Schauspiel "Das Glitzern der Welt"

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    • Offizieller Beitrag

    Ich will euch heute mal einen kleinen Erfahrungsbericht über ein Theaterstück geben. Er war für mich in gewisser Weise eine Reise durch eine Stadt und berichtet zudem aus fernen Ländern. Ich habe mir gestern das Theaterstück im Schauspielhaus Dortmund angeschaut und es hat mir extrem gut gefallen. Das Stück wird nur noch bis zum 19. Dezember gespielt und dürfte wohl auch ausverkauft sein, deswegen kann ich ruhig davon erzählen, ohne etwas zu verraten. Denn genau das ist es, was für Erlebnis wichtig ist: Vorher nichts zu wissen.
    Für alle, die aus der Nähe von Dortmund kommen und doch noch in dieser Woche hinein gehen wollen, verspoilere ich ab hier:

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    Ein Freund fragte, ob ich Lust hätte mitzukommen und wusste selber auch nicht so viel, was uns in dem Stück erwarten würde. Kurz vor dem Beginn waren wir fast die einzigen im Vorraum des Theaters und ich fragte mich, wo die anderen Zuschauer seien. Es stellte sich heraus, dass das Stück nur von maximal sechs Zuschauern gleichzeitig erlebt werden kann. Letztendlich waren wir zu fünft. Mit unseren Eintrittskarten erhielten wir gleichzeitig jeder einen mp3-Player, mussten dafür als Pfand unseren Personalausweis hinterlegen. Ich wunderte mich schon ein wenig. Personalausweis gegen einen 10-Euro-mp3-Player? Aber was wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht wussten, war, dass das bereits ein Teil der Inszenierung war.

    Anschließend gingen wir in einem kleinen Raum hinein, setzten uns auf unbequeme Plastikstühle und starrten auf eine große Fototapete, auf der Dortmund von oben zu sehen war. Wir wurden kurz instruiert, wie der mp3-Player funktioniert, bekamen einen Zettel mit einer Notfallnummer und mussten den Player alle im gleichen Augenblick starten. Zu mystischen Klängen gesellte sich eine Stimme, die in der Ich-Form sprach. Diese Stimme beschrieb den Raum, in dem wir saßen und begann eine Geschichte zu erzählen. Sie handelte davon, dass die Person einen Auftrag von einer unheilvoll klingenden Person erhielt und dass er nun aufbrechen müsse, um den Auftrag zu erfüllen. Sinn dahinter war also, genau das zu machen, was die Stimme beschreibt. Es ging dann in etwa so: "Ich schaute mich um und sah, dass die anderen Personen im Raum aufstanden und sich zum Ausgang bewegen. Ich folgte ihnen, ging durch einen Vorraum und trat auf die Straße. Dort sah ich eine Skulptur und passierte diese bis zu einer Ampel."

    Die Beschreibungen waren natürlich deutlich ausführlicher, aber führten dazu, dass diese kleine Gruppe von Zuschauern nach draußen ging. Jeder für sich, aber trotzdem zusammen. Man wurde durch diese Stimme in das angrenzende Einkaufszentrum geleitet. Dort hatte man kleine Aufgaben zu erfüllen und bestimmte Wege zu gehen. Dabei war man ganz auf sich alleine gestellt. In der Erzählung drehte sich dann alles um das Glitzern in dieser Einkaufswelt. Ihr könnt euch vorstellen, wie das ist. An einem Adventswochenende in einem Einkaufszentrum umherzuirren. Die Menschenmassen, die zwischen den Gängen umher eilten, wurden so zur Kulisse des Schauspiels (ein Grund, warum das Theaterstück nicht an einem Sonntag aufgeführt werden kann). Das war auf jeden Fall schon mal sehr gut umgesetzt, denn man war zwar Teil des Geschehens aber irgendwie auch wieder nicht, weil man eben wie ferngesteuert der Stimme lauschte.

    Diese überraschte aber dann mit dem nächsten Befehl. Und zwar solle man zu einem bestimmten Punkt gehen, wo ein Auto warten würde, in das man einzusteigen hätte. Spätestens hier sah man also die anderen Zuschauer wieder, die ja synchron den gleichen Text hörten. Und so fanden wir uns plötzlich in einem völlig abgedunkelten Kleinbus wieder. Das einzige, was zu sehen war, war ein Bildschirm, auf dem die Geschichte des mp3-Players nun weiter geführt wurde. Nach rund zehn Minuten Fahrt öffnete sich die Schiebetür und ein Schauspieler begrüßte uns mit den Worten: "Wer seid ihr, wo wollt ihr hin, wo kommt ihr her. Könnt ihr euch ausweisen?"

    Kurz gesagt, uns wurde vor Augen geführt, wie es sich für einen Flüchtling anfühlen muss, wenn man mit fremden Menschen zusammen eingepfercht ist, irgendwohin gebracht wurde und man sich weder ausweisen kann noch weiß, wo man eigentlich ist. Wir sollten aussteigen und der Kleinbus fuhr weg. So standen wir also plötzlich ganz alleine mit einem völlig fremden Menschen in einer dunklen Seitengasse des Dortmunder Hafens. Was für ein Kontrast. Gerade eben noch im bunten Konsumtempel mit tausenden anderen Leuten und jetzt plötzlich praktisch einsam in einem dunklen Viertel, das eher Unwohlsein auslöst.

    Der Schauspieler stellte sich als Monsieur K. aus Kamerun vor und war im Grunde nichts anderes als unser Schlepper. Er beschallte den Dortmunder Hafen mit afrikanischem Gesang, berichtete über Flüchtlinge, die aktuell auf einem dortigen Schiff leben und führte uns dann anschließend - nächste Überraschung - in einen unheimlich wirkenden Keller. Ehrlich: Normalerweise wäre ich tagsüber nicht in das Gebäude gegangen, schon gar nicht in diesen schlecht riechenden Keller mit seinen kalten Wänden und einer Stahltür, bei der man nur noch darauf wartet, dass sie hinter einem mit einem lauten Knall fest verschlossen wird. Aber hier ging eben das Schauspiel weiter und wir saßen um eine Art Lagerfeuer herum.

    Wir bekamen etwas zu trinken und zu essen. Letzteres bestand aus "Bobolo aus Kamerun", wie Monsieur K. erzählte. Völlig verückt, aber ich habe einfach mal probiert. Es schmeckte nicht sonderlich gut. Späteres Googeln ergab, dass es sich um eine Maniokpflanze handelte, die wir in landestypischer Weise gereicht bekamen. Symbolisch wurden noch unsere Namen auf einen Zettel geschrieben und schließlich verbrannt. Denn immerhin ging es ja um das Thema Flüchtlinge und das Verlieren der bisherigen Lebensgeschichte. Anschließend kam der abgedunkelte Bus wieder und brachte uns in die Nähe des Schauspielhauses, wo wir am Ende des Schauspiels wortlos ausgelassen wurden und plötzlich an einem fremden Ort auf uns alleine gestellt waren.

    Das Ganze erinnerte mich in der Aufmachung und den vielen Überraschungseffekten sehr an den Film "The Game" mit Michael Douglas und dauerte rund zwei Stunden. Das Ziel war, Beklemmung und Unsicherheit auszulösen, was man auch bei den anderen Zuschauern/Teilnehmern geschafft hat. Wichtig ist eben hierbei, nicht zu wissen, was eigentlich geschieht und was einen noch erwartet.
    Diese Art von Schauspiel hat mir extrem gut gefallen. Wenn ihr also so etwas ähnliches kennt, wo man eben nicht weiß, was da auf einen zukommt und wo man Teil des Stücks wird, dann nur her mit den Vorschlägen.

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