Das Haus in der Husumer Wasserreihe und Theodor Storm

Nach dem Tod seiner ersten Frau Constanze heiratete Theodor Storm die 38-jährige Dorothea Jensen, die er bereits kurz nach seiner ersten Hochzeit kennen gelernt hatte, und zog mit ihr in Hafennähe in das Haus Wasserreihe 31. Nichts ist in diesem Haus, in dem der Dichter und Landvogt von 1866 bis 1880 wohnte, mit Kordeln abgesperrt. Schilder ‘Berühren verboten’ sucht man vergeblich und ältere Leute, so wurden wir informiert, dürfen sich auch schon einmal auf einen der Stühle setzen, auf denen schon Storm gesessen hat. Wir fühlten uns allerdings nicht angesprochen.
Im ersten Stock kommt man in die Hauptwohnstube, die heute wieder original möbliert ist. Hier stehen das alte Tafelklavier — Storm war auch ein guter Sänger — und der Sessel, aus dem heraus er die neugeschriebenen Kapitel der Familie vorlas, insgeheim die Mienen seiner Zuhörer beobachtend. Wirkten sie gelangweilt, so wurde das Kapitel gestrichen.
Dann rief vielleicht die Pflicht und der Landvogt zog sich in sein 20 Quadratmeter großes Arbeitszimmer im Erdgeschoss zurück, von wo aus er das heutige Nordfriesland einschließlich der Insel Sylt verwaltete. Die Akten hatten in einem Schrank Platz, es musste nicht alles schriftlich begründet werden. Ein Mord im Hinterland? Der Landvogt muss ihn aufklären, verbindet das Ganze mit einem Familienausflug — und wer weiß, am Ende springt vielleicht eine feine Novelle dabei heraus.
Im früheren Elternschlafzimmer steht heute der Schreibtisch, den er zu seinem siebzigsten und letzten Geburtstag bekam und an dem er den Schimmelreiter vollendete. Da lebte er in Hademarschen. Vier Säulen in Form einer Eule tragen das Oberteil, geschnitzt von einem 15-jährigen Lehrling aus einer Kieler Werkstatt. Emil Hansen hieß der junge Mann, der sich dann später Emil Nolde nannte.
Im Obergeschoss dann das ‘Poetenstübchen’, das original aus der Stormzeit erhalten ist und in dem mehr als zwanzig seiner Novellen entstanden. Steht man in diesem Zimmer mit seinen dunkelroten Wänden, dunklem Deckengebälk und dunklem Mobiliar, in das nur wenig Licht durch das kleine Fenster fällt, versteht man, warum Storms Geschichten oft etwas düster-melancholisch sind. Er hatte sich dieses Arbeitszimmer ‘selbst gedichtet’, als er die untere Etage aus Geldmangel vermieten musste. Die schwarze Holzdecke hatte er sich zu seinem 60sten geleistet, als er, wie er in einem Brief vermerkte, “als ein bis dato armer Mann endlich die Früchte seiner schriftstellerischen Arbeit zu ernten begann”. Denn nach Gründung des norddeutschen Bundes hatte die preußische Obrigkeit im Rahmen einer Verwaltungsreform die Husumer Landvogtei aufgehoben und ihn bei verminderten Bezügen zum Amtsrichter degradiert. Mit den Mieteinnahmen reichte es aber noch für zwei Dienstmädchen.
Und damit wünsche ich allen ein schönes Wochenende — und unserem Admin Michael nach seinem Unfall eine gute Genesung
!
Jürgen