den Guten Hirten dar. Hinten in der Kirche hängt ein Gebet eines namentlich nicht bekannten Pastors aus dem Jahr 1864, mit dem ich diesen Beitrag nun beende:

    Guter Gott —

    Gib dem Überfluss Grenzen
    und lass die Grenzen überflüssig werden.
    Bessere solche Beamten, die wohl tätig
    aber nicht wohltätig sind.
    Nimm den Wucherern das Getreide
    und lass das Getreide wuchern.
    Schenke den Vereinen mehr Tatkraft
    und der Tatkraft mehr Vereinigung.
    Gib den Weisen Macht
    und den Mächtigen Weisheit.
    Schenke den Fröhlichen Wein
    und den Weinenden Fröhlichkeit.
    Und lass uns niemals auf unseren Lorbeeren ausruhen,
    sondern die Lorbeeren auf uns.

    Das dürfte, nunmehr 150 Jahre später, nichts von seiner Aktualität verloren haben, und so wünsche ich damit allen einen guten Start in den Tag.

    Jürgen

  • St. Anna von Tetenbüll

    Wir bleiben auf der Halbinsel Eiderstedt und radeln weiter zur Kirche St. Anna von Tetenbüll, einer Gemeinde mit weniger als sechshundert Einwohnern. Um das Jahr 1113 wurde hier eine Kapelle errichtet, die Ursprünge der heutigen, zum Schutz gegen Hochwasser auf einer Warft (künstlich aufgeschütteter Hügel) gebauten Kirche stammen etwa aus dem Jahr 1400. 1491 wurde sie erweitert und der Kirchturm errichtet:

    Besonders bekannt ist St. Anna für ihre einzigartige Deckemalerei. Da im 18. Jahrhundert die ärmere Bevölkerung weder lesen noch schreiben konnte, wurde der Weg Christi als Bibel der Armen in einer Bildfolge an die Decke gemalt. Hier eine Szene daraus:

    Da das Wasser der Nordsee bei Sturmflut früher sehr hoch stand, findet man auf der Kirchwarft anders als bei den meisten anderen Eiderstedter Kirchen keine Gräber. Und so wurde, damit auch der Pastor nicht so schnell nasse Füße bekam, auch das Pastorat auf einer Warft erbaut, die mit der noch höheren Kirchwarft durch eine Brücke verbunden ist. Ich denke, hier wohnt man nicht schlecht:


    Die Fotos wurden im Mai 2017 aufgenommen, und mit ihnen wünsche ich allen hier einen schönen Start ins Wochenende.

    Jürgen

  • Die Kirche St. Marien von Witzwort

    Dann kommen wir heute zu einer weiteren der 18 Kirchen auf der Halbinsel Eiderstedt, zur Kirche St. Marien in Witzwort, die um 1420 in romanisch-gotischer Form errichtet wurde. Der kleine hölzerne Glockenturm rechts im Bild steht auf dem Ostrand der Kirchwarft und stammt aus dem Jahr 1631. Der Chorraum wurde 1898 abgerissen und im neugotischen Stil wiederaufgebaut:

    Die Kanzel auf der rechten Seite des linken Fotos stammt aus dem Jahr 1583 und repräsentiert den sogenannten ‘Eiderstedter Typ’. Auf der anderen Seite unter dem großen Kreuz findet sich ein um zirka hundert Jahre älterer grau-goldener Taufstein aus Namurer Marmor. Über zwei Stufen gelangt man in den Altarraum:

    Der dreiteilige Altar, mit seinem für Eiderstedt einmaligen Reichtum der Brüggemann-Schule zugeschrieben, gilt als kostbarster Schatz der Kirche und figurenreichster aller achtzehn Eiderstedter Kirchen. Johannes Brüggemann war ein deutscher Bildhauer und Schnitzer, der um 1480 in Walsrode geboren wurde und um 1540 in Husum starb. 


    Die Fotos wurden im Juli vergangenen Jahres aufgenommen. 

    Tschüss denn und bis bald 

    Jürgen

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